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EnergiewirtschaftNeue Abhängigkeiten vermeiden

Ein Mann mit Anzug und Halbglatze bei einer Rede auf einem Podium
Bundeskanzler Olaf Scholz sprach am gestrigen Mittwoch auf dem Sommerfest des Bundesverbands Erneuerbare Energien. (Foto: BEE / Johannssen-Koppitz)

Lob für die Maßnahmen zum Ausbau von Wind und Solar, Kritik an der fehlenden Würdigung der Bioenergie, gab es bei einem Treffen der Energiewirtschaft in Berlin zur Novelle des EEG. Zudem dürfe die Energiewende nicht neue Abhängigkeiten zementieren.

07.07.2022 – Beim Strom sind die Ausbauziele von 80 Prozent Erneuerbaren bis 2030 schon länger klar und werden nun mit der Novelle des Erneuerbaren-Energien-Gesetzes (EEG) in Gesetzesform gegossen. Begleitend wurden deutliche Verbesserungen für die Wind- und Solarenergie verabschiedet.  Auch der Wärmebereich soll mit dem Betrieb von bis zu sechs Millionen Wärmepumpen bis 2030 zum Teil elektrifiziert werden. Andere Formen der klimafreundlichen Wärmeversorgung, wie die Geothermie und Biogas finden laut Energieexpert:innen noch immer zu wenig Beachtung. Die Silos für Biogas seien voll, so Simone Peter, Präsidentin des Bundesverband Erneuerbare Energien (BEE), am gestrigen Mittwoch auf dem BEE-Sommerfest in Berlin. Damit könne man bundesweit fünf Prozent des russischen Erdgases ersetzen. In Niedersachsen seien es sogar 20 Prozent.

Auch der niedersächsische Energie- und Umweltminister Olaf Lies befürwortet die verstärkte Nutzung von Biogas. Diese müsste jedoch vor allem aus Reststoffen kommen und nicht aus landwirtschaftlichen Flächen, welche für die Ernährung bereitstehen müssen. Neben Energiemangel droht im Zuge von Ukrainekrieg und Klimawandel auch die größte globale Ernährungskrise der letzten Jahre.

Die großen Potenziale der Bioenergie wurden in der EEG-Novelle vernachlässigt konstatieren die Bioenergieverbände. Nach wie vor sei das Hauptanliegen der Branche einer auskömmlichen Anschlussvergütung für Biogasanlagen nach Ablauf des zweiten Vergütungszeitraumes auf taube Ohren gestoßen, sagt Sandra Rostek, Leiterin des Hauptstadtbüros Bioenergie. „Aktuell können Biogasanlagen aufgrund der hohen Energiepreise rentabel betrieben werden, sie benötigen jedoch eine Absicherung auf der Erlösseite, da kontinuierlich Investitionen zu tätigen sind. Auch wurden die endogene Mengensteuerung sowie Anreize zur weiteren Flexibilisierung von Biogasanlagen nicht aufgegriffen“, so Rostek.

„Revitalisierung der Wertschöpfungsketten in der EU“

Bundesverband Solarwirtschaft und Bundesverband WindEnergie hingegen bewerten, mit wenigen Abstrichen, die EEG-Novelle positiv (eine detaillierte Analyse folgt). Doch für den Ausbau von Wind und Solar, ebenso wie für Wärmepumpen, braucht es Fachkräfte und die richtigen Materialen. Yasmin Fahimi, Vorsitzende des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB), mahnte auf dem BEE-Sommerfest eine „Revitalisierung der Wertschöpfungsketten in der EU“ an. Die Energiewende dürfe nicht neue Abhängigkeiten zementieren, sondern abbauen.

Nachdem zu Beginn des Solarzeitalters noch deutsche Solarprodukte weltweit Wertschätzung fanden und gefragt waren, wanderte die Produktion zunehmend ins Ausland. Heute gibt es keine ernstzunehmenden Produktionskapazitäten mehr in Deutschland und der EU, die über die Endfertigung von Modulen hinausgehen. Silizium, Wafer, Zellen, Gläser, Folien, Rahmenprofile, Kabel und Anschlussdosen – die meisten Vorprodukte müssen mittlerweile aus Asien, speziell aus China, bezogen werden. Von dort bestehen aktuell erhebliche Lieferkettenprobleme, die für Probleme bei der Energiewende sorgen.

Auch die heimische Windenergie-Wirtschaft wurde in den letzten Jahren abgewürgt. Firmen mussten Stellen abbauen und Fertigungshallen schließen. Erst letzte Woche wurde das Nordex-Werk in Rostock geschlossen und damit das größte Rotorblattwerk Deutschlands. Für rund 600 Beschäftigte bedeutet das den Jobverlust vor Ort. Wie Nordex bereits im Februar mitteilte, seien die Gründe für die Schließung das schwierige Markt- und Wettbewerbsumfeld sowie eine Verschiebung der Nachfrage. Die Fertigung wird nun nach Indien verlagert, von wo aus die für die Energiewende nötigen Rotorblätter voraussichtlich wieder nach Deutschland exportiert werden. Neue Lieferkettenprobleme könnten entstehen.

„Energiepolitik ist Sicherheitspolitik“

Stattdessen müsse man in Deutschland und Europa den Weg in eine „nachhaltige Unabhängigkeit“ beschreiten, so Fahimi. Man müsse als Industrieland beweisen, dass dies geht. Zuvor sprach Bundeskanzler Olaf Scholz, der beim Thema Unabhängigkeit den Fokus zunächst auf Russland setzte. „Energiepolitik ist nicht nur eine Frage des Preises, Energiepolitik ist Sicherheitspolitik“, sagte Scholz. Zwar brauche es übergangsweise LNG-Terminals, die später auf Wasserstoff umgestellt werden können, aber vom Kohle- und Atomausstieg dürfe nicht abgewichen werden und Erneuerbare Energien seien der einzige Weg für eine sichere und bezahlbare Stromversorgung, so Scholz, der für den Herbst weitere Gesetzespakete ankündigte. Für die Vermeidung weiterer Abhängigkeiten und einem Gelingen der Energiewende sollten dabei auch dem Fachkräftemangel entgegengewirkt und die heimische Produktion Erneuerbarer Energien gefördert werden. Manuel Först


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