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Bild: Coco Villosa

Nachgefragt 05.05.2025

„Wir schaffen es nicht die Demokratie zu verteidigen, indem wir den Status Quo erhalten“

Unmut über die wirtschaftliche Entwicklung und Anti-Klimaschutzstimmung sind in einigen ostdeutschen Regionen besonders hoch. Warum das so ist und wie dem entgegengewirkt werden kann, Jakob Springfeld hat Antworten.

Jakob Springfeld, Klima- und Demokratieaktivist und Buchautor


Nachgefragt 05.05.2025

„Wir schaffen es nicht die Demokratie zu verteidigen, indem wir den Status Quo erhalten“

Unmut über die wirtschaftliche Entwicklung und Anti-Klimaschutzstimmung sind in einigen ostdeutschen Regionen besonders hoch. Warum das so ist und wie dem entgegengewirkt werden kann, Jakob Springfeld hat Antworten.

Bild: Coco Villosa

Jakob Springfeld, Klima- und Demokratieaktivist und Buchautor



Herr Springfeld, ob Europawahl, Landtagswahlen oder Bundestagswahl, in den Ostdeutschen Bundesländern hatten vielerorts Parteien, die sich stärker für Klimaschutz einsetzen, gegenüber Klimawandelskeptikern und -leugnern das Nachsehen. Warum?

Gerade bei jüngeren Menschen meiner Generation finden es leider viele cool rechts zu sein und die AfD zu wählen. Im ländlichen Raum ist das vielerorts nichts mehr, was skandalisiert wird. In meiner Heimatstadt Zwickau spielt für alle Altersgruppen die Automobilwirtschaft eine wichtige Rolle, mit dem großen Volkswagen-Werk in der Stadt, von der auch viele Zulieferer abhängig sind. Seit 2018 wurde das Werk auf die Produktion von E-Autos umgebaut. Doch leider stockt der E-Auto Verkauf von Volkswagen. Es gibt Diskussionen über Stellenabbau. Was dazu führt, dass sich mehr und mehr Menschen in der Stadt den Weg zurück zur Verbrenner-Produktion wünschen.

Ein Zulieferer von VW, das GKN – Gelenkwellenwerk Zwickau-Mosel – machte 2023 seine Pforten dicht.

Im GKN-Werk gab es die Erzählung, dass grüne Politik und Abkehr vom Verbrenner für die sich anbahnende Schließung des Werkes verantwortlich sei. „Dabei war nicht eine vermeintliche grüne Verbotspolitik der Grund, sondern schlichtweg der Umstand, dass der Konzern Arbeitsplätze ins billigere Ausland verlagern wollte. Wir, als Gruppe von Fridays for Future Aktivisten sind daraufhin zum Werk gegangen, um mit den Arbeitenden ins Gespräch zu kommen und einen gemeinsamen Protest zu organisieren. Wir wollten zeigen, wir sind für Klimaschutz, aber stehen trotzdem an eurer Seite und gegen den Verlust von Arbeitsplätzen.

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Die AfD schafft es an diese spezielle Ostdeutsche Abstiegsangst anzuknüpfen, die viele Menschen hier mit der Transformation in Folge der Wiedervereinigung verknüpfen. Die Erzählung, die heutige grüne Transformation würde wieder zu einem sozialen Abstieg führen, ist häufig zu hören. Eine Erzählung, die übrigens auch von CDU und FDP aufgenommen und verbreitet wird.

Dabei ist eine grüne Transformation für die langfristige wirtschaftliche Produktivität unabdingbar. Dafür investiert der Staat Milliarden in die ostdeutschen Bundesländer. Warum kommt die positive Erzählung der wirtschaftlichen Transformation bei vielen nicht an?

Viele Ostdeutsche vergleichen nicht ihren eigenen jetzigen Wohlstand mit dem von früher, sondern permanent mit dem der Westdeutschen, wo es im Durchschnitt weiterhin große Lohnunterschiede gibt. Dieser permanente Unmut ist leichter zu befeuern als eine positive Zukunftserzählung. Auch sind hier diejenigen, die sich für Klimaschutz stark machen, oft Anfeindungen und Drohungen ausgesetzt. Das steigert die Hemmschwelle politisch aktiv zu werden. Allgemein ist es einfacher auf „die da oben“ zu schimpfen, als selbst aktiv zu werden. Es braucht aber eine aktive Zivilgesellschaft, damit auch politische Akteure sich wieder für Klimaschutz und die Demokratie allgemein einsetzen.

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Wie Sie eingangs erwähnten, sind gerade jüngere Menschen in Ostdeutschland nach rechts gerückt. Warum?

Eine mögliche Erklärung wäre das Fehlen sozialer Angebote. Während der Corona-Krise wurden Anlaufstellen, wie zum Beispiel Jugendzentren, vorübergehend geschlossen. Da waren die sogenannten Montagsdemos, veranstaltet von Rechtsextremen, oftmals die einzige Gelegenheit und Ventil für Jugendliche sich die Langeweile zu vertreiben. Viele wurden dort radikalisiert. Im Zuge sparpolitischer Maßnahmen wurden inzwischen Anlaufstellen dauerhaft geschlossen und Schulsozialarbeiterstellen gestrichen. Es gibt insgesamt einen belegbaren Zusammenhang zwischen Sparpolitik und Rechtsruck. Des Weiteren spielt die Dominanz rechter Kräfte in den Sozialen Medien eine Rolle. Und die Abstiegsangst der Älteren macht nicht vor den Jüngeren halt. Wenn die Mütter und Väter auf die Regierung schimpfen, weil ihre Jobs in Gefahr sind, dann überträgt sich das auf die Kinder.

Wie lässt sich dieser Kreislauf durchbrechen?

Wir schaffen es nicht die Demokratie zu verteidigen, indem wir den Status Quo erhalten. Wir dürfen nicht mehr nur auf die AfD reagieren, sondern wir müssen aktiv und mit konkreten Maßnahmen positives für Gesellschaft und Klimaschutz bewirken. Dabei dürfen wir nicht den Fehler machen uns moralisch abzuheben von denen, die die AfD gewählt haben. Auch müssen wir viel stärker mit anderen Gruppierungen, wie Gewerkschaften zusammenarbeiten, so wie wir es beim Protest am GKN-Werk gemacht haben und wie Fridays for Future schon gemeinsam mit den Beschäftigten des öffentlichen Nahverkehrs demonstriert hat.

Noch einen Schritt weiter sind Klimaaktivisten im italienischen Florenz gegangen. Dort stand ebenfalls ein GKN-Betrieb vor der Schließung. Die Aktivisten haben daraufhin mit den Beschäftigten den Betrieb besetzt und zugleich mit Experten einen Plan erstellt, um den Betrieb auf die Produktion von Solaranlagen umzurüsten. Sie haben inzwischen eine Genossenschaft gegründet, viele Arbeitsplätze gerettet und die PV-Produktion steht in ihren Startlöchern.

Das Interview führte Manuel Grisard

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