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BundesregierungKlimaschädliche Fehlanreize im Koalitionsvertrag

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Klimaschädliche Subventionen im Koalitionsvertrag wiegen neue Investitionen für Klimaschutz und Infrastruktur aus dem Sondervermögen mehr als auf (Bild: Michael T / Unsplash+ Lizenz).

Die grüne Wirtschaftswende in Deutschland braucht Anreize, um Emissionen zu senken. Stattdessen plant die Bundesregierung klimaschädliche Subventionen in Milliardenhöhe, die die jährlichen Investitionen aus dem Sondervermögen übersteigen könnten.

06.06.2025 – Bundesregierung plant neue klima- und umweltschädliche Subventionen in Höhe von 9 bis 15 Milliarden Euro pro Jahr. Das zeigt eine Analyse der FÖS, die im Auftrag von Germanwatch den Koalitionsvertrag untersucht hat. Die neuen klimaschädlichen Subventionen könnten die zusätzlichen Mittel für Infrastruktur und Klimaschutz aus dem Sondervermögen übersteigen.

Falsche Anreize setzen

Geplant sind Finanzhilfen, Steuervergünstigungen oder Rücknahmen bzw. Absenkungen bestehender oder bereits beschlossener Instrumente zur Einpreisung von externen Umweltkosten im Energie-, Industrie-, Verkehrs- und Landwirtschaftsbereich. Alle Ausgaben stehen unter Finanzierungsvorbehalt. Die Auswirkung auf den Bundesfinanzhaushalt wurde unter der Annahme berechnet, dass sie wie geplant umgesetzt werden. In diesem Falle würden die neuen Fehlanreize die zusätzlichen Klimaschutzinvestitionen aus dem Sondervermögen übersteigen, die sich jährlich auf etwa 10 Milliarden Euro belaufen.

„Der Koalitionsvertrag von Union und SPD enthält zahlreiche Maßnahmen, die bestehende klimaschädliche Subventionen zementieren oder sogar ausweiten“, erklärt Swantje Fiedler, Wissenschaftliche Leiterin beim FÖS und Co-Autorin der Studie. „Der Großteil der neuen Subventionen und klimaschädlichen Anreize entfällt dabei auf den Energiesektor mit 5,9 bis 9,8 Milliarden Euro sowie auf den Verkehrsbereich mit rund 1,9 Milliarden Euro.“

Im Verkehrsbereich soll die Luftverkehrssteuer gesenkt sowie die Pendlerpauschale erhöht werden. Im Energiesektor sind günstigere Strompreise sowie die Förderung neuer Gaskraftwerke geplant. Der Energiepreis soll über eine Senkung der Stromsteuer, von Netzentgelten und Umlagen um 5 ct/kWh reduziert werden. Dieser Maßnahme standen die Forscher ambivalent gegenüber. Eine pauschale Senkung des Strompreises könne zu Mehrverbrauch anregen, doch es könne ebenfalls die Elektrifizierung vorantreiben. Zu bevorzugen seien kurzfristig spezielle Förderungen, beispielsweise für Wärmepumpen, und langfristig „Maßnahmen zur Förderung von Stromspeichern und Flexibilitäten in Kombination mit dynamischen Netzentgelten und Stromtarifen“. Eindeutig klimaschädlich sind Anreize für den Bau von bis zu 20 GW an Gaskraftwerksleistung bis 2030. In der Kraftwerksstrategie der vorherigen Bundesregierung waren 10 GW vorgesehen, wo genau die Verdoppelung herkommt, ist schwer zu ermitteln. Eine Analyse bzw. systemdienliche Planung, die einen erneuten fossilen Lock-In-Effekt verhindert, wurde bisher nicht vorgelegt.

„Das Sondervermögen soll zusätzliche Investitionen in den Klimaschutz ermöglichen. Durch neue klimaschädliche Subventionen wie die Erhöhung der Pendlerpauschale oder die Förderung von zusätzlichen Gaskraftwerken verpufft die Wirkung des Sondervermögens“, sagt Stefanie Langkamp, Geschäftsführerin Politik bei der Klima-Allianz Deutschland. „Es ist nicht nachvollziehbar, dass laut Koalitionsvertrag zentrale Klimaschutzprogramme im Klima- und Transformationsfonds gekürzt werden sollen, während die Bundesregierung die Förderung für fossile Strukturen weiter ausbauen will. Statt beim Klimaschutz den Rotstift anzusetzen, sollte die neue Regierung die Einsparpotentiale bei klimaschädlichen Subventionen ernst nehmen.“

Lenkungswirkung des CO2-Preises wird abgeschwächt

Die EU-Staaten dürfen derzeit besonders stromintensive Industrien für den hohen Strompreis in Europa kompensieren, um deren internationale Wettbewerbsfähigkeit zu erhalten. Deutschland reizt den von der EU zugelassenen Spielraum im Gegensatz zu vielen anderen EU-Ländern derzeit bereits größtenteils aus. Die Bundesregierung plant, die Stromkostenkompensation für die Mehrkosten, die durch den europäischen Emissionshandel (EU-ETS) beim Strombezug entstehen, dauerhaft zu verlängern und auf weitere Branchen auszuweiten. Auch Belastungen aufgrund der CO2-Bepreisung im ETS 2 sollen für bestimmte Branchen kompensiert werden. Anstatt die Lenkungswirkung der CO2-Bepreisung abzuschwächen, sollte in beiden Fällen auf eine konsequente Weiterentwicklung des EU-weiten CO2-Grenzausgleichsmechanismus gesetzt werden, wird in der Analyse empfohlen.

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Der Landwirtschaftssektor soll vom ETS 2 ausgeschlossen und die Agrardieselrückvergütung zurückgeholt werden. Brennstoffemissionen aus der Landwirtschaft fallen in Deutschland derzeit in den nationalen Emissionshandel (BEHG), der ab 2027 vom ETS 2 abgelöst wird. Der ETS 2 erlaubt einen Opt-in für die Landwirtschaft, der noch im Januar vom Parlament beschlossen wurde, auch mit Stimmen von CDU und SPD. Die Agrardieselrückvergütung ist eine Steuerentlastung für fossile Brennstoffe, die in der Landwirtschaft beispielsweise für Kraftfahrzeige eingesetzt werden. Der Bundestag hatte 2024 eine schrittweise Abschaffung der Entlastung bis 2026 beschlossen, die nun rückgängig gemacht werden soll. In beiden Fällen wird ein der Anreiz zur Emissionsminderung zunichte gemacht.

„Die geplanten Subventionen gefährden die Modernisierung des Standorts Deutschland zu einer klimaneutralen und krisenfesten Wirtschaft. Angesichts knapper öffentlicher Mittel und wachsender Risiken durch die Klimakrise ist es unverantwortlich, weiterhin fossile Geschäftsmodelle zu fördern“, kritisiert Anja Gebel, Referentin für zukunftsfähige Finanzflüsse bei Germanwatch. Damit sich Klimaschutz und klimaschädliche Investitionen nicht gegenseitig aushebeln, sei es nun unbedingt erforderlich, dass Union und SPD ihr Versprechen aus dem Koalitionsvertrag einlösten, sämtliche Subventionen kritisch zu prüfen. Vorrang sollten Förderungen haben, die die klimafreundliche Transformation und zukunftsfähige Geschäftsmodelle stärken. jb

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