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Rheinisches RevierDer Kampf um Lützerath hat begonnen

Ein Mann und zwei Frauen mit einem Schild auf dem steht: Defend 1,5 Grad - Defend Lützerath
Zur Unterstützung von Lützerath und Eckhard Heukamp (links im Bild), besuchten auch Greta Thunberg und Luisa Neubauer diese Woche den Ort am Tagebau Garzweiler II. (Bild: Christoph Schnüll, flickr)

Die Rodungssaison hat begonnen. Seit Freitag verteidigen Klimaaktivist:innen Bäume und Häuser in Lützerath gegen den Abriss. Es droht erneut ein riesiger Polizeieinsatz und mit dem Abriss des Dorfes die Verfehlung der Pariser Klimaziele.

02.10.2021 – Unbestätigten Meldungen zu Folge will RWE das Dorf Lützerath bis Ende des Jahres abgerissen haben. Dafür können sie seit Freitag, mit Beginn der Rodungssaison, Bäume im Ort fällen. Vorbereitungen für Abrissarbeiten haben bereits begonnen. Anfang November soll die Enteignung des Hofes des letzten ursprünglichen Lützerather vollzogen werden. Der Landwirt Eckhardt Heukamp, klagt gegen seine Enteignung.

Es ist zu befürchten, dass RWE vor einem entsprechenden Gerichtsurteil Fakten schafft. Die Genehmigung für den Abriss seitens der zuständigen Bezirksregierung Arnsberg besitzt RWE zwar, doch die vermeintliche energiewirtschaftliche Notwendigkeit der Erweiterung des Tagebaus Garzweiler II, die für eine Enteignung nötig ist, wird juristisch angezweifelt.

Die von der NRW-Landesregierung im März festgelegte Braunkohle-Leitentscheidung für das Rheinische Revier bestimmt, dass die Dörfer Keyenberg, Kuckum, Ober- und Unterwestrich sowie Beverath, nicht vor 2026 in Anspruch genommen werden dürfen. Damit könnte deren endgültiger Abriss durch die kommende Bundesregierung sowie einer im Mai 2022 gewählten neuen NRW-Landesregierung noch einmal auf dem Prüfstand kommen. Lützerath indes soll, laut Leitentscheidung, so bald wie möglich abgerissen werden. Für die Landesregierung gilt das Dorf als „Unbewohnte Ortschaft“.

Wissenschaftliche Fakten sprechen gegen Abriss

Doch neben dem langjährigen Bewohner Eckhardt Heukamp haben sich inzwischen weitere Klimaaktivist:innen neu im Dorf angesiedelt und erhalten Unterstützung von einem breiten zivilgesellschaftlichen Bündnis. Diese berufen sich auch auf wissenschaftlichen Fakten, die aufzeigen, dass ein Abriss von Lützerath für die Erweiterung des Tagebaus Garzweiler und Abbau der Braunkohle, Deutschlands Treibhausgasbudget zur Einhaltung der 1,5 Grad Grenze sprengen und damit die Zusagen zu den Pariser Klimazielen verfehlen würde.

Laut einer Analyse des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung dürften aus den Tagebauen Hambach und Garzweiler II ab Januar 2021 noch maximal 200 Millionen Tonnen Braunkohle für die Kohleverstromung und -veredelung gefördert werden, um Deutschlands heruntergerechnetes Treibhausgasbudget zur Beschränkung der globalen Erhitzung auf maximal 1,5 Grad Celsius, mit 50-prozentiger Wahrscheinlichkeit zu erreichen.

RWE plant jedoch aus dem Tagebau Garzweiler II noch 645 Millionen Tonnen Braunkohle zu fördern, Im Tagebau Hambach sollen noch 180 Millionen Tonnen abgebaut werden. Bund und Land stellten diese Zahlen nicht in Frage und folgten bei der Ausfertigung des Kohleausstieggesetzes den Berechnungen des Energiekonzerns. Hätte sich die Bundesregierung hingegen eins zu eins an die Empfehlungen der Kohlekommission gehalten, errechnete das DIW ebenfalls, dass Lützerath nicht dem Abriss hätte preisgegeben werden müssen. 338,3 Millionen Tonnen Braunkohle könnten in Garzweiler noch gefördert werden, ohne Lützerath zu vernichten. Für die Einhaltung des 1,5 Grad Ziels wäre auch das zu viel.

Die Gegenwehr startet

Unter dem Motto „Defend Lützerath – Defend 1,5 Grad“ stellen sich Aktivist:innen seit Freitag den Abrissarbeiten von RWE entgegen. Am frühen Morgen besetzten Aktivist:innen eine Kohlebagger im Tagebau Garzweiler, um den Abbau der Braunkohle zumindest zeitweise zum Stillstand zu bringen. Aufgrund von Straßenblockaden am Rande von Lützerath, musste im Laufe des Tages ein Bagger für Abrissarbeiten wieder umkehren. Auch ein Lastwagen mit Bauzäunen wurde gestoppt, die eigentlich für die Umzäunung der vom Abriss bedrohten Häuser gedacht waren. Aktivist:innen zweckentfremdeten diese zur Absicherung des Ortseinganges von Lützerath.

Im Rahmen des rechtswidrigen Polizeieinsatzes im Hambacher Wald waren die anstehenden Räumungen in Lützerath am 29.10. auch Thema im Wirtschaftsausschuss des NRW-Landtages. Laut Wibke Brems, klimapolitische Sprecherin der Grünen Landtagsfraktion, habe Wirtschaftsminister Andreas Pinkwart jedoch keine Antwort darauf gegeben, ob und inwiefern sich die Landesregierung wieder zum Handlanger von RWE mache, oder ob sie RWE Einhalt gebiete, wenn sie weiterhin Fakten schaffen. Laut Brems habe Pinkwart darauf hingewiesen, dass RWE im Recht sei ab dem 01. Oktober Bäume zu fällen und das Dorf dem Boden gleich zu machen.

Zur Unterstützung RWEs könnte die Landesregierung, wie 2018 im Hambacher Wald, Polizeikräfte nach Lützerath schicken, um die Bewohner:innen des Dorfes und viele weitere Aktivist:innen zu räumen. In den kommenden Tagen und Wochen planen Unterstützer den Aufbau von Kletterstrukturen aus Bambus, um Rodungsarbeiten und Räumung des Ortes zu erschweren. Auch das Gerichtsverfahren von Eckhardt Heukamp gegen seine Enteignung läuft weiter, die Kosten sind immens.

Ob ein Urteil gefällt werden kann bevor Heukamp von seinem Hof vertrieben wird, werden die kommenden Wochen zeigen. Sollte die NRW-Landesregierung davon absehen erneut einen riesigen Polizeieinsatz mit ungewissem Ausgang in die Wege zu leiten, könnte der Protest vor Ort Erfolg haben. Mit Blick auf den Gerichtsprozess und Koalitionsverhandlungen in Berlin, scheint Zeit der wichtigste Faktor für Lützerath und seine Bewohner:innen zu sein. mf


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Kommentare

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Rainer Herrmann 04.10.2021, 10:05:18

Ich bin seit Jahren Kunde bei Naturstrom und Leser von energiezukunft. Das Magzin finde ich informativ und interessant. Was mich seit einiger Zeit allerdings nervt, ist die dem angeblichen Zeitgeist folgende "Gendersprache". Ohne auf den Unterschied zwischen Genus und Sexus und dessen selbstverständlichen Gebrauch in der deutschen Sprache durch mündige Bürger genauer einzugehen, möchte ich folgendes festhalten:

Das Lesen von "gegenderten" Texten ist erschwert, nicht flüssig und macht absolut keinen Spaß. Da ich Lesen als Mittel zum Zweck und nicht als stille politische Demonstration frei nach dem Mottóe "Lesen für die Geschlechtergerechtigkeit" betrachte, bitte ich Sie, auf dieses alberne Sprachgepansche in Zukunft zu verzichten.

Ich ignoriere, wie auch meine Freunde und Bekannten, inzwischen derartige Texte.

Mit freundlichen Grüßen

Rainer Herrman


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