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EnergiewendeDas gehört zum Osterpaket

Solarpark, Dorf mit PV-Dachanlagen
Mehr PV auf Dächern und in der Fläche, mehr Windkraft an Land und auf See – die Erneuerbaren sollen in den nächsten Jahren die Hauptrolle bei der Stromversorgung übernehmen. (Foto: Rabenspiegel auf Pixabay)

Das Osterpaket umfasst 600 Seiten Gesetzestext und bringt Änderungen für mehrere Einzelgesetze und Verordnungen. Eine längst überfällige Zeitenwende in der Energiepolitik Deutschlands – und doch bleiben Wünsche offen. Ein Überblick.

08.04.2022 – In dieser Woche hat das Bundeskabinett das Osterpaket verabschiedet. Demnächst soll es im parlamentarischen Verfahren Gesetzeskraft erhalten, danach die beihilferechtlichen Tatbestände der EU zur Prüfung vorgelegt werden.

Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck nannte das Vorhaben das größte energiepolitische Gesamtpaket der letzten zwei Jahrzehnte. Es sei auch als Antwort darauf zu lesen, was angesichts des russischen Angriffskrieges in der Ukraine die Sicherheitsinteressen der deutschen Politik sind – sich unabhängig machen von fossilen Energieträgern und -importen. Eine Verdoppelung des Anteils Erneuerbarer Energien am Bruttostromverbrauch innerhalb von weniger als einem Jahrzehnt lautet das ambitionierte Ziel.

Das Paket besteht aus drei Teilen: Im Mittelpunkt steht das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG). Weiter werden Änderungen am Windenergie-auf-See-Gesetz (WindSeeG), am Energiewirtschaftsgesetz (EnWG), am Bundesbedarfsplangesetz (BBPIG), am Netzausbaubeschleunigungsgesetz Übertragungsnetz (NABEG) und an einer Reihe von Verordnungen auf den Weg gebracht.

Die zentralen Punkte der jetzt verabschiedeten Regeln waren bereits im Referentenentwurf enthalten: Herzstück ist die Formulierung des überragenden öffentlichen Interesses am Ausbau Erneuerbarer Energien und damit eine klare Priorisierung gegenüber anderen Schutzgütern, um den Zubau, insbesondere der Windkraft an Land, deutlich zu erleichtern und zu beschleunigen. 

Mit den Ausbauzielen werden auch die Ausschreibungsmengen erhöht. In Stufen soll der jährliche Ausbau der Photovoltaik auf 22 Gigawatt Leistung gesteigert werden, die Windkraft an Land jährlich 10 Gigawatt neu hinzugewinnen. Im Jahr 2030 soll die kumulierte installierte Leistung der Photovoltaik 215 betragen, die kumulierte Windkraftleistung an Land 115 Gigawatt. Die Windenergie auf See soll ebenfalls massiv ausgebaut werden, auf 70 Gigawatt kumulierte Leistung bis 2045, und dafür auch Flächen ausgeschrieben werden, die noch nicht entwickelt sind.

Bürgerenergieprojekte sollen erleichtert werden, indem von Bürgern geplante Windparks bis 18 Megawatt und Solarparks bis 6 Megawatt von der Ausschreibungspflicht befreit sind. Die Beteiligung der Kommunen soll ausgeweitet werden, mehr Flächen für Freiflächensolarparks bebaubar sein.

Lesen Sie Details für die einzelnen Energieerzeugungsarten im Referentenentwurf.

Obwohl viele der Maßnahmen besonders für die Photovoltaik Verbesserungen bedeuten, gibt es aus Sicht der Branche dennoch eine Kröte zu schlucken: Es soll einen neuen separaten Vergütungssatz für Strom aus Photovoltaik-Dachanlagen geben, die ihren Strom zu 100 Prozent ins Netz einspeisen. Die Intention des Gesetzgebers: die Dächer möglichst vollflächig mit Solaranlagen zu bebauen, um die Ausbauziele zu schaffen. Anlagenbetreiber, die trotz größerer Dachfläche, ihre Anlage geringer dimensionieren, um den Eigenverbrauch zu optimieren, geraten damit aus Sicht der Branche ins Hintertreffen, denn zukünftige Volleinspeiser werden für ihren eingespeisten Strom leicht höhere Vergütungen erhalten als diejenigen, die einen Teil selbst nutzen. Wie diese Wirtschaftlichkeitsbetrachtung in der Realität aussieht, bleibt abzuwarten, denn hierbei spielen auch die Preise für Komponenten und Installation sowie die Strompreise für Netzbezug eine Rolle. Intendiert ist mit der Regelung der Anreiz zum Bau von Solaranlagen auf Dächern, wo Eigenverbrauch nicht möglich oder nicht wirtschaftlich darstellbar ist.

Schmerzhafter Einschnitt für kleine Wasserkraftwerke

Für die kleine Wasserkraft konstatiert der Branchenverband ein Worst-Case-Szenario: neue und modernisierte Anlagen bis 500 Kilowatt Leistung sollen künftig keine EEG-Vergütung mehr erhalten. „Wenn dies so umgesetzt wird, bekommen künftig rund 90 Prozent der 7.300 Wasserkraftanlagen in Deutschland keine Einspeisevergütung mehr. Ohne Zukunftsperspektive werden diese Anlagen nicht modernisiert, sondern zurückgebaut. So gehen jedes Jahr zig Millionen Kilowattstunden CO2-neutraler Strom aus Wasserkraft verloren“, kritisiert Hans-Peter Lang, Präsident des Bundesverbandes Deutscher Wasserkraftwerke (BDW). Er vermutet, dass dieser harte Schnitt auf Betreiben des Umweltministeriums vorgenommen wurde, das sich seiner Meinung nach dabei von Lobby- und Interessengruppen instrumentalisieren lässt.

Vergütung im Differenzvertragsmodell

Bei der Vorstellung des Osterpaketes verwies Wirtschafts- und Klimaschutzminister Habeck darauf, dass einige Details des Paketes nicht mit der FDP abgestimmt werden konnten – die aber dennoch in der Kabinettentscheidung die Vorhaben mittrug. Diese offenen Punkte, zu denen unter anderem die Ausgestaltung der Differenzverträge gehört, sollen im parlamentarischen Verfahren ihren letzten Schliff erhalten.

Änderungen im Energiewirtschaftsgesetz

Das Ziel der Treibhausgasneutralität im Jahr 2045 wird auch unmittelbar in das Energiewirtschaftsgesetz aufgenommen und in dort geregelten Prozessen stärker verankert. Zudem soll ein Klimaneutralitätsnetz berechnet werden und die Netzentwicklungspläne ergänzen. Planungen auf Verteilnetzebene sollen sich stärker an zukünftigen Bedarfen, zum Beispiel der Ladeinfrastruktur, ausrichten. Die Übertragungsnetze sollen mit zusätzlichem Monitoring für einen witterungsabhängigen Freileitungsbetrieb ertüchtigt werden, wodurch eine höhere Auslastung der bestehenden Infrastruktur möglich ist. Vereinfacht gesagt, können Freileitungen bei kühleren Umgebungstemperaturen mehr Strom leiten, der Netzbetreiber aber diese Prozesse kennen und im Blick behalten. 19 neue Netzausbauvorhaben werden in den Bundesbedarfsplan aufgenommen und 17 Vorhaben verändert.

Reaktionen der verschiedenen Akteure

Verbände und Organisationen haben das Osterpaket als wichtige Weichenstellung für einen beschleunigten Erneuerbaren-Ausbau gewürdigt. Im Detail gibt es dennoch Unzufriedenheiten. So kritisiert zum Beispiel der Bundesverband Solarwirtschaft (BSW) die oben genannten höheren Vergütungssätze für Strom aus Volleinspeiseanlagen. Eigen- und Direktversorgung müssen deutlich attraktiver gemacht werden – diese Formulierung stammt vom Bundesverband Erneuerbarer Energien (BEE). In die gleiche Richtung äußert sich auch der Verband Kommunaler Unternehmen. Er bedauert, dass der Gesetzentwurf keine Erhöhung des Mieterstromzuschlags vorsieht.

Der Bundesverband Windenergie (BWE) sieht den gordischen Knoten für mehr Flächen und schnelle Genehmigungen noch nicht durchschlagen. Neben den jetzt positiven Signalen brauche es in diesen Punkten dringend weiteres gesetzgeberisches Handeln.

Ähnlich wie die Branche der Wasserkraftwerksbetreiber ist auch die Biogasbranche mit etwas grundsätzlichem unzufrieden: mit dem starken Fokus auf die Bereitstellung von Biomethan in Spitzenlastzeiten. Damit würden Potenziale dieser Energieerzeugungsart verschenkt.

Eine weitere Lücke benennt der BUND: ehrgeizige Energiesparmaßnahmen und die längst überfälligen Regeln, die es den Bürgern erlauben, gemeinsam Energie zu produzieren, zu verbrauchen und zu teilen. Petra Franke


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Kommentare

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Rudolf Schüssl 10.04.2022, 12:51:35

Die Verwendung eines solchen Fotos suggeriert dem Betrachter wie toll eine Freiflächen-PV-Solaranlage angeblich sei. Nicht berücksichtigt wird dabei jedoch dass wertvolle Bewirtschaftungsfläche für die Nahrungsproduktion hierbei jedoch auf lange Zeit verloren geht. Besser wäre es hier mit der Investition in Agro-PV-Anlagen zu werben.

Dieter Ehrhardt 10.04.2022, 13:07:40

Ich plane das Dach vollständig zu belegen. Lt.1. Angebot sind 13,5 kWp vorgesehen. Die im Haus befindliche Praxis benötigt derzeit nur ca. 3000 kWh/J. und hat zur Heizung eine Gastherme.

Den überschüssigen PV-Strom möchte ich vorrangig nicht ins Netz stellen, sondern den Mietern im Haus zur Verfügung stellen, besonders nach Feierabend, Wochenenden und Urlaubszeit.

 

Da sehe ich leider keine Verbesserungen, also weiter "Gewerbe" anmelden, komplizierte Messung, Abrechnung und steuerliche Berücksichtigung, damit ich nur einige kWh den anderen Mietern anbieten kann, womöglich spenden.

Alternativ das Dach nur so mit PV-Modulen belegen, dass die Praxis davon optimal mit Strom, evtl. für Wärmepumpe versorgt wird.

Hofmann 12.04.2022, 20:59:40

Ich würde gerne einen Acker mit sehr schlechten Bodenwert zu einem Solarpark umfunktionieren, wenn man dort keine unmengen an Dünger Säht würde dort nichts wachsen. Jetzt kommt die Gemeinde und ist erstmal grundsätzlich dagegen.

So leicht wird das mit der Energiewende nicht.


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