Klimaklage erfolgreich: Klimaschutz ist Menschenrecht
Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte gab am Dienstag Schweizer Seniorinnen Recht, die mehr Klimaschutz vom Staat fordern. Das Urteil bestätigt erstmals Klimaschutz als Menschenrecht. Es könnte wegweisend sein.
10.04.2024 – Am Dienstag verkündigte der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) in Straßburg das Urteil zu drei Klimaklagen. Zwei wurden als unzulässig abgewiesen. Bei der dritten handelt es sich um die Klage einer Gruppe Schweizer Seniorinnen, die den Freistaat wegen unterlassenem Klimaschutz verklagt hatte. Dieser Klage wurde stattgegeben – und die Schweiz zu mehr Klimaschutz verurteilt. Eine Berufung ist nicht möglich.
Drei Klimaschutzklagen, ein Erfolg
Die Kläger hatten jeweils einen oder mehrere Staaten vor dem EGMR auf mehr Klimaschutz verklagt. Der EGMR ist ein Organ des Europarats und für Klagen aufgrund der Europäischen Menschenrechtskonvention sämtlicher 46 Mitgliedstaaten zuständig. Zum Europarat gehören fast alle Länder Europas, darunter die Mitglieder der Europäischen Union, aber auch Großbritannien, die Türkei – und bis zum Einmarsch in die Krim 2014 – Russland.
Die Klagen einer Gruppe portugiesischer Jugendlicher sowie eines ehemaligen französischen Bürgermeisters wurden als unzulässig abgewiesen. Die Portugiesen müssten sich erst durch die nationalen Instanzen klagen, der Bürgermeister sei wegen mangelnder persönlicher Betroffenheit nicht klageberechtigt.
Die Schweizer Seniorinnen feiert hingegen einen großen Erfolg. Mehr als 2000 Seniorinnen unterstützen die von Greenpeace initiierte Gruppe in der Schweiz. Sie verklagten die Schweiz auf mehr Klimaschutz, da ältere Generationen besonders stark von Klimafolgen wie Hitzewellen beeinträchtigt würden. Das Gericht entschied für die Seniorinnen. Die Schweiz, so das Urteil, tue bisher nicht genug gegen die Klimakrise und Emissionen.
Menschen vor Klimakrise schützen
Die Schweiz will bis 2050 klimaneutral werden und hat 2017 das Pariser Klimaabkommen ratifiziert. Damit verpflichtet sich der Freistaat, Treibhausgasemissionen bis 2030 um mindestens 50 Prozent gegenüber 1990 zu senken. Eine umfassende Überarbeitung des Klimaschutzgesetzes lehnten die Schweizer in einer Abstimmung 2021 zunächst ab. Mitte 2023 wurde dann ein neues Klimaschutzgesetz angenommen, dass u.a. vorsieht, den Öl- und Gasverbrauch schrittweise zu senken.
Die Richter des EGMR begründeten ihr Urteil im Besonderen damit, dass die Schweiz kein Restbudget für Emissionen festgelegt hat. So ist nicht erkennbar, inwieweit bisher implementierte Maßnahmen ausreichen, um die Klimaziele zu erreichen.
Die Schweiz ist überdurchschnittlich von den Folgen des globalen Temperaturanstiegs betroffen. Dem Schweizer Bundesamt für Umwelt zufolge ist die Durchschnittstemperatur des Landes heute rund 2 Grad Celsius höher als zu Messbeginn Mitte des 19. Jahrhunderts. Die Temperatur ist damit in der Schweiz rund doppelt so stark gestiegen wie im globalen Durchschnitt. Besonders betroffen sind die Gletscher der Alpenregion.
Urteil signalisiert Klimaschutzpflicht
Klima- und Umweltaktivisten werten das Urteil als historischen Erfolg. “Der Europäische Gerichtshof hat heute Geschichte geschrieben: Klimaschutz ist Staatspflicht, das haben wir nun schwarz auf weiß“, kommentiert Gianna Martini, Greenpeace-Expertin für Klima und Energie. Der Rechtsspruch habe eine Strahlkraft weit über Europa hinaus. „Es ist ein globaler Meilenstein im Kampf gegen die Klimakrise und bietet die rechtliche Grundlage, dass künftig mehr Menschen ihr Recht auf Klimaschutz einklagen werden“, so Martini. „Die Schweiz wird ihre Klimaschutzziele drastisch anpassen müssen. Diese Entscheidung macht Mut und wird weitere Klimaklagen inspirieren, auch aus Deutschland.”
So ist durchaus wahrscheinlich, dass das Urteil zum Präzedenzfall wird. Ganz konkret hatten auch Deutsche Jugendliche, unterstützt von der Deutschen Umwelthilfe (DUH), beim EGMR auf mehr Klimaschutz geklagt. Das Verfahren ruhte offiziell bis zur Urteilsverkündung zum Fall Schweiz.
„Der Erfolg der Schweizer Klimaseniorinnen ist ein wegweisender Durchbruch für den Klimaschutz und zeigt, dass auch unsere im Oktober 2022 beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte eingereichte Klage gegen die Bundesregierung Aussicht auf Erfolg hat“, sagt DUH-Bundesgeschäftsführer Jürgen Resch. Nach wie vor gefährde das ungenügende Klimaschutzgesetz die Freiheit und Lebensgrundlagen der jungen Beschwerdeführenden und zukünftiger Generationen. jb
Kommentare
Juri Hertel am 10.04.2024
Danke fuer die gute Nachricht.
Mir war entgangen das "Deutsche Jugendliche, unterstützt von der Deutschen Umwelthilfe (DUH), beim EGMR auf mehr Klimaschutz geklagt " haben.Hoffen wir auf ein scharfes Urteil auch in diesem Fall.