Offener Brief: Erneuter Vorstoß zur Stärkung des kommunalen Klimaschutzes
Kommunen müssen ihren Beitrag zu Deutschlands Klimazielen zu leisten. Doch dafür fehlt es ihnen an finanziellen Mitteln. Eine Änderung des Grundgesetzes könnte Abhilfe schaffen. Ein breites Bündnis tritt dafür an die Politik heran.
06.12.2024 – „Klimaschutz ins Grundgesetz“ – mit dieser Forderung traten letzte Woche über 700 und damit mehr als die Hälfte aller Klimaschutzmanager:innen in Deutschland in Form eines offenen Briefes an die Umweltminister:innen von Bund und Ländern heran. Die meist direkt bei den Kommunen Angestellten Manager:innen sollen Klimaschutzkonzepte und -projekte vor Ort voranbringen. Bei der Umweltministerkonferenz im rheinland-pfälzischen Bad Neuenahr-Ahrweiler übergab die Geschäftsführerin des Vereins BürgerBegehren Klimaschutz, Michaela Zimmermann, stellvertretend für die Klimaschutzmanager:innen und einem unterstützenden Bündnis an Organisationen, den offenen Brief an Bundesumweltministerin Steffi Lemke sowie die rheinland-pfälzische Umweltministerin Katrin Eder.
„Klimaschutzmanager:innen haben oft befristete Stellen und können nicht langfristig planen. Deswegen fordern wir Klimaschutz ins Grundgesetz“, so Zimmermann in dieser Woche bei einer Online-Veranstaltung, gemeinsam mit weiteren Expertinnen. Konkret geht es um eine Änderung des Grundgesetzes in Artikel 91a Abs. 1. Darin ist beschrieben, dass der Bund bei der Erfüllung bestimmter Aufgaben mitwirkt, „wenn diese Aufgaben für die Gesamtheit bedeutsam sind und die Mitwirkung des Bundes zur Verbesserung der Lebensverhältnisse erforderlich ist.“ Es sind die sogenannten „Gemeinschaftsaufgaben“. Darunter fallen bislang „Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur“ und „Verbesserung der Agrarstruktur und des Küstenschutzes“.
Nicht jedoch der Klimaschutz. Das führt dazu, dass Kommunen zwar ihren Beitrag zu Deutschlands Ziel der Treibhausgasneutralität 2045 leisten müssen, dabei aber nicht im Sinne einer Gemeinschaftsaufgabe ausreichend vom Bund unterstützt werden. Besonders problematisch: „Klimaschutz und Klimaanpassung zählen derzeit zu den freiwilligen Aufgaben der Kommunen und stehen daher bei Haushaltsverhandlungen häufig zur Disposition“, so die Verfasser:innen des offenen Briefes und weiter: „Wir machen unsere Arbeit aus Überzeugung und mit viel Leidenschaft. Daher bedauern wir es, dass uns oft Geld und Personal fehlt, um selbst Klimaschutzmaßnahmen, die eine hohe Akzeptanz genießen, umsetzen zu können.“
Kernforderungen des offenen Briefes sind:
- Grundgesetzänderung (Artikel 91a Abs. 1 GG): Klimaschutz und Klimaanpassung sollen zu Gemeinschaftsaufgaben erklärt werden, damit Bund und Länder Verantwortung für Rahmenplanung und Finanzierung übernehmen.
- Systematische, langfristige Planung: Die rechtliche und finanzielle Absicherung ermöglicht es Kommunen, Maßnahmen nachhaltig umzusetzen.
- Verlässliche Ressourcen: Kommunale Klimaschutzmanager*innen benötigen dauerhafte Stellen und ausreichende Mittel, um ihrer Arbeit nachzugehen.
Die renommierte Rechtsanwältin für Klima- und Umweltrecht Roda Verheyen von der Kanzlei Günther in Hamburg, hatte bereits Anfang letzten Jahres im Auftrag von Umweltorganisationen ein Rechtsgutachten verfasst, in dem sie feststellte, dass „im bestehenden System der Aufgabenteilung zwischen Bund, Ländern und Gemeinden sichere und verlässliche Finanzierungswege für Klimaschutz und -anpassung bisher keinesfalls sichergestellt“ seien. Verheyen verweist auch auf das geltende Finanzverfassungsrecht. Dort gelte im Grundsatz: alles, was die Kommunen tun müssen, dürfen nur die Länder finanzieren. Doch weder Länder noch Bund hätten ausreichend Geld zur Verfügung.
Dabei seien durch das Grundgesetz und das Bundes-Klimaschutzgesetz Kommunen bereits heute verpflichtet, ihren Beitrag zum Erreichen der Treibhausgasneutralität bis 2045 zu leisten – Beispiel Wärmewende. „Unser Gutachten hat ergeben, dass es sich anbietet, im Grundgesetz einen Art. 91a Abs. 1 Nr. 3 GG zu schaffen. Dadurch entstünde ein Kooperationsgebot zwischen Bund und Ländern und eine Mischfinanzierung der Aufgaben wäre rechtlich zulässig”, so Verheyen Anfang 2023.
Gudrun Heute-Blum, Bundesvorstandsmitglied der KlimaUnion e.V. und ehemalige Bürgermeisterin von Lörrach, sieht die Mischfinanzierung kritisch. Es müssten klare, auch finanzielle Zuständigkeiten geschaffen werden. Ihr Vorschlag bei dem Expertinnen-Gespräch diese Woche: „Ein Fonds in dem pro Einheit Geld eingesetzt wird. So haben die Kommunen ein festes Budget zur Verfügung.“ Es sei keine Bewilligungsbürokratie, wie aktuell, nötig. Es gelte den Kommunen Freiheiten zu lassen bei der Umsetzung, so Heute-Bluhm und verweist auf Österreich. Dort werde den Kommunen im gewissen Rahmen Gelder für Klimaschutz bereitgestellt, um einfach mal auszuprobieren.
Einig sind sich Heute-Bluhm und Verheyen darin, an der geltenden Auslegung der Schuldenbremse zu rütteln, um zusätzliche Mittel unter anderem für den kommunalen Klimaschutz freizumachen. „Wir haben einen Riesenbatzen an Kosten in den Kommunen und das Grundgesetz lässt uns aktuell keine ausreichende Möglichkeit, die zu bewältigen“, so Verheyen. Dies sei am Ende ein Riesenproblem für unsere Demokratie, weil der Staat so nicht funktionieren kann.
Ob gesetzliche Änderung der Schuldenbremse im Grundgesetz oder die Forderung nach einer Aufnahme von Klimaschutz als Gemeinschaftsaufgabe, im Bundestag bräuchte es dafür jeweils eine zwei Drittel Mehrheit. Auf die Gefahr einer Sperrminorität nach der Wahl am 23. Februar 2025 hin, rufen die Befürworter:innen der Gemeinschaftsaufgabe Klimaschutz dazu auf, eine Grundgesetzänderung so schnell wie möglich auf den Weg zu bringen. mg