Jahresrückblick 2024 – Teil I: Die Ampel und das Aus
Es war ein gutes Jahr für Solar- und Windkraft. Die Wärmewende strauchelte hingegen über finanzielle und regulatorische Hürden. Zu Ende des Jahres hin brach die Regierung ein. Nicht wenige Vorhaben für die Energiewende liegen seither auf Eis.
23.12.2024 – Es war der Teil, dem die Grünen unter keinen Umständen zustimmen konnten. Im sogenannten „Wirtschaftswende-Papier“ der FDP erklärten die Liberalen, man dürfe Deutschlands „Sonderweg beim Klimaschutz“ nicht weiter beschreiten. Mit dem Ziel von Klimaneutralität 2045, Verzicht auf Kernenergie, dem Heizungsgesetz und dem Fokus auf E-Autos, verliere das Land ökonomisch den Anschluss in Europa. Dass das Gegenteil der Fall ist, machen führende Ökonomen wiederholt deutlich.
Doch anstatt es wie die USA und China zu machen und Billionen von US-Dollar in die Transformation von Industrie und Energie zu buttern (und damit den Weltmarkt mitzubestimmen), will die FDP alle energiepolitischen Förderprogramme streichen. Die Grünen dagegen haben ganz andere Vorstellungen. Wirtschaftsminister Robert Habeck verweist unter anderem auf die Summe von 400 Milliarden Euro, die laut dem Bundesverband der Industrie für Investitionen und Förderprogramme nötig seien. Der Bruch der Ampel schien mit dem Wirtschaftswende-Papier bereits vorgezeichnet und war laut Recherchen der Zeit genau dafür bestimmt. Am Ende kam bekanntlich Olaf Scholz der FDP zuvor.
Dabei gab es in energiepolitischen Fragen Erfolge zu feiern. Neben dem Solarpaket I wurde unter anderem eine Novelle des Bundesimmissionsschutzgesetzes beschlossen, die insbesondere der Windkraft Vorschub leistet, durch kürzere Genehmigungsfristen und Entbürokratisierung. Solch eine Novelle war aber auch Teil einer Fachdebatte, die an der breiten Öffentlichkeit vorbeiging. Am Ende war es der Haushalt und Zwist über die Schuldenbremse und künftige Ausrichtung der Wirtschaftspolitik, die zum Bruch der Ampel führten. An allen Ecken und Enden fehlte es im Haushaltsentwurf an Investitionen in die Transformation.
Ein gutes Jahr für die Photovoltaik
Besonders profitieren konnte im zurückliegenden Jahr die Photovoltaik. Für sie wurden zahlreiche Erleichterungen beschlossen. Ende April, mit dem Solarpaket 1, kamen die lang erwarteten Vereinfachungen für Balkon-Solarkraftwerke: vereinfachte Anmeldung, digitaler Zähler nicht verpflichtend, leicht höhere Anschlussleistung. Im Herbst wurde eine weitere Lücke geschlossen: die Privilegierung im Mietrecht – Vermieter dürfen nun die Steckersolargeräte nicht einfach grundlos verbieten. Die Erleichterungen für Balkonkraftwerke schlagen sich in stark gewachsenen Zubauzahlen nieder. Mehr als 700.000 Steckersolargeräte waren bis Oktober 2024 bei der Bundesnetzagentur registriert, doppelt so viele wie zu Jahresbeginn.
Mit dem Solarpaket1 wurden auch Änderungen für Solarparks wirksam: Für die Belange des Naturschutzes gibt es nun konkrete Regeln, benachteiligte Gebiete sind grundsätzlich geöffnet, besondere Solaranlagen bilden ein neues Untersegment. Die maximale Gebotsgröße in Ausschreibungen wurde dauerhaft auf 50 Megawatt angehoben. Allerdings fehlt dafür noch die beihilferechtliche Zulassung seitens der EU. Zudem wurden erstmals Regeln zur gemeinschaftlichen Gebäudeversorgung beschlossen. Auch für Energiespeicher gab es eine regulatorische Verbesserung.
Mit der Novelle des Energiewirtschaftsgesetzes sollten weitere wichtige Weichenstellungen auf den Weg gebracht werden. Das Kabinett hat nach dem Koalitionsbruch einen Entwurf beschlossen, der nun im parlamentarischen Verfahren ist. Das Artikelgesetz berührt viele marktliche und netztechnische Aspekte. Ziel ist ein flexiblerer Strommarkt und mehr Verantwortung für die Erneuerbaren. Sie sollen unter anderem in Zeiten negativer Preise – also in Phasen einer starken Stromerzeugung – keine Vergütung für den eingespeisten Strom erhalten. Darüber hinaus sollen auch kleinere Anlagen vom Netzbetreiber steuerbar sein, ihre Leistung also im Bedarfsfall heruntergeregelt werden. Besonders die verpflichtende Direktvermarktung auch für kleinere Anlagen wird in der Branche als komplex und damit schwer umsetzbar angesehen.
Auch in diesem Jahr erreichte der PV-Zubau 14,3 Gigawatt und liegt damit über dem Zubau-Ziel von 13 Gigawatt Leistung. Nach wie vor sind die Preise für Komponenten niedrig und die Photovoltaik-Ausschreibungen regelmäßig überzeichnet. Dennoch verlief der Zubau zuletzt weniger rasant. Lange Wartezeiten auf Netzanschlüsse, sinkende Marktwerte, immer häufiger negative Preise im Tagesverlauf – das sind einige der Gründe. Ersteres kann von Investoren kaum beeinflusst werden, die sinkenden Preise für den erzeugten Strom und die geplante Streichung der Vergütung in Zeiten negativer Preise erschweren Finanzierungen.
So viel Genehmigungen für Windkraftanlagen wie nie zuvor
Für die Windkraft war 2024 ein Rekordjahr in Bezug auf die Genehmigung neuer Anlagen. In den ersten drei Quartalen 2024 wurden so viele Windkraftanlagen an Land genehmigt wie noch nie in einem ganzen Jahr. Der Bau und die Inbetriebnahme allerdings bleiben auch in diesem Jahr hinter den Zielen. Das Netto-Zubau-Ziel für das Jahr lag bei 6,2 Gigawatt – erreicht wurden bis KW 50 2,3 GW.
Immer mehr Bundesländer regeln kommunale Beteiligung
Das EEG ermöglicht die finanzielle Beteiligung von Kommunen an Erträgen der Wind- und Solarparks. Dort wird sie aber nicht verpflichtend formuliert – aufgrund verfassungsrechtlicher Bedenken. Die Bundesländer haben hier mehr Spielraum, sie dürfen verpflichtende Regeln aufstellen und tun dies auch zunehmend. Das vorläufig letzte Kapitel wurde mit einem Gesetzesvorschlag von Bündnis90/Die Grünen in Mecklenburg-Vorpommern aufgeschlagen. Niedersachsen, Sachsen-Anhalt, Thüringen und das Saarland haben in diesem Jahr Beteiligungsgesetze verabschiedet.
Wärmewende 2024 sorgt für erhitzte Gemüter
Laut Erneuerbaren-Report der Internationalen Energieagentur stieg der jährliche Wärmebedarf in den letzten sechs Jahren weltweit um sieben Prozent. Da der Verbrauch moderner Erneuerbarer Wärme nur die Hälfte des zusätzlichen Wärmebedarfs ausmachte, stiegen die jährlichen wärmebedingten CO2-Emissionen in den letzten sechs Jahren demnach um fünf Prozent.
Nach heftigen Debatten trat in Deutschland am 1. Januar 2024 das novellierte Gebäudeenergiegesetz (GEG) in Kombination mit dem Wärmeplanungsgesetz in Kraft. Damit wurde der schlafende Riese der Wärmewende zumindest ansatzweise wachgerüttelt. Der Gesetzgebungsprozess und die begleitende Kommunikation waren allerdings wenig zielführend und sorgten für Unmut und Verunsicherung. Denn das Gebäudeenergiegesetz wurde mehrfach geändert, bevor es verabschiedet wurde, das dazugehörige Förderprogramm erst spät beschlossen.
Klimaziele im Gebäudesektor
Was für den Einbau einer neuen Heizung gilt, ist für Verbraucher nicht einfach zu verstehen. Das Umweltbundesamt hilft mit einer Infografik durch die Paragrafen des neuen GEG. Die Übergangsfristen für neue Heizungen in Bestandsgebäuden enden zwar erst spät, in Großstädten ab Mitte 2026 und in den kleineren Städten und Gemeinden ab Mitte 2028. Dennoch müssen von nun an installierte Gas- und Ölheizungen Brennstoffe mit anteilig immer mehr Erneuerbaren Energien nutzen, deren Marktverfügbarkeit und Preise nicht vorhersehbar sind. Zudem kann der CO₂-Preis Schätzungen zufolge 2030 Erdgas um bis zu 4 bis 8 Cent pro kWh und Heizöl um bis zu 5 bis 10 Cent pro kWh teurer machen. Ab spätestens 1. Januar 2045 darf keine Heizung mehr fossile Brennstoffe nutzen.
Die Förderbereiche bei der Zuschussförderung wurden neu aufgeteilt. Die Förderung von Heizungsanlagen ist nun weitgehend der KfW-Bank zugeordnet. Fördermaßnahmen rund um die Gebäudehülle liegen beim Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA).
Die Investitionen in die energetische Gebäudesanierung sind indes weiter rückläufig, berichtete das Deutsche Wirtschaftsinstitut Berlin im November. Zwar gaben Immobilieneigentümer und Mieter mehr Geld für Dämmung, neue Fenster und Türen, einen Heizungstausch oder andere Maßnahmen aus als noch zwei Jahre zuvor. Berücksichtige man jedoch, dass die Baupreise in dieser Zeit besonders stark gestiegen sind, gingen die Investitionen im selben Zeitraum prozentual gesehen zurück. Bereits seit der Jahrtausendwende liegt die Sanierungsrate in Deutschland bei nur einem Prozent – mindestens zwei Prozent wären aber notwendig.
Kommunale Wärmeplanung kommt nur langsam ins Rollen
Mit dem Wärmeplanungsgesetz sehen sich nun rund 10.000 Städte und Gemeinden in Deutschland vor der herausfordernden Aufgabe, ihre Energiezukunft selbst in die Hand zu nehmen. In Städten mit mehr als 100.000 Einwohnern müssen die Wärmeplanungen bis Ende Juni 2026 und in kleineren Städten und Gemeinden bis Ende Juni 2028 erstellt werden. Die Bundesländer sind verpflichtet, ihre Kommunen zu einer Wärmeplanung anzuweisen, die auf eine klimaneutrale Wärmeversorgung ab 2045 zielt. Als Zwischenziele müssen die Wärmenetze bis 2030 mindestens zu 30 Prozent und bis 2040 zu 80 Prozent mit Wärme aus Erneuerbaren Energien oder unvermeidbarer Abwärme gespeist werden. Für neue Wärmenetze wird ein Erneuerbarer Anteil von 65 Prozent verlangt.
Aktuell werden laut Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft 15,2 Prozent der Haushalte in Deutschland mit Fernwärme beheizt. Noch wird die Fernwärme überwiegend mit fossilen Energieträgern wie Kohle und Gas erzeugt. Rund 70 Prozent entfallen auf die klimaschädlichen Brennstoffe.
Indes hat die Bundesregierung im September angekündigt, Hürden für die Wärmewende abzubauen. Mit entsprechenden Gesetzesänderungen sollen Genehmigungsverfahren für Geothermie-Anlagen, Wärmepumpen und für Wärmespeicher beschleunigt werden. Die Maßnahmen sind Teil der Wachstumsinitiative der Bundesregierung.
Schwer zu kämpfen hat in diesem Jahr die Biogas-Branche. Bioenergie wäre ein wichtiger Baustein der Energie- und Wärmewende, es kann teilweise LNG ersetzen und steht im Vergleich zu Wasserstoffimporten sofort und regional zur Verfügung. Doch in der Kraftwerksstrategie wird das Potenzial der heimischen Energie vernachlässigt, bemängelte die Branche und forderte bessere Bedingungen. Doch in dem im Dezember vorgelegten Biogas-Paket der Bundesregierung gibt es nur eine geringfügige Änderung der Ausschreibungsvolumen für Biogas-Anlagen. Der Vorschlag gefährde die Biogasbranche akut und damit auch die Energiewende, den Klimaschutz und die Versorgungssicherheit in Deutschland, mahnt die Branche.
Bei der KWW-Kommunenbefragung 2024 gaben viele kleinere Kommunen an, aufgrund fehlender finanzieller und personeller Ressourcen noch nicht mit der Wärmeplanung zu beginnen. Die Kommunen, die die Wärmeplanung bereits durchführen, berichten von Herausforderungen durch fehlende Daten beispielsweise für die Bestands- und Potenzialanalyse. Auch die weiterhin offenen Fragen nach der Finanzierung von Wärmewendemaßnahmen wären hinderlich.
Doch es gibt auch bereits erfolgreiche Kommunen, denn einige Bundesländer, Städte und Gemeinden haben die Planungen schon früher in Angriff genommen. Baden-Württemberg führte als erstes Bundesland schon 2020 eine verpflichtende Wärmeplanung ein, als ein Leuchtturm gilt der Landkreis Lörrach. Auch in Hannover, Hamburg und Berlin sind die Planungen fortgeschritten. Auch Schleswig-Holstein hatte die Wärmewende schon 2017 im Energiewende- und Klimaschutzgesetz fokussiert.
EU-Gebäudeeffizienzrichtlinie
Im März überarbeitete das EU-Parlament die Richtlinie für Gebäudeeffizienz. Ab 2030 sollen laut EU- Gebäudeeffizienzrichtlinie alle Neubauten in der Europäischen Union emissionsfrei sein. Für Neubauten, die Behörden nutzen oder besitzen, gilt das schon ab 2028. Bei Wohngebäuden müssen die Mitgliedstaaten den durchschnittlichen Primärenergieverbrauch mit entsprechenden Maßnahmen bis 2030 um mindestens 16 Prozent und bis 2035 um mindestens 20 bis 22 Prozent senken.
Einen Zwang zur Sanierung von Wohngebäuden gibt es erstmal nicht. Doch bis 2030 müssen die Mitgliedstaaten 16 Prozent und bis 2033 rund 26 Prozent der Nichtwohngebäude mit der schlechtesten Gesamtenergieeffizienz sanieren lassen und dafür sorgen, dass sie die Mindestanforderungen an die Gesamtenergieeffizienz erfüllen. Die Mitgliedstaaten müssen Maßnahmen zur Dekarbonisierung von Heizungsanlagen und zum allmählichen Ausstieg aus fossilen Brennstoffen bei der Wärme- und Kälteversorgung ergreifen: Bis 2040 soll es keine mit fossilen Brennstoffen betriebenen Heizkessel mehr geben.
Rückwärtsrolle mit neuer Regierung?
Das Ende der Ampelregierung bringt die Wärmeplanung in Deutschland erneut ins Wanken. Das reformierte Gebäudeenergiegesetz könnte wieder gekippt werden, wenn die CDU die nächsten Bundestagswahlen gewinnen sollte und eine neue Regierung anführt. Vertreter aus Wirtschaft und Verbraucherschutz kritisieren die erneute Debatte. Die Branche als auch Hausbesitzer bräuchten jetzt vor allem Planungssicherheit.
Gesetzesentwurf zur viel kritisierten CCS-Technologie
Zu den umstrittensten Entscheidungen in diesem Jahr gehört die Wegbereitung für das Abscheiden und Lagern von Kohlenstoff (CCS). Anfang des Jahres stellte das BMWK die Eckpunkte einer Carbon Management Strategie vor. Die Technologie ist teuer, mit Risiken behaftet und steht in den nächsten Jahren kaum in den benötigten Größenordnungen zur Verfügung. Dennoch liegen auf ihr große Hoffnungen – für die Erreichung der Klimaziele werden die negativen Emissionen bereits fest eingerechnet. Inzwischen liegt ein Gesetzesentwurf vor, eine Ausschussanhörung hat stattgefunden.
Nukleare Sicherheit gefährdet
Auch eineinhalb Jahre nach dem Atomausstieg Deutschlands steigt – wie in diesem Text dargelegt – der Anteil Erneuerbarer Energien stetig an, Strom wird günstiger und Emissionen sinken. Die Energieversorgung ist gesichert. Trotzdem regen sich immer wieder Stimmen, die in Deutschland wieder Atomkraft nutzen wollen.
Wie gefährlich die Atomkraft sein kann, zeigt sich derzeit in der Ukraine. Russische Angriffe haben große Teile des ukrainischen Stromsystems sowie der Wärmeversorgung zerstört. Die drei noch aktiven ukrainischen Atomkraftwerke in Riwne, Chmelnyzkyj und in der Südukraine sind jeweils mit hunderten Tonnen hochradioaktivem Kernbrennstoff beladen, hinzu kommen Abklingbecken für Brennelemente mit mehreren tausend Tonnen abgebranntem, aber teils hoch-radioaktiven Brennstoff. Ein Zusammenbruch des Stromnetzes könnte zu einer Kettenreaktion von Unfällen in den AKWs führen. Das gefährdet die nukleare Sicherheit der Ukraine – und von ganz Europa.
Morgen folgt der zweite Teil unseres Jahresrückblicks 2024.
Die Redaktion der energiezukunft: Nicole Allé, Julia Broich, Petra Franke und Manuel Grisard