Slapp-Urteil gegen NGOGreenpeace soll Millionen-Schadenersatz an Ölkonzern leisten

Demonstranten gegen die Dakota Access Pipeline und die Keystone XL Pipeline halten ein Sit-in auf der Straße neben dem San Francisco Federal Building ab.
Urteil im Rechtsstreit Energy Transfer gegen Greenpeace: Greenpeace soll dreistelligen Millionenbetrag Schadenersatz an Ölkonzern leisten (Bild: Pax Ahimsa Gethen / CC BY-SA 4.0 / via Wikimedia Commons).

Ein Gericht im US-Bundesstaat North Dakota hat Greenpeace zu 660 Millionen Dollar Schadenersatz verurteilt. Das Slapp-Urteil könnte verheerend sein – für Greenpeace, die Redefreiheit und den friedlichen Protest. Greenpeace will in Revision zu gehen.

24.03.2025 – Der US-amerikanische Ölkonzern Energy Transfer (ET) war mit seiner Slapp-Klage gegen die Umweltschutzorganisation Greenpeace vorerst erfolgreich. Der Ölkonzern wirft Greenpeace grob gesagt vor, Großproteste gegen die North Dakota Access Pipeline organisiert zu haben. Ein Gericht im US-Bundesstaat North Dakota hat Greenpeace nach einem dreiwöchigen Prozess zu 660 Millionen Dollar – mehr als 605 Millionen Euro – Schadenersatz verurteilt.

Zivilgesellschaft zum Schweigen bringen

Klage und Urteil richten sich nicht nur gegen Greenpeace USA, sondern auch Gegen Greenpeace International (GPI) und den Greenpeace Fund. Greenpeace bezeichnet den Rechtsstreit als Slapp-Verfahren (Strategic Lawsuit against Public Participation), in dem es um das Recht auf freie Meinungsäußerung geht. In dem Urteil sieht Greenpeace den systematischen Versuch, die Zivilgesellschaft zum Schweigen zu bringen.

“Die Entscheidung in den USA zeigt, dass es offensichtlich nicht um die Sache, sondern darum geht, freie Meinungsäußerung zu unterbinden. Kritische zivilgesellschaftliche Stimmen sollen so auch mittels Gerichtsprozessen zum Schweigen gebracht werden“, sagt Baro Vicenta Ra Gabbert, Juristin und Vorstandssprecherin sozial-ökologische Gerechtigkeit von Greenpeace Deutschland. Die Ländersektionen von Greenpeace sind unabhängig und entsprechende Spendengelder nicht betroffen.

Slapped not silenced

Greenpeace USA und GPI haben angekündigt, in Revision zu gehen. In der EU gibt es seit dem vergangenen Jahr eine sogenannte Anti-Slapp-Richtlinie, die ebensolche Verfahren verhindern und zivilgesellschaftliche Organisationen schützen soll. Nun könnte sie erstmals angewendet werden. GPI hatte im Februar in Amsterdam außerdem eine Gegenklage gegen ET eingereicht, die eine Rückerstattung der im Laufe des US-Verfahrens entstandenen Kosten anstrebt. ET hat sich noch nicht zu der Klage geäußert. Der Konzern hat noch bis zum 2. Juli 2025 Zeit, um Stellung zu nehmen. Mit Greenpeace Kampagne #WeWillNotBeSilenced haben sich bereits NGOs wie urgewald solidarisch erklärt.

„Statt sich mit der überfälligen Transformation der eigenen umweltschädlichen Geschäfte auseinanderzusetzen, will hier ein Ölkonzern seine Kritiker mit aller Macht zum Schweigen bringen. Wir stehen fest an der Seite von Greenpeace USA. Die Antwort auf Einschüchterung heißt geballte, weltweite Solidarität“, kommentiert Regine Richter, Energie Campaignerin bei urgewald. „Für Geldgeber wie die Deutsche Bank muss dieses Verhalten ein Weckruf sein. Klienten, die ohne Rücksicht auf Verluste gegen Kritiker vorgehen, disqualifizieren sich für Banken, denen demokratische Werte am Herzen liegen.“

Standing Rock und der Protest gegen die Dakota Access Pipeline

Greenpeace USA hatte sich 2016 mit Protesten von lokalen Gruppen gegen eine Ölpipeline von ET solidarisch erklärt. Die Proteste gingen von Native American Tribes der Sioux Nation aus, durch deren Land die Pipeline gebaut werden sollte, und inzwischen gebaut wurde. Der ursprüngliche Verlauf der Pipeline sollte nicht durch Native American Lands führen. Nachdem Bürger in vornehmlich kaukasischen Gebieten Sorgen um ihre Wasserversorgung anmeldeten, wurde der Verlauf geändert. Neben der Gefahr für die Wasserversorgung richteten sich die Proteste auch gegen die hohen Treibhausgasemissionen des transportierten Öls.

Die Pipeline war lange umkämpft. Bilder der Proteste der Sioux und solidarischer Gruppen im Standing Rock Reservat gingen um die Welt. Auch in vielen anderen US-amerikanischen Städten gab es Demonstrationen. Präsident Obama stoppte den Bau zeitweise, doch Trump gab nach seinem erstem Wahlsieg 2016 grünes Licht. Eine erste Klage von ET gegen Greenpeace auf der selben Grundlage scheiterte, doch ET zog weiter zu einem anderen Gericht. Die Pipeline wurde zwischenzeitlich gebaut und in Betrieb genommen. Die betroffenen Stämme der Sioux Nation protestieren noch immer gegen die Pipeline, die ihre Wasserversorgung gefährdet.   

"Wir sind Zeugen einer katastrophalen Rückkehr zu dem rücksichtslosen Verhalten, das die Klimakrise angeheizt und die Gewinne aus fossilen Brennstoffen über die öffentliche Gesundheit und einen lebenswerten Planeten gestellt hat“, sagte Mads Christensen, Geschäftsführer von Greenpeace International. „Die vorherige Trump-Administration hat vier Jahre damit verbracht, Schutzmaßnahmen für saubere Luft, Wasser und die Souveränität indigener Gemeinschaften abzubauen, und will nun zusammen mit ihren Verbündeten die Arbeit beenden, indem sie den Protest zum Schweigen bringt. Wir werden nicht klein beigeben. Wir lassen uns nicht zum Schweigen bringen.“ jb

Kommentare

Martin Voelker am 25.03.2025

Ein verwandter juristischer Winkelzug in den USA ist das 'judge/court shopping' wo eine Klage bei bekanntermassen rechtslastigen Richtern eingereicht wird, wie neulich U.S. Judge Matthew Kacsmaryk (Northern District of Texas) der eine dubiose Klage gegen die Zulassung eines Abtreibungsmedikaments zuliess und entschied. Ich frage mich ob 'court shopping' hier auch eine Rolle spielte.

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