Menü öffnen

Klimakonferenz„Eine fatale Signalwirkung“

Eine Frau in schwarzer Bluse vor einer Flagge der Europäischen Union
Bild: (c) European Parliament

Das Europäische Parlament hat eine Resolution mit Forderungen für die COP26 in Glasgow verabschiedet. Wir haben mit Jutta Paulus über mehr Naturschutz für den Klimaschutz und der fehlenden Abkehr von fossilen Subventionen gesprochen.

08.11.2021 – Jutta Paulus ist Mitglied bei Bündnis 90/Die Grünen und seit 2019 Abgeordnete im Europäischen Parlament. Dort ist sie Mitglied im Umweltausschuss, im Industrieausschuss und im Transportausschuss.

Seit heute nimmt eine Delegation des Europäischen Parlaments an der COP26 in Glasgow teil. Im Vorfeld haben Sie eine Resolution mit erarbeitet und verabschiedet, die Forderungen an die verhandelnden Staaten stellt. Welche sind das?

Wir als Europäisches Parlament fordern unter anderem ein Bekenntnis aller G20 Staaten bis 2050 klimaneutral zu sein. Auch fordern wir mindestens die Einhaltung des Versprechens der Industriestaaten, 100 Milliarden US-Dollar jährlich an Klimahilfen für Entwicklungsländer bereitzustellen. Ebenso wünschen wir uns, dass neue nationale Beiträge zum Klimaschutz künftig alle fünf statt zehn Jahre eingereicht werden sollen. Zwei Forderungen, die mir besonders am Herzen liegen, sind die Unterstützung von Nature Based Solutions, also natürlicher Klimaschutz wie die Renaturierung von Mooren, Feuchtgebieten oder Mangroven, sowie die Beendigung aller fossiler Subventionen bis spätestens 2025. Diese Subventionen stehen jeglichen Anstrengungen zum Klimaschutz entgegen und sind eine unfassbare Geldverschwendung.

Doch zugleich steht auf europäischer Ebene nach wie vor im Raum, im Zuge einer neuen EU-Taxonomieverordnung, Gasprojekte weiter zu fördern. Wie passt das zusammen?

Das passt überhaupt nicht zusammen. Das ist ein Streitpunkt, bei dem der Riss auch quer durchs Parlament geht. Darüber hinaus gibt es die sehr unglückliche Verknüpfung von Atomkraft und Gas im derzeitigen Entwurf des delegated act, über deren Einstufung als „nachhaltig“ dann nur gemeinsam entschieden werden kann. Abgeordnete oder Mitgliedsstaaten, die gegen Gas aber für die Atomkraft sind, werden den Delegated Act nicht ablehnen und umgekehrt. Angela Merkel hat uns in diesem Zuge ein sehr übles Abschiedsgeschenk hinterlassen, indem sie Frankreich und dessen Wunsch nach dem Greenwashing von Atomprojekten nachgab.

Und damit wird auch Gas weiter gefördert.

Genau das ist möglich, auch im Europäischen Parlament wird sich vermutlich keine Mehrheit für eine Ablehnung des delegated act als Ganzes finden. Zwar wird es Einschränkungen für neue Gas-Projekte hinsichtlich ihres Emissionsausstoßes geben, doch solange Gas grundsätzlich als nachhaltige Technologie gilt, bleibt die neue Verordnung für mich ein zahnloser Tiger. Dabei hätte sie mit einem Ausschluss von Gas und Atomkraft ein weltweiter Standard für grüne Investments werden können.

25 Industrie- und Entwicklungsländer sowie Finanzinstitutionen haben letzte Woche gemeinsam erklärt, bis Ende nächsten Jahres die Finanzierung fossiler Energieträger im Ausland komplett zu beenden. Deutschland und die KfW sind jedoch nicht dabei. Warum die ablehnende Haltung aus Deutschland?

Ich kann nur Vermutungen anstellen, dass etwa große Player interveniert haben, die bereits Aufträge für Gasprojekte in Aussicht haben. Ich halte den fehlenden Beitritt Deutschlands zu dieser Koalition für eine fatale Signalwirkung. Noch dazu, wo man zuvor als Teil der Europäischen Union stolz den Global Methane Pledge verkündet hat, im Zuge dessen man bis Ende des Jahrzehnts die Methan-Emissionen global um 30 Prozent reduzieren will. Das passt nicht zusammen, wenn Deutschland und die EU weiter Gasprojekte finanzieren oder absichern wollen. Dabei reichen selbst die 30 Prozent Minderung nicht aus. Das Umweltprogramm der Vereinten Nationen hat in seinem Global Methane Assessment vom Mai 2021 ermittelt, dass 45 Prozent Reduktion nötig und machbar sind.

Schwächt das alles die Verhandlungsposition der Europäischen Union, die sich ja immer als Vorreiter gibt?

Die EU ist ein bisschen die Einäugige unter den Blinden. Es ist der einzige größere Industriewirtschaftsraum, der bislang ein Klimaschutzgesetz vorgelegt hat, mit verbindlichen Zielen, auch wenn diese nicht für das 1,5 Grad Ziel ausreichen. Das was andere Staaten vorlegen, ist indes noch schlechter. Ich habe aber auch die Befürchtung, dass diverse Politiker in der EU die aktuelle Energiekrise ausnutzen, um nötigen Instrumenten und Maßnahmen für das Fit-for-55 Paket eine Abfuhr zu erteilen. Auch wenn klar ist, dass Klimaschutzmaßnahmen nicht verantwortlich für die hohen Energiepreise sind.

Welche Erwartungen haben Sie denn an den Ausgang der Verhandlungen bei der COP26, auch im Hinblick auf die Forderungen des Europäischen Parlaments?

Ich hoffe, dass man sich zumindest mal bei dem berühmt-berüchtigten Artikel 6. einigt, da geht es ja um die Anerkennung von Klimaschutzmaßnahmen in anderen Ländern, aber dass diese nicht doppelt gezählt werden. Das ist auch unsere Forderung. Seit die USA wieder an Bord sind, sieht es zumindest gut aus, dass wir das Ziel von 100 Milliarden US-Dollar an Klimahilfen jährlich erreichen. Wenn man sich die Naturkatastrophen weltweit anschaut und wie diese Entwicklungsländer besonders hart trifft, müssen wir aber auch konstatieren, dass die finanziellen Mittel bei weitem nicht ausreichen und eigentlich über eine weitere Anhebung verhandelt werden müsste.

Wie sieht es bei der Implementierung von Fünfjahresschritten zur Einreichung nationaler Klimapläne und ihrer Forderung nach naturbasierten Lösungen aus?

Bei der Implementierung von Fünfjahresschritten bin ich vorsichtig optimistisch. Was die nature based solutions angeht, würde ich mir wünschen, dass es dafür ein deutliches Bekenntnis bei den Verhandlungen dazu gibt, gegenüber technischen Lösungen, die im Endeffekt auch teurer sind. Dafür müssen Finanzmittel bereitgestellt werden, und jeder muss vor seiner eigenen Haustür Naturschutz  zusammen mit der örtlichen Bevölkerung umsetzen. Es kann nicht sein, dass wir den südamerikanischen Regenwald schützen wollen und gleichzeitig unsere heimischen Wälder zerstören. Ohnehin ist der Überkonsum der Industriestaaten hauptverantwortlich für die Zerstörung von Regenwäldern. Das reichste Prozent der Weltbevölkerung emittiert - absolut gesehen! -  doppelt so viel CO2 wie die ärmsten 50 Prozent. Diese klaffende Ungerechtigkeit müssen wir angehen. Und wir müssen Sektoren in den Blick nehmen, die bislang praktisch gar nichts zum Klimaschutz beitragen, zum Beispiel mit globalen CO2-Steuern für den Schiffs- und Flugverkehr.

Das Interview führte Manuel Först


Mehr zum Thema


Kommentare

Diskutieren Sie über diesen Artikel

Keine Kommentare gefunden!

Neuen Kommentar schreiben


Name: *
E-Mail: *
(wird nicht veröffentlicht)
Nicht ausfüllen!


Kommentar: *

(wird nicht veröffentlicht)
max 2.000 Zeichen


energiezukunft