Frau Badum, Deutschland ist auf der COP Teil der sogenannten High Ambition Coalition, die hinter dem Finanzierungsziel von rund 1,3 Billion US-Dollar jährlich zur Unterstützung einkommensschwacher Länder in der Klimakrise steht. Wie aber kann Deutschland ohne funktionierende Regierung als vertrauenswürdiger Partner auftreten?
Wir erleben in Gesprächen hier auf der COP nicht, dass Vertreter anderer Länder beunruhigt sind. Dass wir vor Neuwahlen stehen, ist für die kein großes Thema. Unsere Positionen zur Klimafinanzierung und weiterer Themen sind innerhalb der bisherigen Regierungskoalition abgestimmt. Daher sind wir auf der COP handlungsfähig.
Aber schon die bisherigen Verhandlungen zum Haushalt waren insbesondere bezüglich der Unterstützung einkommensschwacher Länder schwierig. Das droht unter einer neuen Bundesregierung nicht einfacher zu werden.
Ja, das macht mir Sorgen. Ich erinnere mich an die Bauernproteste Anfang des Jahres, wo auch von Seiten der CSU Radwege in Peru gegen die Unterstützung der Bauern ausgespielt wurden. Dabei sind diese und andere Hilfen auch Verdienste des ehemaligen CSU-Entwicklungsministers Gerd Müller. Die Union heute aber stellt sich mit populistischen Forderungen gegen Klima- und Umweltschutz, auch in Ländern des Globalen Südens. Für uns ist es daher wichtig im Wahlkampf zu zeigen: Wir als Grüne stehen für eine andere Politik, dass wir als Exporthandelsnation und als Nation, die nicht allein die Klimakrise regeln kann, auf vertrauensvolle Beziehungen mit anderen angewiesen sind. Das schließt eine ausreichende Klimafinanzierung und Entwicklungsfinanzierung ein.
Gemeinsam mit 130 Abgeordneten aus aller Welt haben sie Anfang der Woche einen Brief veröffentlicht, der ein sofortiges Moratorium für LNG-Infrastruktur weltweit fordert. Was steckt dahinter?
Dieser Apell ist schon die zweite Runde. Erstmals haben wir die Forderung auf der letzten COP in Dubai veröffentlicht. Initiatoren sind der US-demokratische Senator Ed Markey, die kanadische Senatorin Rosa Galvez und ich. Wir laufen auf massive Überkapazitäten weltweit hinaus, insbesondere an Export-Infrastrukturen für Flüssigerdgas in Nordamerika und Import-Infrastrukturen in Europa. Ich war im März dieses Jahres in den USA und habe dort auch mit Vertretern der republikanischen Partei geredet. Für die ist das mittels der Fracking-Methode geförderte Erdgas sauber und grün. Sie meinen, damit könnten sie die Welt retten.
Bei der Fracking-Methode aber wird mit giftigen Stoffen durchsetztes Wasser in die Erde gepresst. Zudem entweicht bei der Förderung und dem Transport des Gases klimaschädliches Methan und die Verflüssigung ist sehr energieintensiv.
Ich habe darauf hingewiesen, dass Fracking und Gas hier in Deutschland auch viele Gegner haben. Ihre Erwiderung: Dann verkaufen wir das Gas eben in asiatische Länder. Die Öl- und Gas-Lobby versucht, wo sie kann, ihr Businessmodel aufrechtzuerhalten und bei Bedarf zu spalten – auch hier auf der COP. Mit dem offenen Brief, auch von Abgeordneten aus asiatischen Ländern und der ganzen Welt, wollen wir aber zeigen, dass wir uns nicht auseinanderdividieren lassen. Wir stellen uns gemeinsam gegen die Gaslobby und deren Infrastrukturen.
In Deutschland aber unterstützt auch das grün geführte Wirtschaftsministerium den Aufbau von LNG-Terminals. Besteht also ein Konflikt innerhalb von Bündnis 90/Die Grünen?
In der Energiekrise mussten wir Ad Hoc 50 Prozent der Gaslieferungen ersetzen. Das haben wir mit schwimmenden LNG-Terminals und Gaslieferungen aus europäischen Nachbarländern erreicht. Dem Aufbau dieser Infrastrukturen habe auch ich damals zugestimmt. Inzwischen befinden wir uns aber nicht mehr in einer Energiekrise. Die Gasspeicher sind voll, unser Gaskonsum gesunken. Auch Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck hat dies kürzlich bestätigt. Wir sind in dieser Hinsicht voll auf einer Linie. Es war und ist vor allem das Kanzleramt, dass weiterhin für die Überkapazitäten eintritt, von der wir uns distanzieren. Viele bestehende LNG-Terminals in ganz Europa sind bei weitem nicht ausgelastet. Ein weiterer Grund vom Bau zusätzlicher Terminals in Deutschland abzusehen.
Für ambitioniertere Klimaziele einzelner Staaten müssen diese eine Abkehr von fossilen Energien vollziehen. Wie bewerten Sie die bisherigen Ankündigungen auf der COP?
Einzig Großbritannien sticht hier positiv hervor, mit dem Versprechen ihre Emissionen bereits bis 2035 um 81 Prozent gegenüber 1990 zu verringern. Die Kohleverstromung hat Großbritannien kürzlich bereits beendet. Nun muss es auch bei Öl und Gas nachlegen und nicht auf CCS-Technologien setzen. Als Land positiv hervorheben will ich auch Australien, die inzwischen eine treibende Kraft bei den Verhandlungen über ein neues Globales Ziel für die Klimafinanzierung sind.
Wie sehen Sie den aktuellen Stand der Verhandlungen zur neuen Klimafinanzierung?
Die Verhandlungen gestalten sich schwierig. Hinter der grundsätzlichen Einigung, dass künftig rund 1,3 Billionen US-Dollar jährlich für Klimaschutz, Klimaanpassung und für Schäden und Verluste infolge der Klimakrise in einkommensschwachen Ländern nötig sind, stehen noch viele Klammern. Wer wie viel dafür zahlt und wie eventuell neue Geldquellen erschlossen werden können, steht noch in den Sternen.
Immerhin gab es jetzt vom G20-Gipfel in Brasilien die positive Verlautbarung, man wolle sich gemeinsam für eine wirksame Besteuerung Superreicher einsetzen. Etwa indem Mechanismen zur Bekämpfung von Steuervermeidung entwickelt werden. Es gibt Forderungen, deren stärkere Besteuerung für die Klimafinanzierung einzusetzen.
Ich finde die Diskussion, die von Brasilien ausgeht, geht in die richtige Richtung. Dass es aber die Verhandlungen hier in Aserbaidschan positiv beeinflusst, sehe ich noch nicht. Grundsätzlich aber sehe auch ich viele Möglichkeiten, neue Geldquellen für die Klimafinanzierung zu erschließen. Wir als Grüne werden im Wahlkampf für eine Übergewinnsteuer für Öl- und Gaskonzerne einstehen. Fossile Profiteure sollen und müssen sich am Klimaschutz und damit am Allgemeinwohl beteiligen.
Beim G20-Gipfel treffen sich die Staats- und Regierungschefs, während auf der Klimakonferenz in Baku viele wichtige Entscheidungsträger abwesend bleiben. Wie wichtig ist die COP überhaupt noch?
Erst einmal hat die diesjährige Abwesenheit vieler Entscheidungsträger auch mit den besonderen politischen Begebenheiten in den Heimatländern zu tun. US-Präsident Joe Biden ist abgewählt. Olaf Scholz steht mitten in einer Regierungskrise. Auch hat das Gastgeberland Aserbaidschan einige verprellt. Trotzdem ist es weiterhin einer der wenigen international funktionierenden Foren, wo auch noch Beschlüsse gefasst werden. Die Zusammenkünfte wichtiger Entscheidungsträger für die globale Klimapolitik, sowie Nichtregierungsorganisationen sind und werden wichtig bleiben. Ich bin mir sicher, dass es im nächsten Jahr auf der COP30 in Brasilien auch wieder eine höhere Präsenz von Staatschefs geben wird.
Haben Sie noch Hoffnung für einen positiven Abschluss der diesjährigen COP?
Auch wenn die Verhandlungen aktuell stocken, ich habe schon oft erlebt, dass in den letzten Tagen, in später Nacht noch Durchbrüche erzielt wurden. Ein Erfolg wäre es schon, wenn man sich auf einen grundsätzlichen Fahrplan für die künftige Klimafinanzierung einigen würde. Um welche Summen es dann genau geht, wird sich zeigen. Aus Deutschland gibt es immerhin schon neue finanzielle Zusagen zu verschiedenen Fonds und Initiativen, wie die 220 Millionen Euro für die Transformation der Industrie im Globalen Süden, die ebenso aus dem Bundeshaushalt kommen sollen, wie die 60 Millionen für den sogenannten Adaption Fund. Für die deutsche Verhandlungsdelegation ist es auch wichtig zu betonen, so hören wir, dass neue Finanzierungswege nicht dazu führen sollen, staatliche Verpflichtungen runterzufahren.
Das Interview führte Manuel Grisard