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Fridays for FutureGenerationen in der Klimakrise

Fridays for Future-Aktivistin Annika Rittmann und Mitbegründer des EEG Hans-Josef Fell
Fridays for Future-Aktivistin Annika Rittmann und Mitbegründer des EEG Hans-Josef Fell (Fotos: Jan-Marius Komorek (links) und privat)

Das Thema der Generationengerechtigkeit polarisiert. Vor allem in Zeiten der Klimakrise. Viele junge Menschen fühlen sich von der älteren Generation im Stich gelassen, ihnen geht Deutschlands Engagement beim Klimaschutz nicht weit genug. Doch was entgegnet die ältere Generation?

23.11.2020 – Die Forderung junger Fridays for Future-Aktivistinnen und -Aktivisten: Zukünftige Generationen müssen bei politischen Entscheidungen mehr berücksichtigt werden. Und wie sieht das die ältere Generation? Im Interview mit der energiezukunft geben Annika Rittmann und Hans-Josef Fell Antworten.

Hans-Josef Fell, Mitbegründer des EEG

Welche Rolle spielt das Thema Generationengerechtigkeit beim Kampf gegen die Klimakrise?

Es ist das alles entscheidende Thema. Viele junge Leute wissen, dass sie in eine Zukunft hineinschlittern, die ihnen die Lebensgrundlagen raubt. Ältere Leute sind dagegen häufig auf ihren Lebensabend fixiert, den sie in Wohlstand und mit ihrem alten Verhalten beenden wollen. Und leider sitzen sie in den politischen Entscheidungsgremien, Medien, Unternehmen oder Verbänden. Das ist ein aktiver und richtig schlimmer Generationenkonflikt.

Erhält Ihre Generation von jungen Menschen Respekt für den Erfolg der Energiewende?

Ja, sehr viel. Die Entwicklung der Erneuerbaren macht jungen Menschen bei ihren Forderungen Hoffnung, das EEG hat den Durchbruch in die Welt geschafft. Dafür gibt es schon viel Anerkennung. Ich finde es generell wichtig, dass junge Leute mit den Pionieren von damals sprechen und über die Fallstricke Bescheid wissen. Sonst laufen sie Gefahr, die gleichen Fehler noch einmal zu machen.

„In den letzten 20 Jahren ist beim Klimaschutz nichts passiert“ – was halten Sie von dieser Aussage?

Die Aussage ist richtig – und auch falsch. Bei dem Ziel der Emissionssenkung ist tatsächlich nichts passiert, die Erde steuert jedes Jahr auf neue CO2-Rekorde zu. Wenn man die Messlatte für den Erfolg beim Klimaschutz allerdings anders anlegt und die vielen Schritte beurteilt, die die Menschheit überhaupt erst zum Klimaschutz befähigt, dann hat sich sehr viel bewegt. Wer hätte vor 20 Jahren schon geglaubt, dass wir 2020 bereits 50 Prozent Ökostrom haben werden? Oder dass die Solarenergie die billigste Energieform wird?

Ist die junge Generation bereit für einen Systemwechsel?

Ich denke schon. Für immer mehr Jugendliche spielen Themen wie Umwelt- und Klimaschutz eine große Rolle. Das zeigt neben der stetig wachsenden veganen Bewegung auch das zunehmende Vermeiden von Plastik. Außerdem wird Ökostrom immer wichtiger und junge Menschen entscheiden sich bewusst fürs Fahrrad statt für einen Verbrenner.

Wie kann der Einfluss jüngerer Menschen auf die Demokratie gestärkt werden?

Um mehr Einfluss auf die Demokratie zu nehmen ist Protestieren ein erster und wichtiger Schritt. Die Jugendlichen müssen aber auch ihr eigenes Verhalten überdenken und ändern. Dadurch erkennen sie die Schwierigkeiten, die einem als Klimaschützer in den Weg gelegt werden: Das gesamte ökonomische und regulative Umfeld ist gegen den Klimaschutz gerichtet. Daraus folgt die Erkenntnis, dass sich etwas ändern muss und sie selbst politisch aktiv werden. Es ist wichtig, dass diese Schritte aufeinander aufbauen. Das reine politische Fordern wird nicht gelingen.

Was geben Sie der jüngeren Generation mit auf den Weg?

Junge Generation, seid mutig, macht Protest, legt die Finger in die Wunden und macht euer eigenes Lebensumfeld sauber. Vergesst aber nicht, dass es vor euch in der Gesellschaft schon viele gab, die das Gleiche erreichen wollten. Tretet mit den Älteren in Kontakt und holt euch Erfahrungen ein, warum es nicht gelungen ist.

Was haben Sie mit 17 Jahren gemacht?

Ich will mal lieber mit 18 Jahren anfangen, denn da wurde bei mir die Saat gelegt. In meinem Abiturjahrgang haben wir die aufkommende Umweltbewegung diskutiert. Seitdem war ich davon vollständig erfasst. In meinen ersten Studienjahren habe ich gelernt, dass die Sonne jedes Jahr 20.000-mal Mehr Energie auf die Erde strahlt, als weltweit verbraucht wird. So war mir schon während der ersten Ölpreiskrise im Jahr 1973 klar, dass 100 Prozent Erneuerbare Energien die Lösung für die Welt sind.


 

Annika Rittmann, Fridays for Future-Aktivistin

Welche Rolle spielt das Thema Generationengerechtigkeit beim Kampf gegen die Klimakrise?

Viele begreifen die Klimakrise nicht als eine Gerechtigkeitsfrage zwischen den Generationen. Obwohl wir seit Jahrzehnten über den Klimawandel Bescheid wissen, haben die letzten Generationen nicht entschieden genug gehandelt. Auch jetzt, wo riesige Konjunkturpakete geschnürt werden, bleibt der Kampf gegen den Klimawandel auf der Strecke. Stattdessen werden völlig absurde und rückwärtsgewandte Diskussionen wie um die Abwrackprämie geführt. Meine Generation trägt dann nicht nur die Konsequenzen des Klimawandels, sondern muss sich in Zukunft auch mit einer rückwärtsgewandten Wirtschaft herumschlagen.

Fühlen Sie sich von der älteren Generation im Stich gelassen?

Am Anfang unserer Proteste wurden wir gar nicht ernst genommen, da waren wir nur Schule schwänzende Kinder. Damit hat man uns vor allem in der Politik bewusst degradiert. Inzwischen ist das anders, wir fühlen uns von der älteren Generation wahrgenommen und auch respektiert. Immer mehr ältere Menschen unterstützen uns, wie das Engagement von ver.di oder den Parents- und Scientists for Future zeigt.

Wie sieht Ihr konkretes Engagement für einen Wandel bei der Klimapolitik aus?

Abgesehen davon, dass wir Demonstrieren gehen, was in den letzten Jahren ja schon viel bewegt hat, suchen wir immer mehr auch den direkten Diskurs mit Politikerinnen und Politikern. Dadurch können wir unsere Positionen vortragen und mit konkreten Forderungen untermauern. Andere von uns gehen jetzt selbst in die Parlamente, sie fühlen sich durch die heutige Politik im Bundestag nicht repräsentiert. Für mich bleibt es aber weiter wichtig, den Protest auf die Straße zu bringen. In der Politik sind oft Kompromisse notwendig, die wir uns bei der Klimakrise schon lange nicht mehr leisten können.

Die ältere Generation hat die Energiewende ins Rollen gebracht. Erkennen junge Menschen das noch an?

Ja klar, in den letzten 20 Jahren ist einiges passiert. Es ist aber zugleich auch viel zu viel nicht passiert. Nicht ohne Grund steigen die CO2-Emissionen Jahr für Jahr an, das EEG hat nicht genug bewirkt. So gibt es immer noch zu viele Hürden für den Ausbau der Erneuerbaren. Es versteht schließlich niemand, warum man selbst erzeugten Solarstrom immer noch versteuern muss. Ich zahle ja auch nicht für Tomaten, die in meinem Garten wachsen. Das ist doch absurd.

Ist die junge Generation selbst bereit für einen Systemwechsel?

Auf jeden Fall. Wir haben verstanden, dass sich etwas grundlegend ändern muss. Junge Leute sprechen viel mehr über die Klimakrise, setzen sich aktiv damit auseinander und hinterfragen ihr eigenes Verhalten. Natürlich hat das nicht dazu geführt, dass keiner mehr Auto fährt oder in ein Flugzeug steigt. Aber es wurde ein größeres Bewusstsein geschaffen. Ein umfassender Systemwechsel muss trotzdem von der Politik angestoßen werden, ohne Maßnahmen und Gesetze wird es nicht gehen. Dinge müssen ihren wahren Preis bekommen – Umweltschäden eingeschlossen.

Wenn Sie in 30 Jahren von der jungen Generation gefragt werden, was Sie damals für den Klimaschutz getan haben – was antworten Sie?

Dass ich die größte Chance, die wir beim Kampf gegen die Klimakrise hatten, genutzt habe. Dass ich für den Klimaschutz auf die Straße gegangen bin und meine zukünftige Lebensgrundlage politisch eingefordert habe. Natürlich kann ich am Ende auch erzählen, dass ich nur noch nachhaltige Produkte gekauft habe und mich vegan ernährt habe. Das ist schön und gut, wird aber nicht den großen Wandel bringen.

Was erwarten Sie von der älteren Generation?

Unterstützung bei unseren Protesten und Forderungen. Dann können wir gemeinsam der Politik zeigen, dass es sich bei der Klimakrise um ein generationenübergreifendes Problem handelt. Ich finde es außerdem wichtig, dass wir immer miteinander reden. Dadurch können wir viele Menschen aufklären, die das Thema noch nicht so auf dem Zettel haben. Und das kann auch die ältere Generation super leisten: miteinander sprechen, das Thema einbringen.

Die Interviews führte Joschua Katz.


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Kommentare

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A Khammas 29.11.2020, 18:22:30

Die heutigen Jugendlichen machen leider den selben Fahler wie wir selbst als Jugendliche: keinesfalls auf jemanden hören, der älter ist als wir. Wie dumm ist es aber, diese Dummheit in jeder Generation zu wiederholen - und deshalb fast immer wieder von Neuem bei A anufangen zu müssen.

 

Um den Kids wenigstens etwas zu ersparen, nämlich die unglaublich zeitaufwendige (und daher on ihnen sträflichst ignorierte) Recherche der Technologiegeschichte im Bereich der Erneuerbaren Energie, da diese die einzige Alternative gegenüber den fossilen und nuklearen Systemen darstellt, habe ich das Ergebnis von 40 Jahren Arbeit in Form einer Chronologie online gestellt - man sehe sich hier das Inhaltsverzeichnis an, um einen Eindruck von Aufbau, Inhalt und Tiefe des gebotenen Materials zu erkennen: https://www.buch-der-synergie.de/c_neu_html/inhalt_c.htm


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