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Ukraine-KriegEnergieversorgung in Europa im Umbruch

Chemiewerk Buna bei Schkopau, im Hintergrund Kraftwerk, im Vordergrund Wohnhäuser und Kirche
Russisches Gas für Industrie und Verbraucher - damit soll Schluss sein. (Foto: Dguendel auf Wikimedia / CC BY 3.0)

Der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine stellt die Strukturen der Energieversorgung Europas in Frage. Große Mengen Gas, Öl und Steinkohle wurden bisher aus Russland in die EU geliefert. Mit dieser Abhängigkeit soll nun Schluss sein.

03.03.2022 – Der Krieg in der Ukraine ist eine Zäsur für Europa. Auf politischer und wirtschaftlicher Ebene deuten sich tiefgreifende Umbrüche an, wobei die Abhängigkeit der europäischen Energieversorgung von Gas, Öl und Steinkohle aus Russland besonders im Fokus steht.  40 Prozent der Gasimporte, 25 Prozent der Ölimporte und 46 Prozent der Steinkohleimporte kommen aus Russland, die Importmengen variieren je nach EU-Land.

Auch die Ukraine selbst ist bei der Energieversorgung stark von Russland abhängig – als Teil eines Verbundnetzes mit Belarus und Russland. Russland kontrolliert Spannung und Frequenz in dem Netz, das noch aus Sowjetzeiten stammt. Allerdings wurde diese Verbindung wohl inzwischen unterbrochen und die Ukraine befindet sich im Inselbetrieb. In diesem Kontext traf die EU am Montag eine wichtige Entscheidung. Am Morgen hatte die EU-Energie-Kommissarin, Kadri Simson aus Estland, mit dem Verband der Europäischen Übertragungsnetzbetreiber Entso-E gesprochen und die Möglichkeiten für eine schnelle Einbindung der Ukraine in das europäische Verbundnetz sondiert. Die Vorbereitungen dazu laufen bereits seit längerem und sollten im nächsten Jahr abgeschlossen werden. Am Nachmittag beschlossen die Energie-Ministerinnen und Minister der EU, dass dieser Schritt so schnell wie möglich erfolgen soll.

Die Stromerzeugung für die 40 Millionen Verbraucherinnen und Verbraucher in der Ukraine erfolgt derzeit hauptsächlich in vier Kernkraftwerken. Sollte die Einbindung ins europäische Verbundnetz zeitnah erfolgen, erhöht der Krieg die Risiken. Wenn die russische Armee in der Ukraine ein Kraftwerk erobere, dürfe es keinen Blackout in Europa geben, mahnte Wirtschaftsminister Habeck in Brüssel. Auch Cyberattacken müssten abgewehrt werden können.

Ölreserven freigegeben

Ganz aktuelle Maßnahmen sind die Freigaben von Ölreserven in der EU und den USA. Das Öl aus diesen Reserven kann kurzfristige Lieferengpässe abfedern und hat im günstigsten Fall auch preisstabilisierende Wirkung. 

Nationale Gasreserve in Deutschland

Deutschland ist abhängiger von russischen Importen als andere europäische Länder, besonders beim Erdgas. Deshalb werden nun alle alternativen Möglichkeiten geprüft, um die Versorgungssicherheit zu gewährleisten. Für den ausklingenden Winter seien keine Engpässe zu befürchten, dies war unisono die Einschätzung der europäischen Energieminister am Montag in Brüssel. Auch Deutschlands Wirtschaftsminister Robert Habeck sieht Deutschlands Energieversorgung aktuell noch gesichert. Für den nächsten Winter müssten aber jetzt Maßnahmen getroffen werden. Das Wirtschaftsministerium plant unter anderem regulatorische Maßnahmen, um Mindestfüllstände in den Gasspeichern sicherzustellen. Ein Eckpunktepapier skizziert Instrumente für eine nationale Gasreserve, die es bisher nicht gibt.

Spezialhäfen zur Anlieferung von Flüssiggas

Zusätzlich kündigte Olaf Scholz an, zwei Flüssiggas-Terminals bauen zu wollen. Derzeit hat Deutschland kein einziges. Für die aktuelle Lage bedeutet dieser Weg aber keine Entspannung. Selbst bei komplikationsloser Genehmigung würde der Bau mehrere Jahre dauern. Zugleich würde damit eine fossile Infrastruktur geschaffen, die obsolet ist. Dennoch wird LNG aus anderen Ländern kurzfristig als Alternative zum russischen Gas gesehen. Woher, auf welchem Weg und in welchen Mengen es nach Deutschland kommt, ist momentan noch nicht klar. Katar, Norwegen, USA, Australien sind mögliche Lieferanten. Spanien bezieht große Mengen LNG aus Algerien, auch diese Option wurde bereits in Betracht gezogen. Darüber hinaus sind weitere afrikanische Länder Gasproduzenten und kämen als neue Lieferanten in Frage.

Energiepreise werden hoch bleiben

Nur eines scheint im Moment gewiss: Es wird teuer werden. Bereits letzte Woche sprach Wirtschaftsminister Habeck die einfache Wahrheit aus: Krieg bedeutet Unsicherheit, Unsicherheit treibt die Preise. LNG wird zudem über weite Strecken per Schiff transportiert und muss während des Transportes aufwendig gekühlt werden – eine preiswerte und klimafreundliche Alternative ist es auf keinen Fall, auch nicht in Friedenszeiten.

Unterdessen melden sich verschiedene Akteure mit weiteren Vorschlägen, beispielsweise der nordrhein-westfälische Wirtschaftsminister Pinkwart. Er will den Zeithorizont des Kohleausstiegs neu bewerten. Doch würde eine längere Laufzeit für die Kohlekraftwerke auch eine längere Abhängigkeit von Importen bedeuten. Eine echte Lösung ist das nicht.

Sogar eine Laufzeitverlängerung der Atomkraftwerke wurde ins Spiel gebracht, doch ist diese technisch inzwischen kaum noch machbar. Diesem Ansinnen hatten die Betreiber der verbliebenen Kernkraftwerke in Deutschland – Eon, EnBW und RWE – zumindest im Herbst letzten Jahres eine klare Absage erteilt. Doch viele Gewissheiten werden in diesen Tagen in Frage gestellt.

Echte Notfallszenarien sind das Herunterfahren der Industrieproduktion, das Herunterregeln von Fernwärmekraftwerken und Aufrufe an die Bevölkerung sparsam zu heizen.

Robert Habeck formulierte während seines USA-Besuches gegenüber dem Heute-Journal: „Energiepolitik ist jetzt eine Frage der Sicherheitspolitik geworden.“ Diese Erkenntnis lässt in allen politischen Lagern den Ruf laut werden nach einem schnelleren und radikaleren Ausbau der Erneuerbaren Energien als einzig wirksame langfristige Lösung. Freiheit und Souveränität kann es nur in sicheren und stabilen politischen Verhältnissen – nur im Frieden – geben. pf


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