2025: Deutschland, Europa und die Welt (mal wieder) am Scheideweg
Wie wird sich Deutschland nach der Bundestagswahl aufstellen, wie die EU und USA angesichts des Rechtsrucks agieren? Die energiepolitische Großwetterlage ist mit vielen Unsicherheiten behaftet. Eine erste Annäherung an 2025.
01.01.2025 – Die Letzte Generation will sich nicht mehr so nennen, da sie inzwischen stark bezweifelt, die letzte Generation vor den Kipppunkten zu sein. Carla Hinrichs, Sprecherin der Gruppierung verweist im Interview mit dem Spiegel auf den Amazonas-Regenwald, bei dem es Anzeichen gebe, dass dieser schon gekippt sei. Auch über den sogenannten Golfstrom gibt es kontroverse Debatten. Einige Studien weisen darauf hin, dass dieser – bedingt durch die menschengemachte globale Erwärmung – schon bis Mitte des Jahrhunderts kollabieren könnte, andere Analysen sehen die Gefahr noch nicht. Sollte es so weit kommen, droht Europa eine neue Eiszeit, denn dann fehlt der atlantische Motor, der warme Luft nach Europa bringt.
Im kommenden Sommer könnte es aber erstmal wieder besonders heiß und trocken in Europa werden – folgt man einer Studie vom Februar letzten Jahres. Darin stellt ein Forschungsteam einen statistischen Zusammenhang zwischen schmelzendem Gletscherwasser in Grönland und dem Jetstream her – dem Windband, das im Normalfall in wellenförmigen Bewegungen um die Nordhalbkugel wandert und Hoch- und Tiefdruckgebiete gleichmäßig über die Kontinente hinweg transportiert. So entsteht eine Abfolge verschiedener Wetterbedingungen. Doch stärkere Gletscherschmelze führt zu mehr Süßwasser im Atlantik, was diesen stärker abkühlt. Der Gegensatz zu dem wärmeren Meerwasser im Süden wird größer. Das treibt die Winde an und transportiert vermehrt warme Luft vom Süden nach Europa, was im kommenden Sommer zu einer erneuten Hitzewelle führen könnte.
Sicher ist das natürlich noch nicht. Ebenso wenig, wie alle Vorhersagen zur politischen Großwetterlage in diesem Jahr. Welche neue Bundesregierung muss sich nach der Wahl in Fragen zur Energiepolitik und Verkehrswende zusammenraufen? Welchen Einfluss wird Donald Trump auf das Parkett der Internationalen Klimapolitik haben? Und wie wird sich eine nach rechts gedriftete Europäische Union in Sachen Transformation der Industrie aufstellen?
Die letzten Sicherheiten sind dahin
Selbst mit der bis November 2024 bestehenden Ampel-Koalition wären Vorhersagen zur Energiepolitik 2025 schwierig gewesen. Zumindest aber hätte man sich an Koalitionsvertrag und bis dato laufende Vorhaben orientieren können. Eine Novelle des Energiewirtschaftsgesetzes war auf der Zielgeraden und hätte deutliche Erleichterungen für ein flexibleres Stromsystem im Sinne der Erneuerbaren Energien gebracht. Auch dringend nötige, grundsätzliche Änderungen am Strommarktdesign wurden angestoßen.
In energiepolitischen Fragen bescheinigten Branchenvertreter:innen der Ampel-Regierung ein gar nicht mal schlechtes Zeugnis. Und trotzdem zerbrach die Regierung auch an Fragen der künftigen Ausrichtung in Sachen Klimaschutz. Nach der vorgezogenen Bundestagswahl am 23. Februar muss sich ein neues Bündnis zusammenfinden. Aktuellen Umfragen zufolge werden die größten Chancen einer Unionsgeführten Koalition aus schwarz-rot oder schwarz-grün ausgerechnet. Während es jedoch bei SPD und Grünen größere Schnittmengen bei Energie- und Verkehrspolitik gibt, sind die bei beiden Parteien im Vergleich zu CDU/CSU deutlich kleiner. In den folgenden beiden Artikeln finden Sie eine detaillierte Analyse der jeweiligen Wahlprogramme:
US-amerikanisches Gruselkabinett
Es stellt sich auch die Frage, wie eine künftige Bundesregierung gegenüber der neuen US-Administration agieren wird. Einer der engsten Vertrauten des designierten US-Präsidenten Donald Trump, der Milliardär Elon Musk, bewarb in einem Gastbeitrag in der Welt am Sonntag offen die AfD. Dabei zog auch die AfD wiederholt gegen das e-mobile Tesla-Werk im brandenburgischen Grünheide zu Felde und sieht im Festhalten an der motorisierten Individualmobilität vor allem den Fortbestand des Verbrenners. In der Deregulierung von Umweltvorschriften und insgesamt des Marktes hingegen sind Musk und die AfD Brüder im Geiste.
Die Zeichen in den USA selbst stehen mit der Amtseinführung Trumps am 20. Januar ganz auf fossilem Kurs. Trump ernannte ein wahres Gruselkabinett gegen Klima- und Umweltschutz – mit der Nominierung eines Energieministers, der bis dato führender Öl- und Gasmanager ist und schonmal vor laufender Kamera vermeintliche Fracking-Flüssigkeit trank, sowie einem neuen Chef der Umweltbehörde EPA, dem Umweltschutz bislang ebenso herzlich egal war, wie dem nominierten Innenminister, der staatliche Ländereien für die Öl- und Gasexploration frei machen soll.
International kündigte Trump an, wieder aus dem Pariser Klimaschutzabkommen auszusteigen. Keine guten Vorzeichen für die kommende Weltklimakonferenz COP30 in Brasilien im November 2025. Andererseits findet die COP erstmals seit vier Jahren wieder in einem demokratisch regierten Land statt, das sich mit der Machtübernahme von Luiz Inácio Lula da Silva wieder verstärkt um den Schutz des Amazonas-Regenwaldes kümmert. Das könnte insbesondere zivilgesellschaftlichen Bewegungen wieder Auftrieb geben, deren Rechte bei den vergangenen drei COPs in autokratisch regierten Staaten beschnitten wurden.
Am Ende müssen aber auch in Brasilien wieder Staaten für Kompromisslösungen ins Boot geholt werden, deren Wirtschaftskraft auf fossilen Brennstoffen aufbaut. Forderungen nach neuen Wegen in der internationalen Klimapolitik werden lauter. Länder sollten demnach stärker und unabhängig von den Weltklimakonferenzen Allianzen schmieden und in kleinerer Runde Lösungen finden und Mechanismen entwickeln, die Klimakrise zu bekämpfen. Dort könnten auch einzelne Bundesstaaten der USA vertreten sein, die sich unabhängig von Trump weiter für progressiven Klimaschutz einsetzen.
Konservativ-rechtes Übergewicht
Auch in der Europäischen Union ist Klimaschutz nicht mehr Tagesordnungspunkt eins. In fast allen Mitgliedsstaaten gewannen bei der letzten Europawahl Konservative und Rechte Stimmen hinzu. Beim Thema entwaldungsfreie Lieferketten sorgten sie im November 2024 gemeinsam für Chaos. Sie wollten deutlich laxere Regeln. Das gefährdete den gemeinsamen Beschluss der EU-Staaten, den Start der Regelungen um ein Jahr zu verschieben, um den Unternehmen mehr Zeit zu geben. Inzwischen wurde der Antrag von Rechten und Konservativen abgewendet. Die Regelungen werden ab 2026 in Kraft treten.
Bereits für Anfang 2025 von der alten und neuen EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen angekündigt ist der sogenannte „Clean Industrial Act“, der helfen soll, die Industrie, von Stahl bis digitalen Technologien, auf einen grünen Pfad zu bringen. Das Gesetz soll auf den 2024 verabschiedeten „Net-Zero Industry Act“ folgen. Der schreibt vor, dass Netto-Null-Technologien unter anderem von kürzeren Genehmigungsverfahren und gesonderter Förderung profitieren. Zudem sollen in Europa gefertigte Anlagen und Komponenten, bis 2030 40 Prozent der Klima- und Energieziele stemmen. Zusätzlich strebt die EU für 2040 einen Anteil von 15 Prozent am Weltmarkt im Bereich der Netto-Null-Technologien an. Doch an der Einigung gab es Kritik, die nun in den „Clean Industrial Act“ einfließen könnte.
Es geht insbesondere um mehr Geld. Der ehemalige Chef der Europäischen Zentralbank und frühere italienische Ministerpräsident Mario Draghi hatte von der EU-Kommission den Auftrag erhalten, einen Strategiebericht zur Wettbewerbsfähigkeit der Europäischen Union zu verfassen. Draghi macht klar: Rund 150 Milliarden Euro jährliche Investitionen müsse es für den Transportsektor geben und hier vor allem für eine lückenlose europäische Ladeinfrastruktur. 300 Milliarden jährlich bräuchte die Transformation des Energiesystems, inklusive der Entwicklung neuer grüner Technologien.
Doch ob das mit Konservativen und Rechten in Europa zu machen ist, erscheint schwierig. Viele mahnen mit dem Geld hauszuhalten und lieber deutlich mehr in Sicherheit und Verteidigung zu investieren. Dabei bräuchte es nach Ansicht vieler auch eine Rückzahlung der Einnahmen aus den steigenden CO2-Preisen an die Bürger:innen. In Deutschland steigt die Abgabe auf fossiles Heizen und Autofahren 2025 von 45 auf 55 Euro pro Tonne. Für den Liter Heizöl, Benzin und Diesel werden Preissteigerungen von drei Cent oder mehr erwartet.
Eine CO2-Bepreisung für Verkehr und Heizen in der ganzen EU wird ab 2027 greifen. Seit 2005 gilt in der EU bereits ein Emissionshandel für Energie und Industrie. Aktuell liegt dieser bei über 70 Euro die Tonne CO2 und sorgt ebenfalls dafür, dass das Leben der Menschen teurer wird, solange Energie und Industrie noch nicht vollends auf dem grünen Pfad sind. Ein Klima-Sozialfonds für die EU wird angemahnt.
Dass es eine Rückerstattung an die Bürger:innen in Deutschland geben soll, da sind sich die drei Parteien, die nach der kommenden Bundestagswahl sehr wahrscheinlich in unterschiedlicher Konstellation zusammenfinden müssen, zumindest grundsätzlich einig. Während der Union jedoch eine Senkung von Stromsteuer und Netzentgelten vorschwebt und damit vor allem Vielverbraucher profitieren würden, schlagen Grüne und SPD mit dem sogenannten Klimageld vor, einen festgelegten Preis an die Bürger:innen zurückzuzahlen. Davon profitieren dann vor allem diejenigen, die ohnehin weniger Geld zur Verfügung haben und tendenziell weniger CO2 verbrauchen. Manuel Grisard
Kommentare
Hannes Allabauer vor 3 Wochen
Wir gehen alle mit Trump und allen Drillern über die 2,5-Grad-Grenze und dann den Bach runter.