COP29Um die entscheidende Zahl wird weiter gerungen

Podium mit großer Leinwand auf der "COP29 Baku" steht, mit Rednerin
Plenarsaal der COP29 (Bild: Minister of Environment Ruanda, flickr, CC BY-ND 2.0)

Auf der COP fordern Entwicklungsländer weiter 1,3 Billionen US-Dollar jährlich für die Klimafinanzierung. Das Angebot der Industriestaaten aber ist deutlich niedriger. Neue Finanzierungswege und Verantwortungsnahme fossiler Firmen werden diskutiert.

22.11.2024 – „Das Spiel wird ruppiger“, sagte Bundesaußenministerin Annalena Baerbock am Freitagmittag 14:30 Uhr Ortszeit in Baku auf einer Presskonferenz. Mit den vorliegenden Textvorlagen ist Baerbock bei weitem noch nicht zufrieden, die inzwischen die Verhandlungsleitung für Deutschland übernommen hat.  

Es ist das typische Bild der jährlichen Klimakonferenzen, kurz vor den finalen Verhandlungen zum Beschlusstext der COP, ist dieser noch voller Klammern und unterschiedlicher Erwägungen. Auch um den kompletten Text ist eine große Klammer. Klar ist also, dass noch nichts klar ist. Am heutigen Freitag soll die COP29 eigentlich enden, doch dass es wieder einmal zu einer Verlängerung kommt, zeichnet sich ab.

Im Laufe der Verhandlungen machten die Staaten, an die die Klimafinanzierung fließen soll, wiederholt deutlich, dass es in steigenden Schritten bis 2030 eine Billion und bis spätestens 2035 rund 1,3 Billionen US-Dollar bedarf, für Klimaschutzmaßnahmen, Klimaanpassung und Zahlungen für entstandene Schäden und Verluste infolge der Klimakrise. Summen, die unabhängige Expert:innen der Vereinten Nationen ermittelt haben. Zahlen sollen die Industriestaaten, die Hauptverantwortlichen der Klimakrise an einkommensschwache Länder des Globalen Südens, die wenig bis keine Schuld tragen, aber am stärksten von den Folgen des Klimawandels betroffen sind.

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Von Seiten der Industrieländer aber steht im Freitagmittag vorliegenden Textentwurf bislang lediglich eine Summe von 250 Milliarden US-Dollar jährlich bis 2035, die diese bereitstellen könnten. Eine Zahl, die schon in den vergangenen Tagen kursierte. Ein Vertreter afrikanischer Staaten bezeichnete den Vorschlag bereits als Witz. 1,3 Billionen US-Dollar sollen aus "allen möglichen Quellen" kommen. Baerbock wiederholte die Forderung der EU-Delegation nach einer Erweiterung der Geberländer.

Gerungen wird vor allem um eine alleinige Verantwortung der Industrienationen oder um das kollektive Erreichen des Klimafinanzierungsziels über verschiedene Wege, bei der die Industriestaaten eine Führungsrolle übernehmen.

Bei dem kollektiven Erreichens des Finanzierungsziels, geht es auch um eine stärkere Verantwortung der Staaten, die bislang nicht als historische Industriestaaten definiert wurden. China etwa gehört nicht dazu, hat aber bei den historisch kumulierten Emissionen inzwischen mehr emittiert als alle 27 EU-Staaten zusammen. Auch die Öl-Staaten, Saudi Arabien, Katar und die Vereinigten Arabischen Emirate (VAE) sollen mehr beitragen, so eine Forderung der EU.  Zudem geht es darum, Unternehmen, die mit fossilen Brennstoffen Gewinn machen, globale stärker für den Klimaschutz zur Kasse zu beten. Dieser Part jedoch wurde im neuesten Textentwurf zurückgewiesen.

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Der Globale Süden befürchtet, dass sich die Industrieländer zu sehr aus der Verantwortung ziehen. Der Zusatz, dass die insgesamt 1,3 Billionen aus "allen möglichen Quellen" kommen sollen ist ihnen zu vage. Jan Kowalzig, Referent für Klimawandel und Klimapolitik bei Oxfam Deutschland, kritisiert: Die nach diesem Text vorgesehene Unterstützung in den kommenden zehn Jahren wird den wachsenden Bedarfen der einkommensschwachen Länder in keiner Weise gerecht. Dieser Text ist inakzeptabel. Bleibt zu hoffen, dass in den nächsten Stunden hier noch deutlich nachgebessert wird."

Zudem soll der Fonds für Schäden und Verluste - der Loss and Damage" Fonds - nicht teil des neuen Finanzierungsziels werden. Es wird im Text lediglich anerkannt, dass in diesem Bereich der Unterstützungsbedarf hoch ist und hier gehandelt werden muss.

Das "Mitigation Work" Programm

Zu einem weiteren dringlichen Thema sagte Kowalzig bereits gestern: „Ärgerlich ist, dass die Industrieländer offenbar die Idee von Unterzielen für die thematischen Bereiche Anpassung, Minderung und Bewältigung unvermeidlicher Verluste und Schäden komplett aus dem Text entfernen konnten. Nunmehr ist nur noch die Rede von einer Balance zwischen Minderung und Anpassung.“

Bei den Debatten auf der COP zur Minderung von Emissionen – im Rahmen des sogenannten Mitigation Work Program – bestand zwischendurch sogar die Gefahr, eines kompletten Scheiterns dieses Verhandlungsstrangs. Es geht vor allem darum, wie die Weltgemeinschaft, die auf der COP28 in Dubai erzielte Einigung zur Verdreifachung des Ausbaus Erneuerbarer Energien und Abkehr von fossilen Energien vollziehen kann.

Immerhin erklärte Gastgeber Aserbaidschan die Debatten dazu fortzuführen. Insgesamt wird Aserbaidschan von vielen Beobachter:innen nicht als ambitionierter Gastgeber wahrgenommen, der die Verhandlungen progressiv vorantreibe. Der Grüne Europaabgeordnete Michael Bloss sagte am Freitagmittag via X: „Azerbaijan blockiert gerade jeden Fortschritt, dabei sollten sie als Präsidentschaft für ein gutes Ergebnis verhandeln. Schamlose fossile Zerstörungsideologie!“

Während der COP28 Gastgeber VAE inzwischen positiv in den Verhandlungen wahrgenommen wird, kritisierte Baerbock insbesondere auch Saudi Arabien. Diese seien offensichtlich mit dem Ziel angereist, die erreichten Beschlüsse der letzten COP zurückzudrehen. Dem neuen Textenwurf zufolge sieht es bislang so aus, dass es beim Mitigation Work Program weder Vor- noch Rückschritte geben wird. Es wird nun erwartet, dass die Delegierten bis mindestens tief in der Nacht, Ortszeit in Baku weiterverhandeln. Manuel Grisard

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