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Rheinisches RevierKeine endgültige Leitentscheidung für die Braunkohle

Ein Kohlebagger ragt aus einem Loch heraus. Davor sind Wiese und Bäume zu sehen.
Zwar sind die Kohlebagger schon in Sichtweite von Keyenberg, doch vor 2026 wird der Ort nicht abgerissen – wenn überhaupt. (Bild: Dan Wilton, flickr, CC BY 2.0)

Die NRW-Landesregierung hält am Abriss der Dörfer für den Tagebau Garzweiler fest. Zwar wird das Abrissdatum nach hinten verlegt, doch der Tagebau scheint ohnehin im Verzug. Die Hoffnung auf einen Politikwechsel und neue Leitentscheidung ist groß.

24.03.2021 – NRWs Wirtschaftsminister Pinkwart gab gestern auf einer Pressekonferenz die neue Braunkohleleitentscheidung des Landes Nordrhein-Westfalen bekannt. Auf Grundlage des vom Bund beschlossenen Kohleausstiegsgesetzes zeichnen die Verantwortlichen in NRW damit den Abbau und die Verstromung von Braunkohle vor. Die neue Leitentscheidung ist Grundlage für die weiteren Planungen rund um die Tagebaue Garzweiler, Hambach und Inden.

Wie von vielen befürchtet, hält die Landesregierung an den Plänen fest, die Dörfer Keyenberg, Kuckum, Ober- und Unterwestrich sowie Beverath für die Erweiterung des Tagebaus Garzweiler II dem Abriss freizugeben. Hoffnung macht lediglich die von Pinkwart verkündete Einschränkung, dass die Orte nicht vor 2026 in Anspruch genommen werden sollen. RWE plante ursprünglich den Ort Keyenberg schon 2024 für die Braunkohleförderung endgültig abzureißen. Laut Pinkwart gebe die spätere Inanspruchnahme Zeit, um vorher noch einmal eine Überprüfung vorzunehmen, ob der Abriss der Dörfer wirklich erforderlich sei.

Monatelange Gegenwehr

Dass der Abriss nicht erforderlich sei, machten Aktivisten und Experten in den vergangenen Monaten wiederholt deutlich. Im Oktober vergangenen Jahres legte die Landesregierung NRW bereits einen Entwurf für eine neue Braunkohle-Leitentscheidung vor. Mit der Veröffentlichung des Entwurfs gab die Landesregierung auch bekannt, dass sie in den Dialog mit der Öffentlichkeit trete. So konnten Betroffene und Interessierte bis Anfang Dezember den Entwurf zur Leitentscheidung kommentieren. Auch fanden zwei Dialog-Veranstaltungen statt.

Der Landesverband NRW des Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) kritisierte jedoch, dass die Landesregierung deutlich gemacht hätte, dass dies keine Beteiligung sei, sondern lediglich das Feedback der Öffentlichkeit eingeholt werden sollte. David Dresen vom Bündnis Alle Dörfer Bleiben kritisierte darüber hinaus: „Obwohl wir mehrfach ein Abriss-Moratorium gefordert haben, walzten die Rodungsmaschinen von RWE noch während des Beteiligungsprozesses durch das bewohnte Dorf Lützerath.“

Eine Rede von Dresen war es auch, die am 15. Dezember im Düsseldorfer Landtag für einen Eklat sorgte. An dem Tag lud der Wirtschaftsausschuss des Landtags zu einer Anhörung ein, wo Betroffene und Sachverständige über fünf Stunden mit den Abgeordneten die Leitentscheidung diskutierten. Während Dresen, der in Kuckum lebt, die Nöte der Tagebaubetroffenen schilderte, wurde ihm vom Ausschussvorsitzenden das Mikrofon abgedreht. Obwohl es für Rede und Antworten keine Zeitvorgabe gab, beendete der Ausschussvorsitzende eigenmächtig die Redezeit.

Brisantes Gutachten

Nachdem schon das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung dargelegt hatte, dass RWE seinen Kohlebedarf bis 2038 decken könnte, ohne weitere Dörfer abzureißen, sorgte die Veröffentlichung eines lange geheim gehaltenen Gutachtens am 16. Dezember für zusätzlichen Zündstoff. Das Wirtschaftsministerium gab bereits 2019 ein Gutachten in Auftrag, mit dem Ergebnis, dass die von Umsiedlung bedrohten Dörfer nicht abgebaggert werden müssten, da rund ein Drittel der Braunkohle in Garzweiler II unter der Erde bleiben könnte, wenn man den Empfehlungen der Kohlekommission folge.

Doch das Wirtschaftsministerium hielt das Gutachten unter Verschluss. Und gab Anfang 2020 zuerst einen Ausstiegsfahrplan und schließlich im Sommer ein Kohleausstiegsgesetz bekannt, dass sehr viel stärker den Wünschen der Kohlewirtschaft entsprach als dem Kompromiss der Kohlekommission. Laut Kohleausstiegsgesetz soll der ebenfalls von RWE betriebene Tagebau Inden verkleinert werden, während Garzweiler komplett ausgeschöpft werden soll. Für RWE wohl weitaus lukrativer, da an den Tagebau Inden lediglich das alte unrentable Kraftwerk Weisweiler angeschlossen ist, während Garzweiler unter anderem das Kraftwerk Neurath beliefert, wo neuere Blöcke effizienter Kohle verstromen.

Tagebau im Verzug

An dem Beschluss der Landesregierung grundsätzlich am Abriss der Dörfer festzuhalten, änderten jedoch weder Beteiligungsverfahren noch Gutachten etwas. Dass Pinkwart die Einschränkung vorgab die Dörfer erst ab 2026 dem Abriss freizugeben, kommentierte David Dresen gestern als „ziemliche Farce“. Keyenberg erst dann abzubaggern sei lediglich die Anerkennung der Realität. „Der Tagebau ist drei Jahre im Verzug“, sagte Dresen gegenüber der energiezukunft und verwies auf Lützerath, dass bereits 2019 für die Kohle weichen sollte, aber zum Teil immer noch steht. Darüber hinaus würden es laufende Gerichtsverfahren RWE unmöglich machen vor 2026 Keyenberg abzubaggern.

Die von Pinkwart angekündigte Überprüfung, ob der Abriss der Dörfer wirklich erforderlich sei, gibt der Landesregierung indes die Möglichkeit, endgültige Entscheidungen über die Zukunft der Dörfer auf kommende Regierungen abzuwälzen. Die Hoffnung für einen politischen Wechsel im Land und Bund ist bei den Tagebaubetroffenen groß.

Politikwechsel nötig

Die Grünen Fraktion im NRW Landtag stellte sich gestern klar hinter die Menschen aus den bedrohten Dörfern. Deren stellvertretende Vorsitzende Wibke Brems erklärte: „Es hätte eine grundlegende Überarbeitung der Vorgaben für die letzten Jahre der Braunkohle gebraucht. Doch die Landesregierung bleibt bei ihrer überkommenen Kohlepolitik. Zu groß ist offenbar die Angst vor dem Widerstand von RWE.“ Die jetzige Leitentscheidung müsse nach der nächsten Landtagswahl durch eine neue korrigiert werden.

Die nächste Landtagswahl in NRW findet voraussichtlich im Mai 2022 statt. Bereits im September dieses Jahres ist Bundestagswahl. Der stellvertretende Vorsitzende der Grünenfraktion im Bundestag, Oliver Krischer, kommentierte die Leitentscheidung auf Twitter als Provokation gegenüber Klimaschutz und Heimat der Menschen. Und der Klima- und Energiepolitiker der Linken im Bundestag, Lorenz Gösta Beutin, erklärte die Zerstörung von Heimat für die Gewinne von RWE für sinnlos und ungerecht. Mit einer neuen Regierungskonstellation im Bund, könnte auch das Kohleausstiegsgesetz noch einmal auf den Prüfstand kommen. mf


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