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Kein großes Politikum: Energiearmut

Bei der Energieversorgung deutscher Haushalte zeichnet sich eine Tendenz ab: Immer öfter wird einem Haushalt wegen Zahlungsunfähigkeit der Strom abgestellt, noch häufiger das Gas. Nicht nur die Bundesregierung ist demgegenüber unsensibel, sondern auch die die Statistik führende Bundesnetzagentur.

13.01.2015 – Der aktuelle Winter war bisher ein überwiegend milder, und wegen des stark gesunkenen Ölpreises werden allenthalben eine zukünftige Entlastung der Haushalte und sinkende Energiekosten beschworen. Doch Winter bedeutet nun mal Kälte, und Winter bedeutet auch in Deutschland, dass Menschen die Wärmezufuhr abgestellt wird, weil sie die Rechnungen nicht mehr bezahlen können. Die Zahl dieser Menschen steigt stark. Das zeigt der im November veröffentlichte jährliche Monitoringbericht von Bundesnetzagentur und Bundeskartellamt. Darin präsentiert die Bundesnetzagentur die Zahlen zu Strom- und Gassperrungen für Haushalte von 2011, dem ersten Jahr der Erhebung, bis 2013.

2013 wurden zwar nur fünf Prozent der angedrohten Stromunterbrechungen auch durchgeführt. Doch die absoluten Zahlen sind deutlich gestiegen. Seit 2011 (6,1 Millionen Androhungen) gab es zwar zunächst einen Rückgang bei den angedrohten Unterbrechungen (2012: 5,7 Millionen), doch dann einen umso stärkeren Anstieg: 2013 wurden knapp sieben Millionen Stromsperrungen angedroht. Die Zahlen der tatsächlich durchgeführten Sperrungen sprechen eine noch deutlichere Sprache: Dieser Wert stieg von 312.000 über 322.000 auf zuletzt 345.000.

Drastischer noch ist die Entwicklung beim Gas. Auch hier wurden die angedrohten und die tatsächlich durchgeführten Sperrungen für die Jahre 2011 bis 2013 ermittelt. Während die Zahl der Drohungen in diesem Zeitraum von über 1,2 Millionen auf 980.000 sank, stieg die Zahl der Sperrungen von 33.600 über 39.300 auf 45.900.

Während beim Strom ein Zahlungsrückstand von 100 Euro aufgelaufen sein muss, bevor eine Sperrung angedroht werden kann, gibt es eine solche Schwelle beim Gas nicht, hält der Monitoringbericht fest. Hier „waren säumige Kunden im Durchschnitt mit 115 Euro im Zahlungsrückstand“.

Im Fall von Sperrungen werden die Schulden noch größer. Für den Strom hält die Bundesnetzagentur fest: „Für die Durchführung einer Sperrung berechneten die Netzbetreiber ihren Kunden durchschnittlich Kosten in Höhe von 48 Euro, wobei die Spannbreite der tatsächlich berechneten Kosten zwischen 13 und 168 Euro lag.“ Beim Gas fielen zwischen 2 und 200 Euro an, durchschnittlich 46 Euro, wobei die Kosten der (lokalen) Verteilnetzbetreiber noch nicht enthalten sind.

Seltsam mutet an, dass im Monitoringbericht sowohl beim Strom als auch beim Gas zu lesen ist, die Zahl der Sperrungen sei von 2012 zu 2013 „leicht gestiegen“. Dabei handelt es sich beim Strom um einen Anstieg von über sieben Prozent, beim Gas von fast 17 Prozent. Sind das nicht starke Anstiege? Im Gespräch mit energiezukunft gibt ein Sprecher der Bundesnetzagentur zu, dass diese Formulierungen unglücklich gewählt sind. Eine inhaltliche Erklärung gebe es dafür nicht, Schuld sei wohl das persönliche Ermessen der Personen, die die betreffenden Passagen geschrieben haben. Von 2011 zu 2013 beträgt der Zuwachs an Stromsperrungen sogar über zehn, beim Gas fast 37 Prozent!

Für den Zustand, in dem die von solchen Sperrungen Betroffenen leben, hat sich der Begriff Energiearmut eingebürgert. Bis 2014 haben sich Wärme und Strom über etliche Jahre hinweg sehr stark verteuert. Dem trug die Bundesregierung zunächst unter anderem dadurch Rechnung, dass sie mit Wirkung vom 1. Januar 2009 eine sogenannte Heizkostenkomponente beim Wohngeld einführte. Zwei Jahre später wurde die „mit der Begründung gesunkener Heizkosten ersatzlos gestrichen“, wie Der Paritätische, ein Wohlfahrtsdachverband, in einem Positionspapier von April 2014 festhält. „Die Streichung der Heizkostenkomponente im Wohngeldgesetz war rückblickend betrachtet falsch“, teilt eine Sprecherin gegenüber energiezukunft mit. „Die Begründung „gesunkene Heizkosten“ erschien schon 2010 fraglich, sie ist aber aktuell sicher nicht mehr aufrechtzuerhalten.“

Der Paritätische war im Oktober 2013 Teil eines Bündnisses von Umwelt- und Sozialverbänden, das eine Charta zur sozial gerechten Energiewende beschloss. Weitere Aktivitäten habe es seitens des Bündnisses nicht gegeben, sagt Christian Woltering vom Paritätischen – doch die Charta sei unverändert aktuell. Die Wiedereinführung der Heizkostenkomponente beim Wohngeld habe die aktuelle Bundesregierung nicht in den Koalitionsvertrag aufnehmen wollen, sagt Woltering. Die zuständige Umwelt- und Bau-Ministerin Barbara Hendricks (SPD) habe sich danach zwar dafür ausgesprochen, aber es seien keine konkreten Pläne bekannt.

Die Ignoranz der Bundesregierungen ging und geht aber viel weiter. Weitaus mehr Menschen als das Wohngeld betrifft nämlich das Arbeitslosengeld. Und „die Erhöhung des Anteils für Energie im ALG-2-Satz hält seit etlichen Jahren nicht mit der Entwicklung der Energiekosten mit“, hält Christian Woltering fest. „2014 hat auch das Bundesverfassungsgericht eine Neuregelung angemahnt.“ Ralf Hutter


Kommentare

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Rudolf Koenig 14.01.2015, 07:29:59

+317 Gut Antworten

Wenn ich zum eigenen Verbrauch Waren oder Dienstleistungen kaufen muß, so muß ich diese bezahlen. So einfach ist das. Wenn ich mir ein Gut nicht leisten kann, so verbrauche ich weniger davon und spare an anderer Stelle.

Es gibt Härtefälle, die muß man berücksichtigen. Leider gibt es aber deutlich mehr Mitnahmeeffekte von Leuten, die versuchen das System auszunutzen.

Bernd Strathmann 05.02.2015, 19:53:20

+384 Gut Antworten

Bravo Herr König,da zu viele arme Leute versuchen,das System auszunutzen,wäre es am

besten,soziale Leistungen wie Arbeitslosengeld,

gesetzliche Krankenversicherung,Kindergeld zu streichen.Wer arm ist,ist selbst daran schuld und

muss dann eben hungern,frieren oder sterben.

Wir müssen in Europa noch wettbewerbsfähiger

werden gegenüber Staaten wie den USA oder China oder Griechenland mit ihren niedrigen Lohn- und Sozialkosten.Aber keine Angst,wir sind ja schon auf dem richtigen Weg.Nach amtlichen

Zahlen gehört 10% unseres Volkes schon etwa die

Hälfte aller Güter unseres Landes und einem Drittel

gar nichts.Und diese 10% werden Jahr für Jahr

ohne Arbeit immer reicher,die Habenichtse trotz

harter Arbeit immer mehr.Damit das noch schneller

geht,immer wettbewerbsfähig bleiben und den Sozialschmarotzer verhindern,gell.


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