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COP30








Gastbeitrag #5Fische können fliegen – und Erneuerbare Energien sind unsere Zukunft

Segel/ Bilder: Kathrin Henneberger
Fünfter Gastbeitrag über die Segelreise zur COP30 von Kathrin Henneberger (Bilder: Kathrin Henneberger).

Wir segeln an der Westküste Afrikas entlang nach Süden – auf Kurs zu den Kapverden – und passieren Gewässer, in denen neue Offshore-Gasförderungen geplant sind und Konzerne wie Shell nach Öl bohren wollen.

Fünfte Reisekolumne zur Weltklimakonferenz von Kathrin Henneberger.

04.11.2025 – Nichts scheint mir faszinierender als fliegende Fische. Das erste Mal sehe ich sie morgens im Sonnenaufgang, während ich an Deck dusche – indem ich mir einen Eimer Seewasser über den Kopf gieße. Zuerst halte ich sie tatsächlich für einen Schwarm kleiner Vögel, halte irritiert inne, sehe genauer hin. Der Schwarm taucht wieder in die Wellen und wenige Meter später fliegen sie erneut durch die Luft: glitzernd silberne Pfeile mit blau-metallisch leuchtenden, gespannten Flügeln. In den folgenden Tagen scheint das Meer voller von ihnen zu sein. Immer wieder springen sie links und rechts von uns in die Höhe, segeln über die Wellen und klatschen mit einem spritzenden Geräusch zurück ins Wasser.

Fische, die fliegen können – wenn die Natur so etwas schafft, können wir Menschen dann nicht auch schaffen, aus den Fossilen auszusteigen?

Wir sind vor der Küste Mauretaniens, weiter im Süden liegt der Senegal. Offshore – genau zwischen diesen beiden Ländern – wurden erst 2024 neue Gasvorkommen erschlossen. Die britische Firma BP bohrt hier in mehr als 2800 Metern Tiefe, fördert Gas und verschifft es als Liquefied Natural Gas (LNG) in alle Welt. Fischer an der Küste, die ohnehin schon existenziell von internationaler Überfischung betroffen sind, protestieren gegen die neue fossile Infrastruktur. Die für Bohrplattformen gesperrten Meeresgebiete dürfen sie nicht mehr nutzen, während sich der Fisch unter den Plattformen sammelt – so wie bei uns an einem Tag eine ganze Gruppe Thunfische im Schatten unseres Segelbootes spielte.

Shell – ein Konzern, der Tod und Zerstörung bringt

„Shell ist interessiert, vor unserer Küste neue Ölfelder zu erschließen.“ Dieser Satz des mauretanischen Wirtschaftsministers ließ mich erschauern – und für einen Moment entglitt mir mein freundlich-diplomatisches Pokerface.

Svenja Schulze, damals Entwicklungsministerin, hatte im August 2023 drei Abgeordnete auf ihre Dienstreise in die Sahelregion mitgenommen. So saß ich in einem klimatisierten Raum mit blitzendem Marmor, in schicker Kleidung, gerade aus dem Bereitschaftsflugzeug der Bundeswehr gestiegen, mitten im ersten Meeting. Als der Minister seine Bemerkung über Shells Pläne macht, wirft mir Svenja rasch einen Blick zu – ein stilles Bitte jetzt keine Grundsatzdiskussion, liebe Kathrin.

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 Bilder: Kathrin Henneberger
Gastbeitrag #3

It’s all about the climate money

Wie wollen wir auf dieser Erde leben? Achten wir in Zusammenarbeit aufeinander, oder pochen wir nur auf die eigenen Bedürfnisse? Bei Letzterem ist der Untergang vorprogrammiert - egal ob Weltgemeinschaft oder Mannschaft auf See.

Ich mache mir Notizen und plane im Kopf bereits die nächsten Gespräche mit zivilgesellschaftlichen Akteuren, die sich mit dem fossilen Extraktivismus europäischer Konzerne in afrikanischen Ländern beschäftigen. Die Information ist neu für mich – und, wie sich später herausstellt, auch für viele meiner Verbündeten.

Die Gewässer Mauretaniens gehören zu den biodiversitätsreichsten Fischregionen der Welt, da hier verschiedene Meeresströmungen aufeinandertreffen. Menschen an der Küste leben vom Fischfang, meist in kleinen Holzbooten. Wir besuchen gemeinsam mit Mitarbeiter*innen von GIZ und KfW den lokalen Markt am Strand. Es ist trubelig: Boote werden an Land gezogen, Fische verkauft. Ich staune über die Vielfalt – Thunfische, Seebarsche, Doraden, Makrelen, Adlerfische. Frauencollective leiten den Verkauf, während die Männer auf See fahren. Doch ein Großteil des Fangs wird in Fabriken zu Fischmehl verarbeitet und exportiert – etwa für Lachsfarmen in Norwegen –, während viele Menschen in Mauretanien selbst unter Ernährungsunsicherheit leiden.

Wir werden von Pressevertreter*innen und Regierungsmitgliedern umschwärmt. Ich halte mich etwas zurück und versuche, in bilateralen Gesprächen mehr über die Situation vor Ort zu erfahren. Man erzählt mir von einem Naturschutzgebiet im Norden, von geschützten Arten, die nicht gefangen werden dürfen, und von Schonzeiten, deren Einhaltung schwer zu kontrollieren ist.

Die Menschen hier sind direkt von ihrem Fischfang abhängig. Internationale Überfischung durch große Industrietrawler bedroht ihre Lebensgrundlage – ebenso wie die Klimakrise, die Meeresströme verändert und die Ozeane versauern lässt.

Erneuerbare Energien bringen Wohlstand, Sicherheit und Geschlechtergerechtigkeit

Und dann ist da noch Shell – der fossile Konzern aus den Niederlanden, dessen Ölproduktion im Niger-Delta in Nigeria für massive Umweltzerstörung berüchtigt ist. Nun will er vor der Küste Mauretaniens nach Öl bohren. Was wird passieren, wenn wieder Unfälle geschehen, wenn Öl austritt, wenn ganze Küstenregionen verseucht werden?

Die gelebte Alternative treffen wir wenig später in einer Berufsschule, die mit Mitteln der deutschen Entwicklungszusammenarbeit unterstützt wird. Eine Start-up-Gründerin stellt ihre Solarmodule vor. Sie sollen kaum elektrifizierte Dörfer mit Strom versorgen – und in Städten mehr Energieunabhängigkeit schaffen.

In der Sahelregion haben besonders ländliche Gebiete kaum Zugang zu Elektrizität. Gleichzeitig eskaliert die Klimakrise, zwingt Menschen, ihre Dörfer zu verlassen, verschärft Landnutzungskonflikte zwischen Viehhalterinnen und Landwirtinnen und erhöht die Gewalt gegen Frauen und Mädchen. Der Aufbau einer dezentralen, erneuerbaren Energieversorgung ist hier der Schlüssel zu Sicherheit, Wohlstand, Resilienz – und Geschlechtergerechtigkeit.

Zugang zu Strom bedeutet Zugang zu Bildung, zu Gesundheitsversorgung, zu Infrastruktur. Er eröffnet Frauen Möglichkeiten, eigenes Einkommen zu erzielen, Betriebe zu gründen und sich politisch zu engagieren. Wenn die Energieversorgung von Anfang an in der Hand der Menschen vor Ort liegt – etwa durch grüne Energiegenossenschaften – entstehen lokale Arbeitsplätze und Unabhängigkeit.

Mit dem Aufbau von Ausbildungsstrukturen und globaler Wissenskooperation – gemeinsamer Forschung und Entwicklung, angepasst an lokale Bedingungen – wird viel getan für eine klimagerechte Weltgemeinschaft. Geschlechtergerechte Ansätze, die weibliches Wissen einbeziehen und Ausbildungsmöglichkeiten für Frauen schaffen, sind zentral: Sie ermöglichen eine gute Infrastruktur für alle – und Unabhängigkeit für Frauen.

Diese Form internationaler Zusammenarbeit steht im krassen Gegensatz zur fossilen Expansion globaler Konzerne, die Umwelt zerstören, Menschen vertreiben und Wohlstand nur für wenige schaffen.

Zivilgesellschaftliche Gruppen wie Don’t Gas Africa fordern mehr Investitionen in eine gerechte Transformation. Aktivist*innen aus verschiedenen Ländern schließen sich zusammen, um gegen neue fossile Projekte zu kämpfen und Alternativen einzufordern. Sie versuchen, auf den Weltklimakonferenzen Druck auf die Verhandlungen auszuüben – gegen die geballte Macht der fossilen Lobby und die fortgesetzte koloniale Ausbeutung ihrer Regionen.

Während ich auf Dienstreisen in Nigeria, Burkina Faso, Benin oder im Kongo war, habe ich versucht, so viele dieser Gruppen wie möglich zu treffen. Ihre Perspektiven sind mir wichtiger als die der fossilen Lobbyisten in Berlin – oder auf der COP.

Sheet out – lasst die Segel mehr Wind fangen

Jetzt bin ich wieder unterwegs – aber diesmal nicht im Flugzeug der Flugbereitschaft, nicht in gepanzerten Autos, nicht beschattet von BKA-Personenschutz. Nicht in schicker Kleidung. Tag für Tag werden die Flecken auf meiner Arbeitskleidung mehr, meine Hände tragen die Spuren der Seile, meine Haare sind zerzaust vom Wind und Salzwasser, meine Haut so braun gebrannt, als hätte ich nie ein Büro von innen gesehen.

Ich segle entlang der westafrikanischen Küste – in der Hoffnung, viele Menschen der Zivilgesellschaft und Verbündete in Regierungen und Parlamenten bei der kommenden Weltklimakonferenz in Brasilien wiederzutreffen.

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Kathrin Henneberger
Gastbeitrag #4

Wenn die Flaute kommt – die Welt aber nicht wartet

Während die Treibhausgase neue Rekorde erreichen und die Biodiversitätskrise unsere Lebensgrundlagen bedroht, treiben wir zwischen Westsahara und Teneriffa – wartend auf Wind und begegnen dabei vorbeiziehenden Kreuzfahrtriesen.

Die Flaute, die uns tagelang festgesetzt hatte, ist vorbei. Der Mond geht neu auf – eine schmale Sichel am Horizont. Ich stehe am Steuer und habe das Gefühl, über dem Wasser zu schweben, wenn die Wellen uns anheben und der Wind in unsere Segel bläst. In einiger Entfernung springt ein Wal aus dem Wasser, jagt – und lässt uns desinteressiert zurück.

Wir wechseln die Ausrichtung der Segel. „Sheet in!“ bedeutet, dass seitlich ausgerichtete Segel wieder in die Mitte zu ziehen. Je nach Wind braucht es dafür die Kraft mehrerer Menschen – und die Fähigkeit, sich schnell zu ducken, wenn der Baum sich unkontrolliert bewegt. „Sheet out!“ ist der Ruf, wenn das Segel wieder zur anderen Seite über das Wasser geschwenkt wird. Oft müssen sich mehrere mit ihrem ganzen Körpergewicht ins Seil hängen, um es Stück für Stück zu bewegen. „Two!“ – wir ziehen seitwärts, um das Seil zu lockern. „Six!“ – mit aller Kraft ziehen wir es nach unten. „Make fast!“ – wir halten das Seil stabil, bis es gesichert ist. Kurzes Luftholen – und weiter zur nächsten Aufgabe. Keine Zeit zu verlieren: Wir haben noch Verspätung und müssen jeden Windstoß nutzen.

So erreichen wir die Insel Sal – eine der Kapverden. Hier wird Fracht entladen: Salz, das ironischerweise aus Deutschland stammt, obwohl es auf der Insel selbst gewonnen wird. Eine Absurdität globaler Wirtschaft. Wir Klimaaktivist*innen auf dem Schiff machen uns bereit für die letzte Etappe. Kurs Südwest – über den Atlantik, auf gerader Linie zur nächsten Weltklimakonferenz.

Kathrin Henneberger ist Klimaaktivistin und war unter anderem Pressesprecherin von Ende Gelände. Für Bündnis 90/die Grünen saß sie von 2021 bis 2025 im Bundestag. Dies ist die fünfte Kolumne einer Reihe auf dem Weg zur Weltklimakonferenz nach Belém.

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