KlimaklageKlimaschutzprogramm der Bundesregierung ungenügend

Zwei Frauen und drei Männer auf einer Bühne
Spitzenkräfte der Ampel-Parteien bei der Unterzeichnung des Koalitionsvertrages 2021. Der sieht explizit keine Tempolimit vor, aber einen Abbau klimaschädlicher Subventionen (Bild: Sandro Halank, Wikimedia Commons, CC BY-SA 4.0)

Nun ist es offiziell, die Bundesregierung verstößt gegen das geltende Klimaschutzgesetz. Die Umweltverbände BUND und Deutsche Umwelthilfe hatten geklagt und Recht bekommen. Die Sektoren Verkehr und Gebäude müssen nachsteuern.

01.12.2023 – Zwar will die Bundesregierung Änderungen am Klimaschutzgesetz auf den Weg bringen, doch den Bundestag passiert haben diese Änderungen noch nicht. Vertreter:innen der Fraktionen von SPD und Grüne stellen sich gegen eine komplette Aufweichung der einzelnen Sektorenziele, die FDP ist weiterhin dafür. So gilt weiterhin das aktuell geltende Klimaschutzgesetz. Und das verpflichtet einzelne Sektoren zu wirksamen Sofortmaßnahmen, um die jährlich festgelegten Emissionsminderungen zu erreichen.

Das hat das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg am gestrigen Donnerstag bestätigt. Geklagt hatten die Umweltverbände Bund für Umwelt- und Naturschutz (BUND) sowie die Deutsche Umwelthilfe in zwei getrennten Verfahren. Die Richter:innen sprachen nun ein gemeinsames Urteil. Nachdem das Umweltbundesamt für die Sektoren Verkehr und Gebäude für die Jahre 2021 und 2022 Überschreitungen der zulässigen Jahresemissionsmengen festgestellt hatte, mussten die zuständigen Bundesministerien der Bundesregierung Sofortprogramme vorlegen, die Einhaltung der Jahresemissionsmengen des jeweiligen Sektors für die folgenden Jahre sicherstellt.

Vor allem das Bundesverkehrsministerium unter der Leitung von Volker Wissing legte ein lückenhaftes Programm mit vielen offenen Fragen vor. Die Bundesregierung hätte, nach Auffassung der Richter:innen am Oberverwaltungsgericht über die zu ergreifenden Maßnahmen im betroffenen Sektor oder in anderen Sektoren oder über sektorübergreifende Maßnahmen beraten und diese „schnellstmöglich“ beschließen müssen. Dies geschah jedoch nicht. Stattdessen legte die Bundesregierung ein Klimaschutzprogramm 2023 vor, das der wissenschaftliche Expert:innenenrat der Bundesregierung für Klimafragen als unzureichend monierte und dass laut Oberverwaltungsgericht nicht die Anforderungen an ein Sofortprogramm nach dem Klimaschutzgesetz erfülle.

Denn das Klimaschutzprogramm überprüfe anhand einer sektorübergreifenden und mehrjährigen Gesamtberechnung nur, ob die Klimaschutzziele bis 2030 erreicht werden. Ein Sofortprogramm dagegen müsse kurzfristig wirksame Maßnahmen enthalten, die die Einhaltung der im Klimaschutzgesetz ausgewiesenen Jahresemissionsmengen für die folgenden Jahre im jeweiligen Sektor sicherstellen. Die Rechtsanwält:innen der BUND-Klage, Lisa Hörtzsch und Felix Ekardt, erklärten im Anschluss an das Urteil: „Das Klimaschutzgesetz ist eindeutig. Es steht nicht im Belieben der Bundesregierung, ob sie bei Überschreitungen von Jahresemissionsmengen durch einzelne Sektoren ein Sofortprogramm aufstellt oder nicht. Das gilt umso mehr, als gemessen am Verfassungsrecht und an der 1,5-Grad-Grenze aus dem Pariser Klima-Abkommen die deutschen Klimaziele weiterhin unzureichend sind.“

Schnell wirkende Maßnahmen vor allem im Verkehr

Laut BUND und DUH sind es insbesondere im Verkehr schnell und einfach wirkende Maßnahmen, die Millionen Tonnen CO2 einsparen können. So sagte DUH-Bundesgeschäftsführer Jürgen Resch: „Die Bundesregierung muss angesichts der heute startenden Weltklimakonferenz ein Zeichen für einen Neustart im Klimaschutz setzen und als einzige sofort wirksame Maßnahme ein Tempolimit von 100 km/h auf Autobahnen, 80 km/h außerorts und Tempo 30 für die Stadt umsetzen. Damit lassen sich jährlich über 11 Millionen Tonnen CO2 und damit ein Drittel des Fehlbetrages im Verkehrssektor einsparen.“ Zudem könne mit der Abschaffung des Dienstwagenprivilegs die Ampel-Koalition auf einen Schlag bis zu 6 Millionen Tonnen CO2 und viele Milliarden Euro einsparen.

Wie viele Milliarden, das hat das Forum Ökologisch Soziale Marktwirtschaft (FÖS) im Auftrag von Ökoenergieversorgern errechnet. Demnach könnte der Bund bei einem Wegfall der Steuervorteile für Dieselfahrzeuge pro Jahr 8,5 Milliarden Euro zusätzlich einnehmen. Eine Abschaffung der Pendlerpauschale, von der vor allem Autofahrer:innen auf langen Strecken profitieren, würde 2,2 Milliarden an Mehreinnahmen pro Jahr bringen und der Wegfall bestehender Steuervorteile für Dienstwagen 1,8 Milliarden. Gemeinsam mit dem Wegfall von ein Dutzend weiterer klimaschädlicher Subventionen kommt das FÖS auf knapp 24 Milliarden Euro pro Jahr, die der Bund kurzfristig mehr einnehmen könnte. Zum Vergleich: Der Fehlbetrag im Klima- und Transformationsfonds (KTF) wird für 2024 mit allen bisher geplanten Vorhaben auf 18 Milliarden Euro beziffert. Bis Ende 2026 könnten so die fehlenden 60 Milliarden Euro aus dem KTF wettgemacht werden.

Auch BUND und DUH sehen den Wegfall weiterer klimaschädlicher Subventionen, wie Steuererleichterungen für Kerosin als Geboten an, um Emissionen einzusparen. DUH-Bundesgeschäftsführerin Barbara Metz fordert im Hinblick auf den Gebäudesektor zudem Maßnahmen wie die Sanierung der schlechtesten Gebäude zuerst, eine Sanierungsoffensive für Kitas und Schulen und der klimazielkompatible Neubau. „Mit der aktuell völlig kopflosen und verantwortungslosen Gebäudepolitik von Kanzler Scholz, Bauministerin Geywitz und Klimaminister Habeck steuert Deutschland auf eine riesige Zielverfehlung zu, die nicht nur ein klimapolitisches Desaster ist, sondern auch in Kauf nimmt, dass Millionen Menschen in Deutschland ihre Energiekosten nicht mehr werden bezahlen können“, so Metz angesichts der bisherigen Entwicklung.

Weitere Klimaklagen der DUH werden Anfang Februar 2024 verhandelt. Darin geht es konkret darum, die Regierung zum Beschluss ausreichender Klimaschutzmaßnahmen in den jeweiligen Sektoren bis zum Jahr 2030 zu zwingen. Gegen das aktuelle Urteil prüft die Bundesregierung Revision einzulegen, wie das Bundeswirtschaftsministerium auf Anfrage der dpa mitteilte. Am Donnerstagabend bestätigte Bundesverkehrsminister Wissing gegen das Urteil vorgehen zu wollen. Mit Spannung werden nun die weiteren Beratungen im Bundestag zur Reform des Klimaschutzgesetzes erwartet, die Auswirkungen auf künftige Gerichtsentscheidungen haben werden. Lisa Badum, Obfrau im Ausschuss für Klimaschutz und Energie der Grünen-Bundestagsfraktion sagte nach dem Urteil des Oberverwaltungsgerichts via X: „Die Bundesregierung muss nachsteuern im Klimaschutz, insbesondere bei Verkehr und auch Gebäude. Wir müssen das sehr ernst nehmen, auch bei den aktuellen Verhandlungen zum Klimaschutzgesetz.“ mg

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