Politische Neutralität von NGOs: Bundesregierung erteilt große Absage an kleine Anfrage der CDU

Der Bundesregierung sind keine Hinweise auf NGO-Schattenstrukturen bekannt, zivilgesellschaftliches Engagement zu fördern und freie demokratische Meinungsäußerung zu ermöglichen, seien hingegen Aufgaben des Staates – auch vor Wahlen.
14.03.2025 – Kurz nach der Bundestagswahl im Februar stellte die CDU/CSU-Fraktion im Parlament eine kleine Anfrage an die Bundesregierung. Die ‚kleine‘ Anfrage umfasste 551 Fragen zur ‚Politische Neutralität staatlich geförderter Organisationen‘, die darauf abzielen, die Gemeinnützigkeit des politischen Engagements einer Reihe von NGOs sowie deren mögliche staatliche Förderungen in Frage zu stellen. Dabei nahm die CDU 17 NGOs ins Visier, unter ihnen Omas gegen Rechts, Greenpeace, Campact und Correctiv.
CDU wittert Schattenstrukturen bei Omas gegen Rechts
Gleich in der Einleitung der Anfrage stellt die CDU die in der Raum, NGOs bildeten eine Schattenstruktur, die mit staatlichen Geldern indirekt Politik betreibe. Es folgt eine lange Liste repetitiver Fragen, die den Organisationen immer wieder unterstellen, politische Verbindungen zu bestimmten Akteuren zu haben, sich parteipolitisch zu engagieren, und vor allem, dass dieses politische Engagement im Widerspruch mit ihrer Gemeinnützigkeit stünde.
Als Grund für die Anfrage, die explizit von CDU-Kanzlerkandidat Friedrich Merz unterschrieben ist, werden Proteste gegen die CDU genannt. Nachdem Friedrich Merz kurz vor der Wahl scheinbar gezielt eine Mehrheit mit der AfD für eine härtere Asylpolitik im Parlament gesucht hatte, protestierten hunderttausende Menschen in ganz Deutschland über Tage gegen Rechts und für Demokratie. Auch NGOs hatten zu Demonstrationen aufgerufen – das passte der CDU wohl nicht.
Nicht nur die genannten zivilgesellschaftlichen Organisationen, sondern auch viele Kommentatoren, Politiker und andere zeigten sich empört. Die öffentliche und suggestive Fragestellung sei ein grober Einschüchterungsversuch der wohl nächsten regierungsführenden Partei gegen zivilgesellschaftliche Organisationen, die sich – oft auch ehrenamtlich – für Demokratie und das Gemeinwohl einsetzten.
Große Absage an die kleine Anfrage
Einige der adressierten Organisationen, wie zum Beispiel Greenpeace, beantworteten die Fragen gleich selbst. Ihre Reaktionen werden wohl die einzigen umfassenden Ausführungen bleiben, die die CDU bekommt. Denn in ihrer Antwort hat die Regierung der kleinen Anfrage eine große Absage erteilt.
In ihrer Vorbemerkung betont die Bundesregierung, dass die Demokratie von Teilhabe und freier Meinungsäußerung lebt, die der Staat zu gewährleisten, und nicht zu beschränken habe – auch nicht vor einer Wahl.
Ob eine gemeinnützige Organisation als solche einzuordnen ist, wird jährlich vom Finanzamt geprüft. Der Status der Gemeinnützigkeit werde nicht durch gelegentliche Stellungnahmen zu tagespolitischen Themen, die nicht explizit Gegenstand der Vereinssatzung sind, gefährdet. Außerhalb von Projekten, für die zweckgebundene Fördergelder verbgeben würden, habe die Regierung nicht das Recht, gemeinnützigen zivilgesellschaftlichen Organisationen politische Vorgaben zu machen.
Keine Schattenstrukturen in Sicht
„Die Bundesregierung sieht keine Anhaltspunkte für die in der Kleinen Anfrage enthaltene Behauptung, wonach die geförderten ‚NGOs eine Schattenstruktur‘ bildeten.“ Der Umfang der Interessenvertretung auf den Deutschen Bundestag bestimmter NGOs könne im öffentlich einsehbaren Lobbyregister nachgeschlagen werden. Man sehe davon ab, das Tun bestimmter Organisationen positiv oder negativ zu kommentieren.
„Im Übrigen weist die Bundesregierung darauf hin, dass es nicht Bestandteil der parlamentarischen Kontrollfunktion des Bundestages ist, frei verfügbare Informationen durch die Bundesregierung zusammentragen und anschaulich aufbereiten zu lassen.“ Dieser Satz steht nicht nur in der Vorbemerkung, sondern ist noch mehrmals als Antwort auf den Fragenkatalog der CDU zu finden.
“Friedrich Merz hat sich verzock“, sagt Martin Kaiser, geschäftsführender Vorstand von Greenpeace, „Die Bundesregierung hat in ihrer Antwort bestätigt: Die Demokratie ist auf zivilgesellschaftliches Engagement und den Einsatz gegen menschen- und demokratiefeindliche Fehlentwicklungen angewiesen. Daher sieht sich der Staat in der Pflicht, dieses Engagement zu fördern. Wer sollte das sonst auch leisten? Diese einfache Erkenntnis hätte der Union vorher klar sein sollen.“
Stattdessen habe sie in ihrer Wut über die Proteste für Demokratie einen schlampigen Fragenkatalog an die Bundesregierung geschickt. Er sollte auch Organisationen einschüchtern, die nichts mit den Protesten zu tun hatten oder wie Greenpeace finanziell unabhängig sind und kein Geld vom Staat erhalten. „Das ist schlechter Stil und eine unnötige Scharfmacherei. Es ist uns allen zu wünschen, dass die künftige Regierungsarbeit von CDU und CSU solider sein wird und Kritik der Zivilgesellschaft als Ansporn verstanden wird.” jb