Herr Zerzawy, die Ampel investiert massiv in Klima- und Umweltschutz, das ist die zentrale Botschaft des kürzlich veröffentlichten 29. Subventionsberichts des Bundes. Über 60 Prozent aller Finanzhilfen würden diesen Zwecken dienen. Das sind doch eigentlich erfreuliche Nachrichten, oder etwa nicht?
Das hört sich tatsächlich erstmal gut an. Die erfreuliche Zahl rührt vor allem daher, dass die Investitionen aus dem Klima- und Transformationsfond (KTF) vollumfänglich eingerechnet werden. Auf der anderen Seite haben wir aber das Problem, dass der Bericht viele klimaschädliche Subventionen nicht ausweist.
Paradebeispiel ist hier das Dieselprivileg. Das kostet Steuerzahler jährlich über acht Milliarden Euro und hat zweifellos negative Folgen fürs Klima. Aufgelistet wird es trotzdem nicht, weil aus Sicht des Finanzministeriums nur ein anderer Steuersatz greift als bei Benzin. Solche und viele andere Subventionen, wie zum Beispiel auch die Entfernungspauschale oder die kostenlose Zuteilung von Emissionszertifikaten erwähnt der Bericht nicht. Insgesamt gehen wir von klimaschädlichen Subventionen in Höhe von 65 Milliarden Euro pro Jahr aus.
Milliarden Euro Subventionen, die nicht aufgeführt werden – wie kann es sein, dass diese Hilfen nicht ausgewiesen werden?
Das liegt an dem verwendeten Subventionsbegriff, der zwar alle direkten Finanzhilfen aber nur ausgewählte Steuervergünstigungen miteinbezieht. So werden Zuschüsse, die der angestrebten Transformation hin zu mehr Klimaschutz dienen, meist eingerechnet, während andere, klimaschädliche Steuervorteile nicht mitaufgeführt werden. Dieser recht enggefasste Subventionsbegriff stammt noch aus dem Stabilitätsgesetz von 1967, demnach alle zwei Jahre ein solcher Bericht vorgelegt werden muss. Allerdings hat sich die staatliche Finanzierungspolitik seitdem stark verändert. Die alten Begrifflichkeiten greifen deshalb heute zu kurz. Andere staatliche Institutionen, wie das Umweltbundesamt, legen bereits einen breiteren, zeitgemäßeren Subventionsbegriff zugrunde – daran orientieren auch wir uns.
Wann ist damit zu rechnen, dass die Regierung auch die nicht erwähnten klimaschädlichen Subventionen offenlegt?
Das Umweltbundesamt veröffentlicht in unregelmäßigen Abständen zwar einen eigenen Bericht, zuletzt im Jahr 2021. Der Bericht geht aber nicht ins Kabinett und dann ins Parlament im Rahmen der Haushaltsberatungen, wie der Subventionsbericht, der aus dem Finanzministerium kommt. Daher ist es wichtig, dass die Methodik für den Subventionsbericht schnell geändert und angepasst wird. So könnte der nächste 2025 ein transparenteres Bild zeichnen und kein von der Politik geschöntes.
Die Ampel hat sich im Koalitionsvertrag 2021 auf den Abbau von klimaschädlichen Subventionen geeinigt. Warum hat sie dieses Versprechen noch nicht umgesetzt?
An sich müsste man denken alle Koalitionspartner könnten bei diesem Thema gut zusammenkommen: Die FDP punktet durch Haushaltskonsolidierung, die Grünen beim Klimaschutz und auch die SPD könnte eine Forderung aus ihrem Wahlprogramm abhaken.
In der Praxis sieht es leider anders aus. Die SPD fürchtet um Industriearbeitsplätze, während die FDP sich sorgt, ein Subventionsabbau sähe nach Mehrbelastung und Steuererhöhung aus. Und den Grünen wiederrum fehlt das politische Kapital, um noch in einen weiteren zähen Kampf mit den Koalitionären zu gehen.
Also bleibt auch bei dieser Regierung alles wie in den Jahren zuvor?
Zum Glück nicht. Trotz aller Trägheit zeigt der Bericht durchaus eine positive Tendenz: Die Ampelregierung ist sich der Systemfehler und des Reformbedarfs bewusst – das zeigt der Bericht auch. Jetzt bleibt zu hoffen, dass sie ihren Ankündigungen, alle Subventionen künftig auch auf ihre Klimawirkung zu überprüfen, auch Taten folgen lassen. Ob dies allerdings noch in der aktuellen Legislatur kommen wird, ist mindestens fraglich.
Wurden denn überhaupt schon Subventionen abgebaut?
Mehr und mehr Subventionen sind an Bedingungen geknüpft, die es vorher nicht gab. Das ist ein Schritt in die richtige Richtung. So erhalten Unternehmen zwar nach wie vor kostenlose Emissionszertifikate zugewiesen. Wenn sie Klimaschutzmaßnahmen nicht umsetzen, wird diese Zahl reduziert, was Spar- und Effizienzanreize schafft.
Wenn wir schon bei umstrittenen Subventionen sind: Wie bewertet das FÖS dann die Überlegungen für einen Industriestrompreis?
Wie bei vielen anderen Subventionen muss auch bei einem Industriestrompreis hinterfragt werden, ob er wirklich die richtigen Anreize gibt. Wenn staatliche Hilfen den Handlungsdruck für Transformationsprozesse verringern, sollte man sie streichen. Es gibt sinnvollere Möglichkeiten energieintensive Unternehmen zu unterstützen, als ihren Stromverbrauch zu subventionieren.
Oberstes Ziel muss immer die Umgestaltung hin zu einer klimaverträglichen Industrie sein. Statt auf einen Industriestrompreis setzen wir hier große Hoffnungen auf die Klimaschutzverträge, die hoffentlich bald umgesetzt werden.
Was hat es mit diesen Klimaschutzverträgen auf sich?
Die Verträge packen eines der Hauptprobleme der Transformation an der Wurzel: Noch sind der Betrieb und die Investition in klimafreundlichere Industrieanlagen teurer als der Weiterbetrieb der konventionellen Anlagen. Deswegen laufen letztere meist weiter und es tut sich zu wenig.
Die Klimaschutzverträge sollen Unternehmen hier Planungssicherheit geben, indem der Staat für einen festen Zeitraum diese Differenz der Kosten ausgleicht – man spricht deshalb auch von Differenzverträgen. Unternehmen haben so keinen Nachteil mehr, wenn sie sich für eine grüne Investition entscheiden und dafür kurzfristig Mehrkosten in Kauf nehmen.
Auch die Finanzierung finden wir wegweisend. So greift der Staat in der Transformationsphase unter die Arme, doch wenn diese abgeschlossen ist, kehren sich die Zahlungen um und die Unternehmen zahlen ihre Mehreinnahmen anteilig zurück.
Die ersten vorbereitenden Verfahren sind im Juni gestartet, doch es gibt noch offene Fragen – nicht zuletzt zur Finanzierung und der Abstimmung mit EU-Recht. Sollten hier zeitnah Antworten gefunden werden, könnte dies ein starkes Instrument für die Transformation werden.
Das Interview führte Finn Rohrbeck.