Regierungskrise: Ampel-Aus statt EnWG-Novelle
Eigentlich wollte das Bundeskabinett gestern neben anderen wichtigen Entscheidungen die EnWG-Novelle beschließen. Doch stattdessen kam der Ampel-Crash. Nicht nur für die Energiepolitik und die Energiewende eine denkbar kritische Entwicklung.
07.11.2024 – Weil Erneuerbarer Strom einen immer größeren Anteil im deutschen Strommarkt hat, sind bestehende Regeln zum Strommarkt oder zur Vergütung Erneuerbarer-Energie-Anlagen nicht mehr zeitgemäß– sie führen zu hohen Kosten oder zu Stromspitzen, die auf der technischen Ebene gemanagt werden müssen. Abhilfe können neue Regeln schaffen – zum Beispiel zur Vergütung bei negativen Strompreisen, zur Überbauung von Netzanschlüssen oder die Pflicht zur Direktvermarktung auch für kleinere PV-Anlagen. Diese und andere Änderungen sollten mit einer Novelle des EnWG (Energiewirtschaftsgesetz) vom Bundeskabinett am 6. November 2024 auf den Weg gebracht werden.
Doch die Regierungskoalition ist seit gestern Abend Geschichte. Statt bereits gefundene Kompromisse in konkrete Gesetze zu gießen, müssen nun neue Mehrheiten gefunden und neue Wege mühsam ausgehandelt werden.
Als Wirtschaftsminister Robert Habeck seinen Vorschlag zum sogenannten Deutschlandfonds vorstellte, der Investitionen in Deutschland anreizen sollte, kam umgehend Kritik vom inzwischen entlassenen FDP-Finanzminister Christian Lindner. Habeck hatte seine Vorschläge an Wirtschaftsverbände, Start-Ups, Handwerk, Industrie und Gewerkschaften zugesandt, verbunden mit einer Einladung zu einem vertieften Austausch Ende November.
Doch Lindner schmiedete ein eigenes Wirtschaftswende-Papier, in dem er eine grundlegende Revision politischer Leitentscheidungen anmahnt. Er wendet sich damit auch gegen im Koalitionsvertrag getroffene Vereinbarungen. Weil er Grundsätzliches in Frage stellt, in manchen Punkten gar eine Rolle rückwärts macht, hatte das Papier gehörige Sprengkraft.
Lindner formuliert darin auch energie- und klimapolitische Vorschläge. Unter anderem fordert er, dass Deutschland auf europäischer Ebene die Abschaffung der Regulierungen zur Energieeffizienz, Gebäudeenergieeffizienz und der Flottengrenzwerte durchsetzen solle. Klimapolitisch motivierte Dauersubventionen sollen abgeschafft und der Klima- und Transformationsfonds (KTF) aufgelöst werden. Staatlich festgelegte Ausbaupfade und Vergütungen sollten in den nächsten Jahren auf Null abgesenkt werden.
Nun droht ein fataler Stillstand, nicht nur in der Energiepolitik.
Inzwischen hat die CDU/CSU-Fraktion ihre Energie-Agenda für Deutschland vorgestellt. Es unterstellt der Ampel einen einseitigen Fokus auf Wind- und Solarstrom. Kein vorzeitiger Kohleausstieg, neue Gaskraftwerke und vollständiger Erhalt des Gasnetzes sowie die Forschung und Entwicklung von Kernkraftwerken werden als Eckpfeiler genannt.
Die von CDU/CSU geforderte realistische Energiebedarfsanalyse, die allen Planungen zugrunde gelegt werden soll, ist jedenfalls keine einfache Übung. Das haben die vergangenen Jahre gezeigt, in denen verschiedene Institute und Think Tanks Bedarfsszenarien berechnet haben – und dabei je nach zugrunde gelegten Annahmen weit auseinander lagen. Geplante HGÜ-Übertragungsnetze sollen nach dem Willen der CDU/CSU in der Regel als Freileitungen geplant werden (die Erdkabelplanung war eine Forderung vom damaligen CSU-Chef Horst Seehofer).
Positiv bewertet der BEE am CDU/CSU-Papier das klare Bekenntnis zur Klimaneutralität bis 2045 und zum Ausbau der Erneuerbaren Energien als Grundvoraussetzung für den Industriestandort. Auch die angesprochene Stärkung von Bioenergie, Geothermie und Wasserkraft sowie die Absicht, Stromsteuer und Netzentgelte weiter abzusenken, begrüßt der BEE.
Nicht nachvollziehbar sei allerding die geforderte Rücknahme des Heizungsgesetzes: „Schon die Debatte darüber schadet der Heizungsbranche massiv, da sie die gerade erst erreichte Planungssicherheit durch Gebäudeenergie- und Wärmeplanungsgesetz sowie entsprechende Förderprogramme zunichtemacht. Im Wärmebereich darf es keine Zweifel geben, dass die Grundzüge der Gesetzgebung und Förderung dieser Legislaturperiode bestehen bleiben werden. Alles andere führt zwangsläufig zu weiteren Investitionszurückhaltungen und damit zu erheblichen Verwerfungen in der erneuerbaren Wärmebranche.“
Für die Energiebranche bringen die jetzt geführten Debatten Unsicherheit, verursacht von FDP und Union. Dabei sind Verlässlichkeit und Planungssicherheit für Unternehmen ein hohes Gut, auf das gerade Union und FDP so oft verweisen. Das seit langem konsultierte Strommarktdesign und die EnWG-Novelle werden dringend gebraucht, um die letzten Meter der Energiewende zu schaffen und ein flexibles erneuerbares Stromsystem zu etablieren. pf