Energiewende: Das ist der weitere Fahrplan zum Kohleausstieg
Verspätet gingen zum ersten April 15 Kohlekraftwerke vom Netz. Dank Energiewende sind sie für die Energiesicherheit endgültig obsolet. Um den endgültigen Kohleausstieg wird weiter gerungen. Das ist der aktuelle Plan.
03.04.2024 – Nach Beginn des Angriffskrieges von Russland in der Ukraine und einer drohenden Gasmangellage gingen im Sommer und Herbst 2022 – mit Beschluss des sogenannten Ersatzkraftwerkebereithaltungsgesetz – mehrere Kohlekraftwerke zurück ans Netz. Neben einigen kleineren Kraftwerken zur Versorgung von Industriebetrieben waren es auch 11 größere Stein- und Braunkohlekraftwerke.
2022 war die Kohle noch wichtigster Energieträger bei der Stromerzeugung, mit einem Drittel des eingespeisten Stroms und damit 8,4 Prozent mehr als im Jahr zuvor. 2023 aber wendete sich das Blatt. Der Anteil betrug nur noch 26 Prozent. Aufgrund einer geringeren Stromnachfrage verzeichnete Erzeugung und Einspeisung von Strom aus Kohlekraftwerken sogar einen Rückgang von 30,8 Prozent gegenüber 2022.
Deutlich mehr Erneuerbare Energien – vor allem aus Wind und Sonne – konnten ins Netz eingespeist werden. Dazu kamen größere Stromimporte aus dem europäischen Ausland und Gaskraftwerke liefen wieder vermehrt. Eine Gasmangellage bestand wegen LNG-Importen nach Europa nicht mehr. Auch der deutliche Rückgang an Kohleverbrennung sorgte dafür, dass Deutschlands Klimaziele für 2030 wieder in Reichweite sind.
Wie Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck am Ostermontag mitteilte, könne die im Ersatzkraftwerkebereithaltungsgesetz festgelegte zeitliche Begrenzung zur Energiegewinnung aus den Kohleanlagen eingehalten werden, da sie für die Versorgungssicherheit nicht mehr vonnöten seien. 15 größere und kleinere Kohlekraftwerke, mit einer Leistung von zusammen 4,4 Gigawatt, wurden zum Monatswechsel endgültig vom Netz genommen. Das größte Volumen – mit 3,1 GW – machten dabei Braunkohleblöcke im Rheinland und in der Lausitz aus. RWE in Nordrhein-Westfalen legte 5 Blöcke in Neurath und Niederaußem still, die LEAG in Brandenburg zwei Blöcke in Jänschwalde. Der weitere Fahrplan zur Stilllegung von Braunkohlekraftwerken sieht aktuell wie folgt aus:
Januar 2025: Ein Block von RWE in Weißweiler
April 2028: ein weiterer Block in Weißweiler
Dezember 2028: weitere vier Blöcke der LEAG in Jänschwalde und damit die endgültige Schließung des Kraftwerks
April 2029: Der letzte Block in Weißweiler und Schließung des Kraftwerks
Dezember 2029: zwei Blöcke der LEAG in Boxberg und ein Block von RWE in Niederaußem
März 2030: jeweils zwei Blöcke in Niederaußem und Neurath, Schließung der Kraftwerke und Beendigung der Kohleverstromung im Rheinland
Dezember 2034: Schließung des Kraftwerks Schkopau in Sachsen-Anhalt, betrieben von Saale Energie
Dezember 2035: Schließung des Kraftwerks Lippendorf in Sachsen, betrieben von LEAG und EnBW
Dezember 2038: Schließung der LEAG-Kraftwerke Schwarze Pumpe und Boxberg in der Lausitz und damit Beendigung der Energiegewinnung aus Kohle in Deutschland
Der Ausstieg aus der Braunkohle erfolgt dabei festgelegten gesetzlichen Regelungen, für die die Kohlekonzerne RWE und LEAG insgesamt 4,35 Milliarden Euro Entschädigungen erhalten, welche von der EU-Kommission wegen möglicher Wettbewerbsverzerrung überprüft wurden und werden. Für RWE gab die Kommission die Entschädigungen inzwischen frei, für die LEAG werden diese weiter geprüft. Bund, die Landesregierung NRW und RWE einigten sich 2022 auf einen vorgezogenen Kohleausstieg 2030. Gleichzeitig durften zwei Kraftwerksblöcke länger am Netz bleiben. Ursprünglich war im Rheinland, wie in der Lausitz, ein Ausstieg bis 2038 vorgesehen.
Auch in der Lausitz strebt der Bund einen Kohleausstieg bis 2030 an. Doch Teile der zuständigen Landesregierungen von Brandenburg und Sachsen stellen sich quer. Auch beim Kraftwerk Schkopau in Sachsen-Anhalt gibt es Widerstand. Die an den Regierungen beteiligten Landesverbände der CDU, wie auch der SPD und FDP sind gegen einen früheren Ausstieg. In Brandenburg etwa halten die an der Regierung beteiligten CDU und SPD ein Enddatum 2030 aufgrund von unsicherer Energieversorgung für unmöglich. Die an der Regierung beteiligten Grünen dagegen sehen die Zukunft der Lausitz bei den Erneuerbaren Energien und eine sichere Energieversorgung für möglich.
Steinkohle in Datteln noch bis 2038
Für Steinkohlekraftwerke und kleinere Braunkohleanlagen werden derweil Auktionen für deren Stilllegung durchgeführt. Die Betreiber konnten sich auf Stilllegungs-Prämien bewerben, für die sie ihre klimaschädlichen Kohlemeiler vorzeitig abschalten. Das Interesse an Prämien für eine frühzeitige Abschaltung war anfangs groß, später mäßig. Die Auktionen gehen noch bis 2026. Ab 2027 erfolgt ein gesetzlicher und entschädigungsloser Fahrplan zur Stilllegung, beginnend mit den Ältesten. 2030 dürfen nur noch acht GW am Netz sein.
Betrieben werden dann voraussichtlich noch zwei große Steinkohlekraftwerke in Mannheim und Datteln. Das von Uniper betriebene Kraftwerk Datteln 4 ging erst 2020 ans Netz, als der Kohleausstieg bereits beschlossene Sache war, und soll erst 2038 schließen. Zudem ist das Kraftwerk weiter in Betrieb, trotz eines Urteils des Oberverwaltungsgerichts Münster, wonach der Bebauungsplan unwirksam ist. Der Regionalverband hätte bei seiner Planung Alternativen beachten müssen, etwa die Errichtung eines Gaskraftwerks, das geringere Anforderungen an den Raum und weniger Umweltauswirkungen mit sich bringe.
Mit der gemeinsam mit RWE erzielten Einigung zum Kohleausstieg 2030 und dem zwischenzeitlichen Wiederhochfahren von Kraftwerken nach dem Ersatzkraftwerkebereithaltungsgesetz, erfuhr das 2019 beschlossene Kohleverstromungsbeendigungsgesetz bereits zwei Überarbeitungen. Zudem sind laut Gesetz in den Jahren 2022, 2026, 2029 und 2032 fachliche Überprüfungen des Kohleausstiegs vorgesehen. Zwar werden nun einige Kohlemeiler früher abgeschaltet, eine fachliche Prüfung in 2022 und danach aber gab es bis heute nicht. Sollte ein entsprechendes Expertenpapier zu der Ansicht kommen, dass ein Kohleausstieg in ganz Deutschland bis 2030 möglich ist, könnte das den Kohlebefürwortern im Osten Wind aus den Segeln nehmen. mg