TOP-THEMA
Solarenergie







Flexibles StromsystemBundeskabinett beschließt EnWG-Novelle

Abendrot Strommasten
Das flexible Stromsystem braucht neue Regeln – ausgearbeitet sind sie. Das Bundeskabinett hat einen Gesetzentwurf vorgelegt.Aber ob die Novelle des EnWG vor der Neuwahl noch beschlossen wird, ist ungewiss. (Foto: PxHere / CC0 1.0)

Das Bundeskabinett hat die Novelle des Energiewirtschaftsgesetzes beschlossen. Sie enthält umfangreiche Neuregelungen zum Energiemarkt, der flexibler werden soll. Ob sie jedoch bis zur Neuwahl das parlamentarische Verfahren durchläuft, ist ungewiss.

14.11.2024 – Nach dem Ampel-Aus schien die Novelle des Energiewirtschaftsgesetzes verloren. In den Gesetzen, die Bundeskanzler Scholz als dringlich und vor der Neuwahl zu beschließen aufzählte, fehlte sie. Nun hat das Bundeskabinett die Novelle beschlossen.

Die Novelle des Energiewirtschaftsgesetzes (EnWG) ist ein Artikelgesetz, sie enthält Gesetzesänderungen zu verschiedenen Gesetzen: zum Energiewirtschaftsgesetz, zum Erneuerbare-Energien-Gesetz, zum Messstellenbetriebsgesetz, zum Netzausbau- und Bundesbedarfsplangesetz sowie weiteren Gesetzen und Verordnungen.

Schon Ende August wurde ein erster Referentenentwurf öffentlich gemacht, dem aber noch Inhalte fehlten, die Mitte Oktober in einem zweiten Referentenentwurf enthalten sind.

Die jetzt angestrebten Veränderungen fassen die in der Wachstumsinitiative formulierten Ziele in konkrete Regeln. Es geht darum, das Stromsystem flexibler zu gestalten, um der inzwischen führenden Rolle der Erneuerbaren Energien gerecht zu werden. Einige Änderungen werden notwendig, um deutsches Recht an europäische Vorgaben anzupassen.

Die Änderungen am EEG (Artikel 6 der EnWG-Novelle) sollen bereits mit Wirkung zum 1. Januar 2025 in Kraft treten, alle anderen Änderungen nach der offiziellen Verkündung des Gesetzes.

EEG: Abschaffung der Vergütung bei negativen Preisen

Um den Bundeshaushalt zu entlasten, aus dem die Kosten für EEG-Vergütungen gezahlt werden, und um Stromspitzen vor allem aus der Stromerzeugung aus Photovoltaik zu vermeiden, sollen Neuanlagen keine Vergütung in Zeiten negativer Strompreise erhalten. Zusätzlich entfällt bereits ab einer Viertelstunde negativer Preise die Vergütung, nicht wie bisher nach einer Stunde. Die nicht vergüteten Zeiten können an das Ende der 20jährigen Vergütungsphase angehängt werden.

Dem Bundesverband Erneuerbare Energien reicht das einfache Anhängen unvergüteter Zeiten an die Vergütungsperiode nicht. Er tritt schon länger für eine Umstellung von einer zeit- auf eine mengenbasierte Förderung ein.

EEG: Auch kleinere Anlagen müssen schrittweise in die Direktvermarktung

Die verpflichtende Direktvermarktung gilt derzeit für Anlagen ab 100 Kilowatt Leistung. Zukünftig sollen auch kleinere Anlagen dazu verpflichtet werden. In drei Jahresschritten soll die Schwelle beginnend ab 1.1.2025 zunächst auf 90 Kilowatt Leistung, danach auf 75 und 2027 schließlich auf 25 Kilowatt Leistung sinken.

Dieses Vorhaben kritisiert der Bundesverband Solarwirtschaft als weder technisch noch wirtschaftlich umsetzbar, da die Prozesse zwischen Direktvermarktern und den mehr als 800 Netzbetreibern in aller Regel nur unzureichend digitalisiert seien und der Rollout von intelligenten Messystemen bislang nur schleppend verlaufe. „Die aus einem kleinteiligen Vermarktungs- und Steuerungsaufwand resultierenden hohen Direktvermarktungskosten von in der Regel über 1.000 Euro jährlich würden Unternehmen davon abhalten, ihre Firmendächer für den Klimaschutz und die Sonnenstromernte zu nutzen“, warnt BSW-Geschäftsführer Carsten Körnig. Schon jetzt sei die Direktvermarktung, der oft relativ kleinen Solarstrommengen, eine Herausforderung für viele Betriebe und verhindere PV-Zubau auf Mittelstandsdächern.

Auch der BEE sieht die Absenkung der Direktvermarktungsgrenze kritisch. Es sei nicht nachvollziehbar, weshalb man an einer Reduzierung der Direktvermarktungsgrenze festhält, wenn schon heute Erneuerbare-Energien-Anlagen mit einigen hundert Kilowatt Leistung keinen Direktvermarkter finden“, sagte BEE-Präsidentin Simone Peter.

Weitere Änderungen am EEG betreffen Netzanschlussverfahren, Garten-PV und Tracker-PV sowie Energiespeicher.

Appell von Öko-Energieversorger

Die naturstrom AG appelliert an die demokratischen Fraktionen im Bundestag, die EnWG-Novelle noch vor einer Neuwahl im Parlament zu beschließen – und hierbei weiter zu verbessern. Der Öko-Energieversorger kritisiert neue Hemmnisse beim Smart-Meter-Rollout und überzogene Steuerungsanforderungen für kleine Solaranlagen. Zudem müssen bei der Direktvermarktung die Prozesse den neuen Anforderungen angepasst werden.

Oliver Hummel, Vorstandsvorsitzender der naturstrom AG, ruft daher dazu auf, die Novelle noch vor der Wahl im Parlament zu beschließen: „Mit der EnWG-Novelle wird das Energiewende-Nadelöhr der zu langsamen Netzanschlüsse wirkungsvoll angegangen. Dies sollte im Interesse aller Parteien liegen, die hinter den deutschen Klimaschutzzielen stehen. Neue Absicherungspflichten für Energieversorger stärken zudem seriöse Unternehmen, indem sie verhindern, dass einzelne Discounter weiter ohne eigene Verantwortungsübernahme als Trittbrettfahrer des Systems unterwegs sind – dies ist ohnehin europarechtlich geboten.“

naturstrom ist auch als Direktvermarkter für Erneuerbare-Energien-Anlagen aktiv und blickt skeptisch auf die geplante Herabsetzung der Direktvermarktungsschwelle, die von bisher 100 kW schrittweise auf 25 kW sinken soll. „Es ist richtig, Erneuerbare-Energien-Anlagen stärker in den Markt zu holen und Preissignale beim Anlageneinsatz zu berücksichtigen“, befindet Hummel. Der Entfall der Vergütung bei negativen Preisen sei wie die Ausweitung der Direktvermarktung daher nachvollziehbar. „Allerdings sind die Prozesse der Direktvermarktung längst nicht für eine solche Ausweitung vorbereitet, die Kosten daher noch viel zu hoch für Anlagen mit nur vergleichsweise wenig Energieerzeugung. Hier braucht es deutliche Vereinfachungen und Digitalisierung in den Abläufen.“

Kritisch sieht der Öko-Energieversorger, dass die Nutzung von Smart Metern teurer wird und die Netzbetreiber den Einbau auf Wunsch stärker als bisher verweigern können. Der Smart-Meter-Rollout schien gerade langsam in Gang zu kommen, nun wird durch neue Regeln und höhere Kosten wieder gebremst. „Das ist für die Energiewende kontraproduktiv, wir brauchen mehr Daten und Intelligenz im System, und zwar flächendeckend“, fordert Hummel. Es sei zwar nachvollziehbar, dass zunächst Erzeuger und flexible Verbrauchsanlagen steuerbar gemacht werden sollen. Aber auch alle Haushalte ohne solche Installationen müssen von dynamischen Tarifen profitieren können. Dafür braucht es keine overengineerten Smart Meter mit vielen Zusatzfunktionen, die reine Messung und Kommunikation der Stromverbrauchswerte würde vollkommen ausreichen.

Während Hummel beim Smart-Meter-Rollout zu wenig Ambition attestiert, hält er die Verpflichtungen zur Steuerbarkeit für sehr kleine Anlagen ab zwei Kilowatt für überzogen: Neue Auflagen und damit Kosten durch die Steuerbarkeitsanforderungen könnten die Rentabilität kleinerer PV-Anlagen empfindlich schwächen und damit den Solarausbau bremsen. Eine Steuerbarkeit für Anlagen ab 7 kW wie bisher reicht in der Regel aus, niedrigere Schwellenwerte sollten nur in Netzgebieten mit konkretem Engpass gelten.

Verbesserungsbedarf sieht Hummel auch beim Energy Sharing, das als neues Belieferungsmodell eingeführt werden soll: „Die Bürgerenergieszene hat lange auf Energy Sharing gewartet – gut, dass diese europäische Vorgabe nun endlich umgesetzt werden soll. Der nun gewählte Ansatz bietet aber keine Anreize, das Modell in der Praxis zu nutzen. Leider wird so die Chance, Bürger und Bürgerinnen direkter bei der Energiewende einzubinden, nicht vollständig genutzt.“ pf

Neuen Kommentar schreiben


Name: *
E-Mail: *
(wird nicht veröffentlicht)
Nicht ausfüllen!


Kommentar: *

max 2.000 Zeichen