Kraftwerksstrategie: Energieversorgungssicherheit in den Bundesländern

Die Bundesregierung hat in ihrer Kraftwerksstrategie den Bedarf an neuen Gaskraftwerken vorgezeichnet, um die Stromversorgung jederzeit zu sichern. Ein neues AEE-Hintergrundpapier beleuchtet den Status quo und die Entwicklung regelbarer Kraftwerke.
21.10.2024 – In einem neuen Hintergrundpapier gibt die Agentur für Erneuerbare Energien (AEE) einen Überblick über den aktuellen Stand der regelbaren Kraftwerkskapazitäten und Speicher in den Bundesländern. Dadurch soll ein Eindruck davon vermittelt werden, vor welchen Herausforderungen die Länder in den nächsten Jahren angesichts des Umbaus der Energieversorgung stehen.
Deutschland verfügt über eines der sichersten Stromversorgungssysteme der Welt. Damit dies so bleibt, werden als Ergänzung zum Ausbau der Erneuerbaren Energien flexible Kraftwerke und Speicher benötigt, heißt es im Papier. Im Zuge des Kohleausstiegs müssten daher neue, wasserstofffähige Gaskraftwerke gebaut werden. Dafür hat die Bundesregierung eine Kraftwerksstrategie aufgelegt. Wie die neuen Anlagen über Deutschland verteilt werden sollen, dazu sind die Pläne allerdings noch recht vage.
Die Lage soll „systemdienlich“ sein und der Schwerpunkt soll auf dem Süden der Republik liegen. „Der Bedarf an neuen Gaskraftwerken und notwendigen Ausgaben für diese kann jedoch dadurch reduziert werden, dass andere Ausgleichsmöglichkeiten für Wind und Sonne – wie Biogas, Speicher und Sektorenkopplung – stärker erschlossen und von Anfang an mit eingebunden werden“, erklärt Robert Brandt, Geschäftsführer der AEE.
Bestandsaufnahme der Gaskraftwerke
Derzeit stehen laut AEE die meisten Gaskraftwerke mit einer Gesamtkapazität von fast 10.000 Megawatt (MW) in Nordrhein-Westfalen. Danach folgen Bayern mit 6.200 MW und Niedersachsen mit 4.000 MW. Insgesamt beträgt die Leistung des Kraftwerksparks 34.500 MW. Gaskraftwerke wurden in der Vergangenheit vorrangig in Westdeutschland gebaut. Drei Viertel der installierten Gesamtleistung entfallen auf die westlichen Bundesländer.
Abschied von der Kohlekraft
Noch stellen auch Kohlekraftwerke regelbare Leistung bereit. Die deutschen Braunkohlekraftwerke verteilen sich auf nur vier Bundesländer: Nordrhein-Westfalen, Sachsen, Brandenburg und Sachsen-Anhalt, mit einer Gesamtleistung von etwas mehr als 15.000 MW. Die Kapazität aus Steinkohlekraftwerken summiert sich laut AEE-Bericht auf fast 17.000 MW. Fast zwei Drittel davon entfallen auf die beiden Bundesländer Nordrhein-Westfalen und Baden-Württemberg mit jeweils rund 5.400 MW.
Weitere Flexibilitätsoptionen: Bioenergie, Wasserkraft und Speicher
Von allen Biomasse-Anlagen entfallen mehr als die Hälfte auf die drei Länder Niedersachsen mit 1.900 MW, Bayern mit 1.900 MW und Nordrhein-Westfalen mit1.200 MW. Die Flexibilisierung von Biogasanlagen könnte noch größere Beiträge zum Ausgleich von Wind und- Solarenergie leisten, so die Autoren des AEE-Papiers. Der Fachverband Biogas spricht von einer möglichen Verdoppelung der bestehenden Biogasleistung von heute 6.000 auf 12.000 MW bis zum Jahr 2030. Ein zusätzlicher Anbau von Energiepflanzen sei dafür nicht nötig.
Backup Bioenergie nutzen – klimafreundlicher und günstiger als Gas
Eine erneute Nullrunde bei der Biomethan-Ausschreibung lässt die Biogas-Branche allerdings an der Kraftwerksstrategie zweifeln. Schon zum vierten Mal in Folge wurde im Rahmen der Biomethan-Ausschreibung kein einziges Gebot bezuschlagt. Die Bioenergieverbände im Hauptstadtbüro Bioenergie (HBB) fordern das im Sommer angekündigte Biomasse-Paket nun zügig auf den Weg zu bringen. Die Akteure sind verstimmt.
Sandra Rostek, Leiterin des HBB, zeigte sich nicht überrascht angesichts der jüngsten Ausschreibungsergebnisse im Biomethansegment und erklärt: „Mit dem Erneuerbare-Energien-Gesetz 2023 wollte Dr. Robert Habeck eigentlich den bestehenden Bioenergieanlagenpark aus Biogas- und Holzenergieanlagen durch Biomethan-Spitzenlastkraftwerke ohne Wärmeauskopplung ersetzen. Dieser Plan scheiterte jedoch nicht erst mit den gestern veröffentlichten Ausschreibungsergebnissen im Biomethansegment. Nun wurde schon zum vierten Mal wurde kein einziges Gebot bezuschlagt, während die Ausschreibungen im Segment für Biogas- und Holzenergieanlagen mehrmals hintereinander mehrfach überzeichnet waren.“ Das Wirtschaftsministerium müsse nun endlich die Kurve kriegen und noch dieses Jahr ein Biomasse-Paket vorlegen, „wenn politisch nicht gewollt ist, die Bioenergiebranche in Deutschland einem rasant fortschreitenden Niedergang auszuliefern.“
Wenn Anfang 2025 die nächste Ausschreibungsrunde Biomasse zu heutigen Bedingungen gestartet wird, werden wieder hunderte Anlagen vom Netz gehen, warnt die Branche. Eine Kursänderung sei laut der Leiterin des HBB jedoch kein Hexenwerk: „Als erstes muss das Ausschreibungsvolumen im Segment für Biogas- und Holzenergieanlagen deutlich angehoben werden, damit wir die volkswirtschaftlich ruinöse Anlagenstilllegung großen Ausmaßes verhindern. In einem nächsten Schritt müssen Biogasanlagen mittels eines Flexibilitätszuschlages von 120 Euro pro Kilowatt in die Lage versetzt werden, auf eine flexible Fahrweise umzurüsten.“ Nur so könnten die Anlagen die Anforderungen an ein zukünftiges Strommarktdesign erfüllen – und das günstiger als durch den Neubau neuer Gaskraftwerke, betont die Biogas-Branche. „Andernfalls verlieren wir noch bis 2030 dutzende Terrawattstunden Strom und Wärme sowie mehre Gigawatt gesicherter regelbarer Leistung und laufen sehenden Auges in eine klimapolitische katastrophale Verlängerung der Kohleverstromung, die sicherlich nicht von einem Grün geführten Wirtschaftsministerium gewollt sein kann“ schließt Sandra Rostek.
Wasserkraft und Speicherpotenzial
Neben der Bioenergie gehört auch die Wasserkraft zu denjenigen regelbaren Kraftwerken, die zu den Erneuerbaren Energien zählen. Die Wasserkraft wird in erster Linie da genutzt, wo es sowohl Flüsse als auch Berge für das notwendige Gefälle gibt. Folglich stünden mit 2.800 MW mehr als die Hälfte der Wasserkraftleistung Deutschlands allein in Bayern. Danach folgt mit deutlichem Abstand Baden-Württemberg mit 900 MW.
Hinzu kommen Speicher. Deutschland verfügt heute über eine Stromerzeugungskapazität mit Pumpspeicherkraftwerken in Höhe von etwas mehr als 6.300 MW. An der Spitze unter den Bundesländern liegt Baden-Württemberg mit 1.900 MW. Das größte Kraftwerk in Deutschland befindet sich in Thüringen: Das Pumpspeicherwerk Goldisthal mit einer Leistung von mehr als 1.000 MW. Das Bundesland verfügt auch über die zweithöchste Gesamtkapazität aller Länder mit 1.500 MW.
Bei den großen Batteriespeichern mit einer Leistung von mehr als 1 MW ist Nordrhein-Westfalen mit 181 MW führend, gefolgt von Sachsen mit 130 MW und Bayern mit 121 MW. In der Gesamtsumme befinden sich die größten Speicherkapazitäten in Baden-Württemberg, Thüringen und Sachsen. Während das Potenzial an Pumpspeicherkraftwerken nahezu ausgeschöpft ist, wird sich laut Analyse der AEE der Ausbau von Batteriespeichern in den nächsten Jahren dynamisch nach oben entwickeln. na
Weitere Informationen zur Energiewende in den Bundesländern sind auf der Online-Datenbank www.foederal-erneuerbar.de der AEE zu finden.