11.11.2024 - Dass in der Ampel verschiedene Weltanschauungen und Staatsverständnisse aufeinanderprallen, war von Anfang an klar. Nichtsdestotrotz wurden diese Reibungspunkte zumindest energiepolitisch in den meisten Fällen produktiv genutzt. Insofern ist das verfrühte Aus der Regierungskoalition aus Sicht der Energiewende zu bedauern, schließlich sind durch sie in den letzten drei Jahren erhebliche Fortschritte zu verzeichnen gewesen.
Ob EEG-Osterpaket, Windflächenbedarfsgesetz, Solarstrategie oder der Neustart der Digitalisierung der Energiewende: gerade im Stromsektor sind die Weichen trotz oder auch gerade wegen der zusätzlichen externen Herausforderungen (Corona, Angriff auf die Ukraine, Gaskrise) endlich auf den beschleunigten Ausbau von Wind und Solar gestellt worden, der für die Erreichung unserer Klimaziele notwendig wird. Nicht vergessen werden darf hierbei auch das große Engagement der deutschen Regierung in Brüssel, wo viele Grundlagen für eine weitere Beschleunigung der Energiewende nicht nur hierzulande progressiv ausverhandelt wurden.
National wurde zudem der schlafende Riese der Wärmewende zumindest ansatzweise wachgerüttelt, das reformierte Gebäudeenergiegesetz ist hier eine sinnvolle Grundlage, gerade in der Kombination mit der kommunalen Wärmeplanung – auch wenn der Gesetzgebungsprozess und die begleitende Kommunikation natürlich von allen Seiten besser hätte geführt werden können. Weniger erfreulich ist die Klimabilanz im Verkehrssektor, wobei auch hier mit der Reform von Straßenverkehrsrecht sowie -verordnung wichtige Meilensteine gelangen. Und mit dem vielen günstigen Ökostrom aus den neuen Anlagen sind nun gute Voraussetzungen für den weiteren umweltfreundlichen Hochlauf der Elektromobilität gelegt.
Schade ist das verfrühte Ampel-Aus auch vor allem, weil bei allen bisherigen Fortschritten aktuell weiterhin große Herausforderungen im Rahmen der Energiewende bestehen. Vor allem ist dabei die Weiterentwicklung des aktuellen EEG zu nennen, das nur noch bis Ende 2026 gültig ist. Danach muss es unter anderem zwingend um eine Regelung gegen Übergewinne in Hochpreisphasen ergänzt werden. Die Projektierer benötigen schnell Sicherheit über die Erlösperspektiven, damit kein Fadenriss beim gerade beschleunigten Ausbau entsteht. Auch die Frage, wie künftig Versorgungssicherheit möglichst effizient gewährleistet wird und wie dabei die perspektivisch viel zu teuren Kohlekraftwerke möglichst bald aus dem Markt genommen werden können, ist nicht beantwortet.
Weiteren Regelungsbedarf gibt es außerdem beim Smart-Meter-Rollout und bei Netzanschlüssen von Erneuerbaren-Anlagen, die immer mehr zum Nadelöhr für den Ausbau werden. Nicht abgeschlossen ist zudem die Umsetzung von europäischen Vorgaben, für die die Ampel in Brüssel selbst gekämpft hat, etwa beim Thema Beschleunigungsgebiete oder Energy Sharing. Und nicht zuletzt kommen neue Herausforderungen durch den erfolgreich beschleunigten Ausbau der Erneuerbaren auf, wie etwa der Umgang mit wachsenden Mengen ungesteuerter Solarstromeinspeisung, die bereits in wenigen Jahren punktuell Verteilnetze überlasten könnte.
Für all diese aktuellen Fragen hatte die Ampel bereits konkrete Regelungsvorschläge oder zumindest weitgediehene Diskussionsgrundlagen vorbereitet, die nun aller Voraussicht nach nicht mehr verabschiedet werden. Es wäre sehr zu wünschen, dass die demokratischen Parteien im aktuell noch amtierenden Bundestag sich zumindest für die wichtigsten, oft rein technischen Sachfragen zu einer wie auch immer gearteten Kooperation zusammenraufen können und diese noch vor einer Parlamentsauflösung beschließen. Denn die weltweite Klimakrise nimmt auf nationale Regierungskrisen keine Rücksicht, wie das sehr wahrscheinliche Überschreiten der 1,5-Grad-Grenze bereits in diesem Jahr mehr als deutlich zeigt.
Klar ist aber auch: Die aktuell verbleibende Minderheitsregierung hat kein Mandat mehr für weitreichende Entscheidungen, ob bei der Energieversorgung oder anderswo. Das heißt, neben den kurzfristig noch zu treffenden Entscheidungen muss sich der Blick auch bereits auf die neue Legislaturperiode und eine neue Bundesregierung richten. Und auch wenn man bei der konkreten Ausgestaltung sicher andere Akzente setzen kann, muss die grundlegende energiepolitische Linie hier eine Fortsetzung der Ampel und der der vorherigen GroKo sein.
Das heißt: Das völkerrechtlich verbindlich eingegangene Pariser Klimaschutzabkommen als oberste Richtschnur, die Beibehaltung der (eigentlich sogar unzureichenden) deutschen Klimaziele als grundlegende Umsetzung dieser Verpflichtung und der weitere dynamische Ausbau Erneuerbarer Energien als wichtigstes Instrument zur Realisierung dieser Ziele. Schaden kann es dabei sicher nicht, wenn der Staat mit zusätzlichen Investitionen sowie der Streichung klimaschädlicher Investitionen unterstützt. Die Energiewende bedeutet eine grundlegende Modernisierung unserer Infrastruktur und erhebliche Zukunftschancen für unsere Wirtschaft – diese Gelegenheit sollte auch eine neue Bundesregierung mit voller Kraft ergreifen!