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EU-Kommission will den Energiemarkt umkrempeln

Am Mittwoch stellten Maroš Šefčovič , Vizepräsident der EU-Kommission, und Energie- und Klimakommissar Miguel Arias Cañete das sogenannte Winterpaket mit dem Namen „Clean energy for all Europeans“ in Brüssel vor. (Foto: © European Union, 2016
Am Mittwoch stellten Maroš Šefčovič , Vizepräsident der EU-Kommission, und Energie- und Klimakommissar Miguel Arias Cañete das sogenannte Winterpaket mit dem Namen „Clean energy for all Europeans“ in Brüssel vor. (Foto: © European Union, 2016 / Source: EC - Audiovisual Service / Photo: Jennifer Jacquemart)

Mit dem sogenannten Winterpaket will die EU-Kommission den europäischen Energiemarkt umbauen und zusammenwachsen lassen, damit die Klimaziele erreicht werden. Kritiker warnen allerdings: So wird das nichts mit Klimaschutz und Energiewende.

02.12.2016 – Etwa 1.000 Seiten ist das sogenannte Winterpaket schwer, es umfasst zahlreiche Initiativen, Richtlinien und Vorschläge für den Umbau und die Vereinheitlichung der bisher nationalen Energiemärkte, die Energie-Union soll damit Wirklichkeit werden. Drei zentrale Themen sind der EU-Kommission dabei besonders wichtig: Energieeffizienz, Erneuerbare Energien und ein „fairer Deal für Verbraucher“, also bezahlbare Energiepreise. Bei dem Durcheinander an Maßnahmen und Themen ist es selbst für Experten manchmal schwierig, den Überblick zu behalten.

Ziel des Winterpakets soll die Erreichung der europäischen Klimaziele sein, im Mittelpunkt stehen für die Kommission die Effizienz und die dazugehörige Energieeffizienz-Richtlinie. Bis 2030 sollen verbindlich 30 Prozent Energie gegenüber 1990 eingespart werden, etwas mehr als die bislang versprochenen 27 Prozent, aber weit hinter den von Umweltverbänden wie BUND und WWF geforderten 40 Prozent. Erreicht werden soll dies vor allem durch eine bessere Gebäudedämmung, mehr Effizienz bei technischen Anlagen und technischen Geräten. Die erfolgreichste Maßnahme zum Energiesparen war bislang die Ökodesign-Richtlinie, jene Verordnung, die u.a. das Ende der Glühbirne herbeiführte.

Kommission lässt stärkstes Energiesparinstrument fallen

Mit der Richtlinie werden Herstellern von technischen Geräten Vorgaben für den maximalen Energieverbrauch gemacht. Für den einzelnen Verbraucher ist die eingesparte Energie zwar gering, in der Masse der gesamten EU ist die Richtlinie dagegen ein mächtiges Instrument zum Stromsparen. Deshalb fordern Umwelt- und Klimaschützer, die Ökodesign-Richtlinie ambitioniert weiterzutreiben und die im Arbeitsplan vorgesehenen 16 Produkte auch tatsächlich einzubeziehen. Auf der Agenda standen etwa Energievorgaben für Aufzüge, Toaster und Handys. Aus Angst vor zu viel Regulierung will die Kommission davon aber Abstand nehmen – trotz des gewaltigen Potenzials.

Dabei sind Ökodesign-Richtlinie und das Energielabel für die Hälfte der Energieeinsparungen der gesamten EU bis 2020 verantwortlich, rechnet Energieeffizienz-Expertin Caroline Gebauer vom BUND vor. Das sind ein Viertel der eingesparten Treibhausgasemissionen. Vor allem Verbraucher würden durch eingesparte Energiepreise von bis zu 450 Euro pro Monat profitieren. Dennoch sei die Kommission „auf dem besten Weg, ihrem stärksten Energiesparinstrument das Wasser abzugraben“, so Gebauer.

Falsche Grundausrichtung im Energiemarkt

Noch kontroverser geht es bei den Plänen der EU-Kommission zu Erneuerbaren Energien zu. „Wir sind ziemlich enttäuscht von dem, was geplant ist“, kommentiert WWF-Energieexpertin Kristin Reissig das Winterpaket. Die Grundausrichtung sei schlicht falsch. Denn obwohl der Anteil von Ökostrom bis 2030 auf 50 Prozent anwachsen soll, will die Kommission die Erneuerbaren dem alten Energiemarkt anpassen. Dabei wäre die Neuordnung des Energiemarkts vonnöten.

Das Gegenteil ist der Fall: Der Einspeisevorrang für Ökostrom soll weitgehend fallen, was Betreiber von Kohle- und Atomkraftwerken freuen dürfte. Durch Kapazitätsmechanismen werde zudem die Vormachtstellung konventioneller Energieträger zementiert, kritisiert WWF-Energieexperte Henrik Maatsch. In die „Technologieneutralität“ wie sie die EU-Kommission will, müssten alle Faktoren wie CO2-Grenzwerte und Flexibilitätsanforderungen einbezogen werden, fordert Maatsch. Mit dem Winterpaket würden neue Subventionen für Kohle- und Atomkraftwerke möglich, kritisiert auch der BUND, erst ab 2025 würde diesen für Kohlekraftwerke erschwert. Kernenergie gilt in Brüssel aber nach wie vor als saubere Energie.

„Unzureichend“, „hanebüchen“ und „undemokratisch“

Umweltverbände wie BUND, WWF und Greenpeace sind unzufrieden mit dem Maßnahmenbündel der EU-Kommission. Der BUND nennt das gesamte Energiepaket eine „Schutzgarantie für die alte Energiewirtschaft“, das ein „verlorenes Jahrzehnt für Energiewende“ bedeute. „Unzureichend“, „hanebüchen“ und „undemokratisch“ bezeichnen die Energieexperten das Winterpaket. Auch Greenpeace geht mit den Plänen hart ins Gericht: „Das Paket legt die deutsche Energiewende in Ketten und tritt das Pariser Klimaabkommen mit Füßen“, so Energieexperte Niklas Schinerl. „Wenn künftig ganze Windparks abgeklemmt werden, damit Kohlekraftwerke und Atommeiler an windigen Tagen durchlaufen können, dann bringt das Energiepaket Deutschland um die Früchte der Energiewende.“

Auch in Berlin ist man mit den Plänen der EU-Kommission nicht zufrieden. Wirtschafts- und Energieminister Sigmar Gabriel sieht mit Sorge, wie die Kommission in den nationalen Stromnetzbetrieb stärker eigreifen will. Die Zuständigkeit für den Betrieb der Stromnetze soll den Einzelstaaten weitgehend entzogen werden, was einen gewissen Kontrollverlust über eine bedeutende Stellschraube für die Energiewende bedeuten würde. Bei den deutschen Übertragungsnetzbetreibern, dem Wirtschaftsministerium und den zuständigen Bundesbehörden würde bereits Widerstand organisiert, hieß es in der vergangenen Woche. cw


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