DeutschlandKlagen gegen das geänderte Klimaschutzgesetz

Klimaprotest: Vier Meter große, von Reifenspuren überfahrene Justitia-Figur vor dem Eingang des Verkehrsministeriums
Mit einer vier Meter großen, von Reifenspuren überfahrenen Justitia-Figur protestierten Greenpeace-Aktivist:innen am Montagmorgen vor dem Eingang des Verkehrsministeriums gegen die Klimapolitik der Bundesregierung. (Bild: © Verena Brüning / Greenpeace)

Die Bundesregierung hat das Klimaschutzgesetz entkernt, kritisieren Umweltverbände und streben Verfassungsbeschwerden an. Die Deutsche Umwelthilfe hat ihre Klage zum heutigen Inkrafttreten des Gesetzes eingereicht.

17.07.2024 – Die Klagen der Umweltschutzorganisationen sollen klären, ob die Gesetzesänderung, die unter anderem die Sektorenziele zur CO2-Reduktion aufgibt, mit der vom Verfassungsgericht bestätigten Pflicht zum Klimaschutz vereinbar ist. Zu befürchten steht, dass die Bundesregierung in dieser Legislaturperiode aufgrund mangelnden Drucks keine weiteren Klimaschutzmaßnahmen mehr beschließen wird und zu wenig gegen die Klimakrise und zur CO2-Reduktion getan wird.

Klagen für eine Welt mit Zukunft

Das Bundesverfassungsgericht hatte im März 2021 festgestellt, dass der Gesetzgeber die Freiheit für junge Generationen durch ausreichenden und rechtzeitigen Klimaschutz sichern muss. CO2-Emissionen müssen entsprechend der Pariser Klimaziele bis zur Klimaneutralität reduziert werden. Nach deutschem Klimaschutzgesetz muss die Treibhausgasneutralität bis 2045, nach EU-Klimagesetz und Paris-Abkommen bis 2050 erreicht werden.

Die jetzt in Kraft getretene Gesetzesnovelle ist in der Zivilgesellschaft stark umstritten. Greenpeace und Germanwatch, die Deutsche Umwelthilfe (DUH), sowie der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) zusammen mit dem Solarenergie-Förderverein Deutschland (SFV) führen jeweils eine Verfassungsbeschwerde gegen die Novelle des Klimaschutzgesetzes (KSG). Die drei Klagen zielen in die gleiche Richtung, richten den Blick jedoch auf unterschiedliche Detailfragen der Gesetzesnovelle.

Wissing hält Sofortprogramm für Verkehrssektor für unnötig

Die Umweltorganisationen hatten bereits angekündigt, vor Gericht zu ziehen, sollte Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier die Gesetzesnovelle unterschreiben. Am Montag war es dann soweit. Just an dem Tag, an dem Verkehrsminister Volker Wissing ein Sofortprogramm hätte vorlegen müssen, um seine Sektorenziele noch zu erreichen, unterschrieb Steinmeier die Gesetzesnovelle, die bereits seit Wochen zur Prüfung vorlag. Jürgen Resch, Bundesgeschäftsführer der Deutschen Umwelthilfe, nennt die Unterschrift einen Freifahrtschein für Verkehrsminister Wissing für die Klimaschutzlücke von 180 Millionen Tonnen im Verkehrsbereich. Wissing hatte in der vergangenen Woche erklärt, er halte ein Sofortprogramm für unnötig.  Nun hat die DUH geklagt, die anderen Organisationen werden folgen.

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Die Freude darüber, Deutschland sei erstmals auf dem Weg, die Klimaziele zu erreichen, war nur von kurzer Dauer. Der Expertenrat für Klimafragen geht inzwischen wieder davon aus, dass Deutschland seine Klimaziele bis 2030 verfehlen wird.

„Mit dem abgeschwächten Klimaschutzgesetz kann Deutschland seinen Beitrag zum Einhalten der rechtsverbindlichen 1,5 Grad-Grenze nicht leisten“, kritisiert Olaf Bandt, Vorsitzender des Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND). Erst im Juni hatte der Expertenrat für Klimafragen der Bundesregierung seine Einschätzung, Deutschland werde seine Klimaziele zumindest insgesamt erreichen, revidiert. Nun stelle sich die Bundesregierung mit diesem Gesetz einen Blankoscheck für Untätigkeit beim Klimaschutz aus, ärgert sich Greenpeace-Verkehrsexpertin Marissa Reiserer. Greenpeace-Aktivisten hatten am Montag mit einer vier Meter großen, von Reifenspuren überfahrenen Justitia-Figur vor dem Eingang des Verkehrsministeriums gegen die Klimapolitik der Bundesregierung protestiert.

Verfassungsklage zur Novelle des Klimaschutzgesetzes

„Die Änderung des Klimaschutzgesetzes ist nicht nur handwerklich misslungen, sondern verfassungswidrig. Denn das Gesetz belässt es nicht dabei, angeblich nötige Flexibilisierungen zwischen den Sektoren, wie Verkehr und Industrie, vorzunehmen. Die wichtigsten Änderungen verfolgen nur das Ziel, bis zum Jahr 2030 keine relevanten Klimaschutzmaßnahmen mehr beschließen zu müssen“, erklärt Remo Klinger, der die DUH in den Klimaklagen vertritt. Die nötigen Maßnahmen würden damit in der Zukunft viel strenger ausfallen als sie erforderlich wären, wenn man rechtzeitig handele. „Dies ist verfassungswidrig“, stellt Klinger fest. Doch nicht einmal die Bestimmungen dieses entkernten Gesetzes halte die Bundesregierung ein.

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Die DUH hält deshalb an ihren bestehenden Klimaklagen fest. Derzeit sind fünf Klagen anhängig, die sich unter anderem gegen das nicht ausreichende Klimaschutzprogramm, die Zielverfehlungen im Verkehrs- und Gebäudesektor sowie den ungenügenden Schutz natürlicher CO2-Senken richten. Neben der Verfassungsbeschwerde zum KSG klagt die DUH zudem gegen die wiederholte verspätete Veröffentlichung der jährlichen Klimaschutzberichte. „Wir werden nicht dabei zusehen, dass der Klimaschutzbericht, wie bereits 2023, mit fast einem Jahr Verspätung veröffentlicht wird“, so Klinger. Die Bundesregierung hatte die Veröffentlichungsfrist auch in diesem Jahr wieder verstreichen lassen. jb

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