KommentarDer Kohleausstiegsplan – ein energiewirtschaftliches Foulspiel

Dr. Thomas Banning, Vorstandsvorsitzender der NATURSTROM AG. (Foto: Roland Horn / © NATURSTROM AG)
Dr. Thomas Banning, Vorstandsvorsitzender der NATURSTROM AG. (Foto: Roland Horn / © NATURSTROM AG)

Das Klimapaket sollte die Energiewende fördern und nicht ausbremsen. Mit dem aktuellen Kohleausstiegsplan torpediert die Bundesregierung aber einmal mehr die Klimaziele, warnt NATURSTROM-Vorstand Thomas Banning. Doch angesichts der Klimakrise haben wir keine Zeit mehr für politische Zahlenspiele.

30.01.2020 – Der Kohleausstieg ist richtig und für den Klimaschutz unabdingbar. Die Strukturwandelkommission hat hier sinnvolle Vorarbeit geleistet, auch wenn wir einen schnelleren und stärker marktgetriebenen Ausstieg für geboten halten. Dass die nun Mitte letzter Woche vorgestellte Vereinbarung zum Kohleausstieg die Vorgaben der Kommission hinsichtlich der Abschaltchoreografie nicht einhält, ist ein starkes Stück. Viel zu viel Kohleleistung bleibt viel zu lange im System – und dafür bekommen die Betreiber auch noch viel Geld. Das ist energiewirtschaftliches Foulspiel par excellence.

Mit dem zu langen Weiterbetrieb vieler Kohleblöcke werden deutlich mehr CO2-Emissionen ausgestoßen als unserem Planeten zuträglich und für die Energieversorgung notwendig. Es wird in Leistung gedacht, die zu einem möglichst späten Zeitpunkt vom Netz genommen wird, um dann so eben noch die Aussage treffen zu können, dass ab 2038 in Deutschland keine Braunkohle mehr verstromt wird.

Klimaziele werden mit diesem Beschluss unerreichbar

Die politischen Entscheidungen müssen stattdessen am Ausstoß von CO2 ab sofort ausgerichtet sein – und dessen schnellstmöglicher Reduktion. Das geht nur, wenn Kohlekraftwerke so bald als möglich abgeschaltet werden, denn jedes Jahr Weiterbetrieb sorgt für einen unverantwortlichen Ressourcenverbrauch bei noch unverantwortlicherem CO2-Ausstoß. Damit die Stilllegung der Kraftwerke aber einen Klimaschutzeffekt hat, ist es zudem unabdingbar, dass die entsprechenden Emissionszertifikate auch wirklich aus dem System genommen werden, was nicht verbindlich geregelt wurde.

Die Klimaschutzziele von Paris können so unmöglich erreicht werden. Die soeben veröffentlichten Daten der NASA machen deutlich, dass wir weltweit bereits die 1,2-Grad-Marke erreichen, da ist – auch aufgrund der Trägheit des Systems – keine Zeit mehr für politische Zahlenspiele und Gewinnmaximierungen von Konzernen.

NRW mit RWE in einem Boot

Aus Klimaschutzsicht sind die Vereinbarungen zum Kohleausstieg deutlich zu wenig. Dass der Hambacher Forst erhalten bleibt, ist allerdings eine schöne Nachricht und das Ergebnis jahrelangen bürgerschaftlichen Engagements in der Region. Umso bedauerlicher ist es, dass die Landesregierung von NRW und RWE es durchgesetzt haben, dass im Braunkohlerevier Garzweiler weiterhin die Bagger laufen, Dörfer verschwinden und Menschen ihre Heimat verlassen müssen. Noch kurzsichtiger und egoistischer kann man kaum handeln – leider eine typische Entscheidung, die aus dem Zusammenwirken großer Konzerne mit der Politik hervorgeht.

Bundesregierung blockiert den Ausbau der Erneuerbaren Energien

Das bereits im schwarz-roten Koalitionsvertrag verabredete Ziel eines Anteils von 65 Prozent Erneuerbaren Energien am Stromverbrauch bis zum Jahr 2030 muss endlich auch gesetzlich verankert werden, um der Energiebranche Planungssicherheit zu geben. Natürlich müssen bei der Erhöhung des Ziels auch die Ausbaukorridore für die verschiedenen regenerativen Energieträger entsprechend nach oben angepasst werden. Es geht nicht nur um schöne Ziele, der Weg dahin muss ebenfalls klar sein und möglichst zügig beschritten werden – sonst werden wir nicht zeitgerecht ankommen.

Leider sind die dazu bisher bekannt gewordenen Planungen völlig unzureichend. Da das Bundeswirtschaftsministerium für 2030 nur von einem Stromverbrauch in der heutigen Höhe ausgeht, scheint es für die Bundesregierung und die Regierungsparteien auch keiner großen Anstrengungen nötig, das Ziel dann irgendwie in letzter Sekunde zu erreichen.

Angesichts des gerade beginnenden Hochlaufs von Sektorenkopplungstechnologien wie Wärmepumpen und Elektromobilität, aber auch mit Blick etwa auf die ambitionierte Wasserstoffstrategie der Bundesregierung, wird der Strombedarf künftig deutlich wachsen. Daher brauchen wir in den 2020er-Jahren viel größere Mengen an Ökostrom und einen entsprechend schnelleren Ausbau insbesondere von Windenergie und Photovoltaik.

Der Solardeckel muss endlich weg – und zwar sofort

Die eigentlich von Allen gewollte Streichung des Photovoltaik-Deckels ist längst überfällig. Schon die Einführung dieses Elements war eine Fehlsteuerung. Dieser Förderdeckel wird bereits in den nächsten Monaten greifen, was eine erhebliche Verunsicherung und damit Verlangsamung beim Photovoltaik-Ausbau bringt. Es ist eine absolute Unverschämtheit, dass Teile der Unionsfraktion die Abschaffung des Deckels rein aus verhandlungstaktischen Gründen weiter blockieren, um damit anderswo Bremsen bei der Energiewende, insbesondere beim Ausbau der Windenergie, einzuziehen. Die Bürgerinnen und Bürger sowie Unternehmen brauchen Planungssicherheit, damit wir endlich die riesigen Solarstrom-Potenziale in Deutschland in großem Stil angehen können.

Mit einer pauschalen Abstandsregelung für Windenergieanlagen an Land wird die Flächenkulisse für diese wichtige Energiewende-Technologie erheblich eingeschränkt – und das in einer Situation, wo der Ausbau wegen mangelnder Flächen und Genehmigungen ohnehin schon zu gering ist für die politisch vereinbarten Ziele, die Windbranche als eine der Zukunftsindustrien in Deutschland massiv leidet, tausende von Arbeitsplätzen bereits abgebaut werden mussten und weiterer Job- und Know-How-Verlust droht. Dass zudem jedes Bundesland noch eigene Abstände definieren darf und beispielsweise in Bayern die zusätzlich eischränkende 10H-Regelung erhalten bleiben soll, macht das Ganze noch unfassbarer. Das Klimapaket soll die Energiewende doch fördern, und nicht einbremsen.

Auch die Bürgerbeteiligung wird abgewürgt

Auch Mieterstrom hätte ein erhebliches Potenzial, die Energiewende gerade in den Städten voranzubringen. Das bisherige Mieterstromgesetz trägt diesen Möglichkeiten aber in keiner Weise Rechnung, es ist überbürokratisch, lässt aber auf der anderen Seite den Netzbetreibern das Spielfeld für Willkür. Außerdem ist es vor allem wirtschaftlich uninteressant, da überbelastet. Es ist daher enttäuschend, dass, entgegen anderslautender Zusagen und obwohl auch der Evaluierungsbericht der Bundesregierung die Unwirksamkeit der aktuellen Regelung konstatiert, keine Verbesserungen angegangen wurden. Auch das sollte schnellstmöglich nachgeholt werden.

Durch Bürgerenergie kann die Energiewende gemeinsam mit den Menschen vor Ort vorangebracht werden. Das mindert nicht nur Akzeptanzprobleme, sondern demokratisiert auch die Energieversorgung und wirkt Monopolisierungstendenzen, wie wir sie etwa bei dem Deal von E.ON und RWE sehen, entgegen. Daher muss dieses wichtige Segment beim Ausbau Erneuerbarer Energien wieder gestärkt werden. Die ohnehin anstehende Implementierung der europäischen Erneuerbare-Energien-Richtlinie wäre hierzu eine sehr gute Gelegenheit.

Kommentare

Denkender Bürger am 30.01.2020

+2365 Gut Antworten

Könnte es sein, daß erst mal die technischen Voraussetzungen für den Ausstieg aus der Kohle-Verstromung geschaffen werden müssen, bevor man Kohlekraftwerke abschalten kann - weil der Energieversorgung andernfalls der Kollaps droht?

Von Energietechnik und Energieversorgung scheint der Herr nicht allzuviel zu verstehen!

Mal davon abgesehen:

Ein vernünftiges Gesamtkonzept, wie man den Ausstieg aus der Kohleverstromung technisch umsetzen will, fehlt nach wie vor. Alles bisher beschlossene ist nichts als eine Mischung aus Symbolpolitik und Flickschusterei! Da liegt das eigentliche Problem!

So, wie es derzeit läuft, ist absehbar, wo der Kohleausstieg und die Energiewende hinführen werden:

In ein noch größeres technisches und wirtschaftliches Desatser als die Bahnreform !!!

Und die Verlierer stehen auch jetzt schon fest:

Der Verbraucher und die Umwelt.

Schade drum - man könnte mit etwas mehr Sachverstand, etwas mehr Realitäts-Sinn und etwas mehr Besonnenheit so viel draus machen ...

M. Ewers am 13.02.2020

+2375 Gut Antworten

@Denkender Bürger Es geht hier gar nicht um "erstmal die technischen Voraussetzungen schaffen". So stellt sich klein Erna den "Umstieg" auf EE vielleicht vor. Sie glauben gar nicht wieviele hervorragende technische Lösungen es bereits gibt den Umstieg gleitend zu realisieren. Es fehlt aber der politische Wille - trotz aller Ankündigungen und Reden. Im Einklang und und mit dem Willen der alten Energieversorger (4er Monopol RWE, Vattenfall, eOn, EnBW) wird auf politischer Seite verhindert was geht. Zugleich kassieren die grossen 4 weiter gnadenlos ab. Der Strompreis SINKT seit Jahren an der Strombörse, eben durch die EE, aber permanent steigende "Netztentgelte", Stromsteuern und vor allem selbst eingeführte die "EEG-Umlage", von der gerade die Großverbraucher befreit wurden, bezahlen die Bürger! Gleichzeitig wird dies galant den EE in die Schuhe geschoben und die DEZENTRALE Energieversorgung in Bürgerhand verhindert. Nur so können die Monopole weiter abkassieren! Bsp. 52-GW-Deckel ist vorauss. im April erreicht, und wird trotz aller Beteuerungen durch Altmeier und Co. NICHT abgeschafft. Z.B. brauchen PV-Projekte mehrere Monate Planungszeit. Diese Planungsunsicherheit kostet bereits jetzt Aufträge und in Folge tausende von Arbeitsplätzen bei den Handwerkern und Solateuren. Interessiert keinen (sind keine Kohlekumpel). Auch PV-Mieterstom - versuchen sie dies mal als Vermieter umzusetzen. Quasi zZ unmöglich. usw. Es geht NICHT um technische Voraussetzungen! Die neue Generation von Ing. hat das alles drauf, gründen IT-Firmen, es gibt excellente Lösungen, usw, werden aber nicht rangelassen. Es fehlt der politische Wille auf Basis der alten Gewinn- und Machtstrukturen von Kohle und Atom.

Dem Herrn Banning "keine Ahnung" vorzuwerfen, zeigt, wie wenig sie sich mit dem Thema auseinandergesetzt haben bzw. "im Thema" sind. Schade! Sie treffen den völlig falschen!

Denkender Bürger am 23.02.2020

+2291 Gut Antworten

@ M. Ewers

 

Ich habe als Energietechniker schon an der Energiegewinnung aus alternativen Quellen mitgearbeitet, als es die Firma Naturstrom noch gar nicht gab und kenne die technischen Möglichkeiten sehr wohl.

Aber in der Praxs sind diese eben noch nicht ausreichend vorhanden - schon gar nicht in der Dimention, wie es für die flächendeckende Energieversorgung eines Industrielandes nötig wäre.

Das ist nun mal eine Tatsache, um die keiner herum kommt.

Davon abgesehen, daß es bei der Speichertechnologie die wird für eine Überbrückung von Dunkelflauten bei der Energiegewinnung aus Wind und Solle dringend brauchen nach wie vor vorn und hinten hapert.

Als Technologe und Praktiker stehen mir regelmäßig die Haare zu Berge und krempeln sich mir regelmäßig die Fingernägel um, wenn ich sehe, mit welcher Naivität Medien, Politiker und sonstige technische Laien an das Thema Energiewende und Kohleausstieg rangehen !!!

Gerade so, als ob man technische Notwendigkeiten und die Physik durch Ideologie ersetzen könnte !!!

Denkender Bürger am 23.02.2020

+2266 Gut Antworten

@ M. Ewers

 

Und noch ein nachsatz zur Bürgerenerie:

Energieversorgung ist ein viel zu komplexes Thema, um nur ein einen oder den anderen Baustein herauszupicken.

Vielmehr gibt es dabei Dinge, de man im Kleinen und vor Ort besser und einfacher regeln kann als zentral - und umgekehrt gibt es wiederum Dinge, die man zentral regelen muß, um eventuell auftretende Lücken bei der dezentralen Energieversorung überbrücken zu können. Man denke nur an den Fall, daß in einer Region durch irgendwelche Unbilden der Natur die dezentrale Eergieversorgung ausfällt An den Katastrohenwinter 1978/79 sei an dieser Stelle stellvertretend erinnert.

Zentrale Energieversorgung und dezentrale Energieversorung (Bürgerenergie) gehören daher nebeneinander und vernünftig miteinander verknüpft in ein logisches, schlüssiges, durchdachtes Gesamtkonzept, wenn die Energiewende gelingen soll. Das wäre die technisch wie ökologisch wie wirtschaftlich sinnvollste Lösung !!!

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