COP29: Viel Gerede für einen Minimalkompromiss
Offiziell schon am Freitag zu Ende, wurde auf der Klimakonferenz bis tief in die Samstagnacht hinein verhandelt. Am Ende steht ein Kompromiss, der mehr ist als zuvor, aber deutlich zu wenig für die gewaltigen Aufgaben angesichts der Klimakrise.
25.11.2024 – Der Beschluss der Weltklimakonferenz, der COP29 in Baku, Aserbaidschan, bewege sich im oberen Bereich dessen, „was bei der derzeitigen politischen Großwetterlage möglich ist“, sagte der Geschäftsführer der Umwelt- und Menschenrechtsorganisation Germanwatch, Christoph Bals, am frühen Sonntagmorgen Ortszeit. Den progressiven Staaten beim Klimaschutz und denen, die dringend Geld für die Transformation und Mittel für Schäden infolge der Klimakrise brauchen, stehen Länder wie Russland, Saudi-Arabien, der Gastgeber Aserbaidschan und künftig wohl auch wieder die USA gegenüber, die lieber weiter auf das fossile Geschäft mit Öl und Gas bauen.
Wichtigstes Thema der diesjährigen COP war ein neues globales Klimafinanzierungsziel. 2009 hatte die Staatengemeinschaft beschlossen, dass die historisch definierten Industriestaaten, die Hauptverursacher der kumulierten menschengemachten Emissionen, ab 2020 jährlich 100 Milliarden US-Dollar für Klimaschutzmaßnahmen und Klimaanpassung in den einkommensschwachen Ländern des Globalen Südens bereitzustellen – die Staaten, die am meisten unter der Klimakrise leiden und nicht die nötigen Mittel haben, dagegen anzukämpfen. Laut eigenen Angaben erreichten die Industriestaaten dieses Ziel erstmals 2022. Es gibt jedoch Kritik, an einer übermäßigen Anzahl von Krediten zu marktüblichen Konditionen.
Das Finanzierungsziel läuft 2025 aus. Ein Expertengremium der Vereinten Nationen stellte klar, dass diese Mittel schon heute und in Zukunft bei weitem nicht ausreichen. Bedarfe von 1 Billion US-Dollar bis 2030 und 1,3 Billionen bis 2035 seien nötig, für Klimaschutz, Klimaanpassung und für Schäden und Verluste durch die Klimakrise. Eine Forderung, die auch die Staatengemeinschaften des Globalen Südens, auf der COP in Baku lautstark einforderten.
Doch am Freitag, dem eigentlichen Ende der COP, offerierten die Industriestaaten lediglich die Summe von 250 Milliarden US-Dollar, die aus staatlichen Mitteln kommen könnte – ab 2035. Die künftigen Empfänger zürnten, angesichts der niedrigen Offerte. Ein Aufwuchs auf bis zu 1,3 Billionen US-Dollar, sollte, schwammig formuliert, aus „allen möglichen Quellen“ kommen. Auf „freiwilliger Basis“ sollen auch Länder wie China oder die Golfstaaten – die mit Öl und Gas zu Reichtum gelangt sind – zur Finanzierung aus staatlichen Mitteln beitragen.
Wenig mehr und nicht genug
Mehr als 24 Stunden ging es daraufhin in die Verlängerung der COP. Am Ende steht nun im Abschlussdokument ein etwas höherer Aufwuchs staatlicher Mittel von 300 Milliarden US-Dollar ab 2035. „Machen wir uns nichts vor: Der größte Teil dieser Mittel wird wie schon bisher in Form von Krediten kommen. Sie müssen mit Zinsen zurückgezahlt werden und können die oft erdrückende Schuldenlast der einkommensschwachen Länder weiter verschärfen“, konstatiert Jan Kowalzig, Experte für Klimawandel und Klimapolitik bei Oxfam. Kowalzig verweist unter anderem auf einen Abschnitt im Beschluss, wonach einen Großteil der Last Kreditbanken übernehmen dürften.
Es geht um Kredite multilateraler Banken, wie der Weltbank oder die Asian Infrastructure Investment Bank. Diese sollen auch von Ländern wie China und den Golfstaaten unterstützt werden, die zudem über ihre Beiträge künftig transparent berichten sollen. Inwieweit auch die Profiteure und zugleich direkten Verursacher der Klimakrise – Unternehmen, die mit Öl, Gas und Kohle Gewinn machen – stärker in Verantwortung genommen werden für Klimaschutz zu zahlen, wurde auf die kommende COP30 in Belém, Brasilien, verschoben. Dann soll konkreter darüber beraten werden, wie vielleicht doch noch Aufwüchse auf 1,3 Billionen US-Dollar 2035 erreicht werden können. Auch soll es spätestens 2030 eine Überprüfung des Klimafinanzierungsziels geben.
Dr. Florian Egli Leiter der Arbeitsgruppe Public Policy for the Green Transition, Technische Universität München, verweist auf das Potenzial einer stärkeren Verantwortung durch Öl- und Gasfirmen: „Wie viel mehr möglich gewesen wäre trotz fiskalisch angespannter Lage in westlichen Ländern zeigt, dass Öl- und Gaskonzerne 2022 allein fast 500 Milliarden US-Dollar Übergewinne einfuhren, zusätzlich zu den erwarteten Gewinnen von 750 Milliarden US-Dollar. 42 Prozent davon in staatlich kontrollierten Unternehmen.“
David Ryfisch Leiter des Bereichs Zukunftsfähige Finanzflüsse bei Germanwatch, bilanziert: „Mit 300 Milliarden US-Dollar wurde die heute realistische Mindestsumme für einen Abschluss gerade so erreicht. Diese Summe steht jedoch nicht im Verhältnis zum tatsächlichen Bedarf in verletzlichen Ländern.“ Leider hätten viele Finanzministerien nicht verstanden, dass Klimafinanzierung keine milde Gabe sei. Jeder für Klimaschutz und -anpassung ausgegebene Euro sei gut investiert, denn er spare ein Vielfaches an Schäden.
Schäden und Verluste wurden jedoch nicht Teil des Globalen Klimafinanzierungsziels. Ein auf der letzten COP in den Vereinigten Arabischen Emiraten erstmals gefüllter Fonds – der „loss and damage fund“ – wurde bis zum Ende der diesjährigen COP lediglich um weitere 85 Millionen US-Dollar gefüllt und beträgt aktuell 760 Millionen US-Dollar. Ein Tropfen auf den heißen Stein, angesichts der jährlichen Milliardenschäden durch klimawandelbedingte Extremwetterereignisse im Globalen Süden.
Blockadepolitik
Nur durch entschiedene Maßnahmen beim Aufbau Erneuerbarer Energien, Energieeffizienz und dem Ausstieg aus fossilen Brennstoffen, lässt sich die Klimakrise noch halbwegs eindämmen. Auf der letztjährigen COP28 in Dubai, in den Vereinigten Arabaischen Emiraten, wurde eine Verdreifachung des Ausbaus Erneuerbarer Energien, Verdoppelung der Energieeffizienz bis 2030 und eine Abkehr von fossilen Energien beschlossen. Die Festlegung auf einen klaren Ausstieg wurde jedoch vereitelt. Auch ist der Passus mit vielen Schluplöchern, etwa für Gas, versehen.
In den finalen Verhandlungsstunden der diesjährigen COP machte sich insbesondere Saudi-Arabien daran, den in vieler Augen schon ungenügenden Beschluss noch einmal zu verwässern. Wie der Spiegel und Guardian berichten, legte ein saudischer Vertreter Änderungsvorschläge des Abschlussdokuments vor, in denen der Passus zur Schärfung der Klimaziele und Minderung der Treibhausgase im Einklang mit den Pariser Klimazielen gestrichen wurde. Sogar die Einigung auf die Verdreifachung des Ausbaus Erneuerbarer Energien kam in den Änderungsvorschlägen nicht mehr vor.
Auch wenn dies für die Europäische Union und viele weitere eine rote Linie war, erreichte Saudi-Arabien federführend auch für andere Staaten, dass die Klimaziele nicht weiter geschärft wurden und die Errungenschaften der COP28 lediglich Platz als Verweis auf einen Paragrafen fanden. Jule Könneke, Wissenschaftlerin in der Forschungsgruppe Globale Fragen und im Forschungscluster Klimapolitik, Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP), Berlin, kommentierte im Anschluss: „Alles deutet darauf hin, dass Saudi-Arabien sich zum Ziel gesetzt hat, den Deal vollständig platzen zu lassen. Das ist keine neue Entwicklung, die Blockadehaltung scheint jedoch eine neue Stufe der Aggressivität erreicht zu haben. Und auch der Gastgeber Aserbaidschan hat nicht immer die konstruktive und vermittelnde Rolle gespielt, die eigentlich von einer COP-Präsidentschaft erwartet werden kann.“
In den finalen Verhandlungsstunden kritisierte die brasilianische Umweltministerin Marina Silva die Blockadehaltung einiger Staaten und fehlende Führung. Hoffnung setzen viele in die kommende COP in Brasilien. Dort wird eine stärkere und progressive Führungsrolle des Gastgebers erwartet. Bei der COP30 wird es insbesondere um neue und schärfere Klimaziele aller Staaten gehen, die diese im Rahmen der sogenannten NDCs – der Nationally Determined Contributions – im kommenden Jahr einreichen müssen. Brasilen und wenige weitere Staaten taten dies bereits auf der diesjährigen Klimakonferenz.
Ein Lichtblick
Festgezurrt wurden indes die seit Jahren andauernden Verhandlungen zum sogenannten Artikel 6. Es geht um einen geregelten internationalen Kohlenstoffmarkt, dem Mechanismus, dass Staaten sich CO2-Zertifikate aus anderen Ländern gutschreiben lassen können für Klimaschutzprojekte in den dortigen Regionen. Bislang geschieht dies lediglich auf freiwilliger Basis und von privaten Unternehmen. Eine kürzlich erschiene Studie zeigte jedoch, dass die untersuchten Zertifikate weniger als 16 Prozent der ausgewiesenen Klimawirkung erzielten. Eine grundsätzliche Einigung zu Artikel 6 wurde auf der COP26 in Glasgow, Großbritannien erzielt.
Wie in den letzten Jahren, war auch in diesem Jahr Lambert Schneider, Forschungskoordinator für internationale Klimapolitik am Öko-Institut Berlin, an den Verhandlungen beteiligt. „Gleich am ersten Tag der Konferenz wurden wichtige Regeln für einen neuen UN-Mechanismus verabschiedet. Es wurde festgelegt, wie die Klimawirkung von Klimaschutzprojekten berechnet werden soll und wie das Risiko eingegrenzt wird, dass in Wäldern gespeicherter Kohlenstoff durch Waldbrände oder Rodungen wieder freigesetzt wird“, so Schneider. Jetzt komme es darauf an, wie die Regeln in der Praxis umgesetzt werden und ob Länder die vereinbarten Regeln auch einhalten werden. Manuel Grisard