Frau Fekete, mit ein wenig Abstand, wie blicken Sie auf die Verhandlungen der COP29 in Aserbaidschan?
Wie erwartet, haben die Verhandlungen keinen Durchbruch gebracht. Es ist das eingetreten, was ich und viele weitere befürchtet haben. Wir haben ein schwaches neues globales Klimafinanzierungsziel. Es gab wenig Länder, die neue wirksame Klimapläne vorgelegt haben. Die Ziele hinter dem Globale Stocktake wurden nicht erhöht, sondern sind als Randnotiz verkommen. Auch die Einigung für die internationalen Kohlenstoffmärkte sehe ich kritisch.
Diese Einigung aber wurde von vielen positiv bewertet.
Ich denke, viele Menschen sind froh, dass das Thema endlich vom Tisch ist, auch wenn noch vieles Fragwürdig ist. Abgesehen vom grundsätzlichen Problem des modernen Ablasshandels, halten wir vom New Climate Institut etwa die bilateralen Mechanismen für problematisch, in denen Länder direkt Abkommen schließen können über Kauf und Verkauf von CO2-Zertifikaten, um Klimaschutzprojekte in fremden Ländern vom eigenen CO2-Ausstoß runterrechnen zu können. In diesen bilateralen Mechanismen fehlt es an wirksamen externen Prüfungen.
Auch dürfen viele Credits aus dem Clean Development Mechanism des Kyoto-Protokolls nun in die Mechanismen im Pariser Abkommen mitgenommen werden. Das sind auch Credits aus Projekten, die oft nicht wirklich zu weniger Emissionen führen. wirksam sind. Eine zuletzt veröffentlichte Studie zeigte, dass nur 16% der Credits verschiedener bisheriger Mechanismen tatsächlich Emissionen reduzieren. Verdienen tun daran wohl weiterhin vor allem Agenturen im Globalen Norden, die den Markt steuern. Entwicklungsländer dagegen werden in den Kohlenstoffmarkt reingetrieben, weil an anderer Stelle keine ausreichende Finanzierung für Klimaschutz, Klimaanpassung sowie Schäden und Verluste da ist.
Nach einer mehr als 24-stündigen Verlängerung der COP, einigte sich die Staatengemeinschaft auf das Versprechen, 300 Milliarden US-Dollar seitens der Industriestaaten jährlich bis 2035 bereitzustellen. Wie ein Aufwuchs auf die von Entwicklungsstaaten geforderte und Expert:innen angemahnte Summe von 1,3 Billionen US-Dollar jährlich erreicht werden soll, soll auf der nächsten COP weiter debattiert werden.
Wenn man die Inflation einberechnet, ist das 300 Milliarden US-Dollar Ziel kaum höher als das, was 2009 in Kopenhagen mit den 100 Milliarden jährlich ab 2020 beschlossen wurde. Dabei brauchen die einkommensschwachen und zugleich am stärksten von der Klimakrise betroffenen Länder schon jetzt deutlich höhere Aufwüchse. Es hätte zumindest auf dieser COP schon konkretere Ansätze geben müssen, wie das grundsätzlich genannte Ziel von 1,3 Billionen US-Dollar jährlich erreicht werden kann. Dass nun multilaterale Entwicklungsbanken eine größere Rolle spielen sollen, sehe ich indes kritisch. Analysen zeigen auch, dass schon bisher nur vier Prozent der Klimafinanzierung echte Zuschüsse waren und der Rest verschiedene Formen von Krediten. Das wird sich mit den Entwicklungsbanken nicht ändern und die Entwicklungsländer weiter verschulden.
Über welche neuen Finanzierungswege sollten wir sprechen?
Es müssen nicht einmal neue Finanzierungswege sein. Die Weltgemeinschaft investiert etwa immer noch massiv in fossile Energien und subventioniert diese. Hier gilt es Geldflüsse umzuschichten in Richtung Transformation. Auch eine globale Reichensteuer ziehen einige in Betracht, die aber umzusetzen ist schwierig angesichts der politischen Weltlage. Das gilt ebenso für eine globale Besteuerung des Flug- und Schiffverkehrs.
Auch die Idee einer Übergewinnsteuer für Konzerne die mit Öl, Gas und Kohle Geld machen, steht im Raum.
Da werden die Staaten, deren wirtschaftliche Entwicklung auf Öl und Gas fußt sofort aufschreien. Ganz im Gegenteil fordern einige sogar, dass sie künftig entschädigt werden, wenn sie Öl und Gas nicht mehr fördern dürfen. Da sind vor allem die Arabischen Staaten, vorneweg Saudi-Arabien, sowie der Gastgeber Aserbaidschan und auch die USA, die weiter Öl und Gas produzieren wollen. Aber auch die Abnehmer in Europa haben weiterhin ein Interesse an der Lieferung fossiler Brennstoffe.
Dabei waren Deutschland und Europa Teil der sogenannten „High Ambition Coalition“, die sich zu Beginn der COP hinter dem Ziel von 1,3 Billionen US-Dollar und schärferen Klimazielen gestellt haben.
Mein Eindruck war, dass auch die Europäische Union sich während den Verhandlungen nicht bewegt hat und auf ihrer Position geblieben ist, ohne innovative Ansätze zu finden den Verhandlungen zum Durchbruch zu verhelfen. Solange wir in Deutschland und Europa unseren fossilen Konsum nicht deutlich runterfahren, haben die Öl- und Gas-fördernden Staaten keinen Grund die Produktion zu drosseln und werden auf den Klimakonferenzen weiter für ihr fossiles Geschäftsmodell und die bestehenden Schlupflöcher in den COP-Beschlüssen einstehen.
Wie können in dieser schwierigen Gemengelage noch Ambitionssteigerungen auf Klimakonferenzen durchgesetzt werden?
Letztendlich spiegeln die Verhandlungen die politische Realität wider. Wenn Regierungen grundsätzlich nicht bereit sind an ihrem fossilen Geschäftsmodell etwas zu ändern, dann helfen auch zwei Wochen Verhandlungen nichts. Die Klimakonferenzen werden in keinster Weise der Dringlichkeit des Problems gerecht. Die Verhandlungen zum Global Stocktake etwa, der Abkehr von fossilen Energien und Aufwuchs Erneuerbarer, hätten mit einem deutlich ambitionierten Ergebnis enden müssen. Doch die Beschlüsse aus dem letzten Jahr wurden nicht erhöht und liefen zwischenzeitlich sogar Gefahr, getrieben von Saudi-Arabien, herabgestuft zu werden.
Nun findet die kommende Klimakonferenz, die COP30, in Belém, Brasilien, statt. Einem Land, dass zwar auch Öl fördert, deren Staatsmodell aber nicht darauf fußt und deren demokratisch gewählter Präsident Luiz Inácio Lula da Silva sich seit Amtsantritt verstärkt für den Schutz des Amazonas-Regenwald einsetzt. Können wir einen progressiveren und ambitionierten Verhandlungsführer erwarten?
Nachdem drei Jahre fossil-autokratische Staaten Gastgeber der COP waren, könnte Brasilien tatsächlich ein bisschen mehr Leben in den Prozess bringen. Es wird spannend zu sehen, wie Brasilien auch als Teil der BRICS-Staaten agieren wird, die sich geopolitisch immer stärker positionieren (Anm. d. Red.: Die BRICS-Vereinigung besteht aus: Brasilien, Russland, Indien, China, Südafrika, Iran, Ägypten, Äthiopien und die Vereinigten Arabischen Emirate). China etwa war in diesem Jahr weitaus konstruktiver als zuvor. Zugleich aber droht die USA wegzufallen. Auch die Europäische Union ist, wie bereits angesprochen, nicht mehr in der Führungsrolle, wie zuvor.
Deutschland hat innerhalb der EU großes Gewicht. Nun wird es, mit Stand der aktuellen Umfragen, auf eine Unionsgeführte Bundesregierung hinauslaufen. Von CDU und CSU gibt es einige Stimmen die Klimaschutz hierzulande und die Unterstützung anderer Länder am liebsten stark zurückfahren würden.
Ein optimistisches Szenario wäre, dass selbst die Union erkennt, dass es für den Wirtschaftsstandort Deutschland keinen Weg zurückgibt. Wenn man sich etwa die Probleme bei VW anschaut, die die Transformation bislang verschlafen haben, sollte man jetzt in allen Bereichen in die Zukunft investieren. China investiert ja nicht Billionen in grüne Technologien rein aus Klimaschutzgründen, sondern weil es wirtschaftlich Sinn macht und sie damit Vorreiter und Weltmarktführer in vielen Bereichen sind. Die Frage wäre allerdings auch, ob die Union die Transformation sozial gestalten kann.
Das sollte doch eigentlich auch Donald Trump in den USA verstehen. Seine Ankündigung aber ist, unter anderem den Inflation Reduction Act (IRA) und die Förderung grüner Technologien wieder abzuschaffen.
Dabei hat der Inflation Reduction Act auch und vor allem für Investitionen in republikanisch geführten Staaten gesorgt. Dort werden viele überhaupt nicht damit einverstanden sein, den IRA abzuschaffen. Für den Klimaschutz indes wären die Ankündigungen Trumps eine Katastrophe. Eine Synthese verschiedener Forschungsergebnisse zeigt, dass das Zurückdrehen von politischen Maßnahmen der Biden-Präsidentschaft, wie Trump es anstrebt, zu zusätzlichen vier Milliarden Tonnen CO2 bis 2030 führen würde.
Auch für die Klimaverhandlungen bedeutet der angestrebte Austritt Trumps aus dem Pariser Klimaabkommen nichts Gutes.
Wir müssen dahin kommen, dass Länder stärker und unabhängig von den Weltklimakonferenzen Allianzen schmieden und in kleinerer Runde Lösungen finden und Mechanismen entwickeln, die Klimakrise zu bekämpfen. Dort könnten auch einzelne Bundesstaaten der USA vertreten sein, die sich weiter für progressiven Klimaschutz einsetzen. Innerhalb solcher Allianzen könnten auch Prozesse vorangetrieben werden, Superreiche stärker zu besteuern und Steuervermeidung härter zu sanktionieren, sowie fossile Geldflüsse in grüne Technologien umzuschichten und eine Übergewinnsteuer fossiler Konzerne in den Blick zu nehmen. Geld, dass in die Klimafinanzierung fließen könnte und das Ziel von 1,3 Billionen US-Dollar jährlich in Sichtweite rücken lässt.
Das Interview führte Manuel Grisard