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Atomenergie in EuropaNeues Atomkraftwerk Olkiluoto III in Finnland fertiggestellt

Die drei Reaktoren des Kernkraftwerks Olkiluoto in Eurajoki, Finnland.
Die drei Reaktoren des Kernkraftwerks Olkiluoto in Eurajoki, Finnland. Ganz links ist der neue Reaktor Olkiluoto III zu sehen. (Bild: Hannu Huovila / TVO /Wikimedia Commons / CC BY 3.0)

In Deutschland werden Atomkraftwerke abgeschaltet, anderswo in Europa werden sie neu gebaut. Ende 2021 ging erstmals seit Fukushima ein neuer Reaktor ans europäische Netz. Er hat 13 Jahre Verspätung und kostet mehr als dreimal so viel wie geplant.

06.01.2022 – Der neue Reaktor ist der fünfte Finnlands und wurde Ende März 2021 offiziell fertiggestellt. Kurz vor Ende des Jahres ging er nach langen Verzögerungen ans Netz. Das Atomkraftwerk (AKW) sollte eigentlich bereits vor 13 Jahren Strom liefern, doch immer neue Probleme verzögerten den Bau und ließen die Kosten nach Medienberichten von angesetzten 3 Milliarden auf 10 Milliarden ansteigen. Finnland setzt trotzdem offensiv auf Atomkraft, und auch in anderen europäischen Ländern sind wieder AKWs geplant.

Der Bau verzögert sich

Bei dem AKW handelt es sich um den dritten Block des Kernkraftwerks auf der Insel Olkiluoto, die im Westen Finnlands liegt. Der Reaktor Olkiluoto III (OL3) ist ein sogenannter Europäischer Druckwasserreaktor (EPR) der dritten Generation. Der EPR mit einer Leistung von 1.600 Megawatt sollte bei Baubeginn 2005 drei Milliarden Euro kosten und ab 2009 Strom erzeugen.

Der Bau des Atomkraftwerks ist jedoch alles andere als eine Erfolgsgeschichte. Bereits im ersten Jahr verzögerte sich der Bau massiv, Fehler und Materialprobleme rissen nicht ab. Über die nächsten Jahre häuften sich die Probleme, die Kosten stiegen kontinuierlich an, und der Termin der Fertigstellung wurde immer wieder verschoben.

Zwischenzeitlich entbrannte ein Rechtsstreit um die explodierenden Kosten zwischen dem finnischen Betreiber TVO und den deutsch-französischen Herstellerunternehmen Areva und Siemens, der sich fast über ein Jahrzehnt hinzog. Erst 2018 endete er in einem Vergleich. Areva und Siemens mussten die vollständigen Mehrkosten des verzögerten Reaktorbaus tragen, und wurden zusätzlich zu Entschädigungszahlungen in Höhe von 450 Millionen Euro an TVO für entfallene Einnahmen verpflichtet.

Es hakt an allen Ecken und Enden

Weil Areva die Verluste nicht mehr hätte stemmen können, sprang 2018 der französische Staat ein. Im Zuge einer Umstrukturierung übernahm der größtenteils staatliche französische Stromkonzern EDF mehrheitlich Areva. Der Bau von Atomkraftwerken und Brennelementfertigung werden nun unter dem Namen Framatome betrieben.

OL3 ist das erste AKW dieser Bauart, das in Europa ans Netz geht. EPRs werden als modern angepriesen, doch auch anderswo in Europa traten bereits Probleme auf. Im französischen Flamanville zum Beispiel, wo die Reaktoren ebenfalls gebaut werden, wird seit Jahren mit Verzögerungen und explodierenden Kosten gekämpft.

Mit der Genehmigung zur Beladung mit Brennstäben ist das neue finnische AKW OL3 zwar offiziell fertiggestellt, der Trend vom Bau setzte sich jedoch fort. Im Laufe des Jahres kam es erneut zu Verzögerungen. Der Reaktor wurde deshalb erst kurz vor Jahresende nuklear kritisch, und nicht, wie geplant, bereits im Herbst. Nach aktuellen Verlautbarungen soll OL3 nun ab Juli 2022 mit voller Kapazität Strom liefern.

Atomkraft – wider besseres Wissen

Finnland ist das erste europäische Land, das nach Fukushima ein neues Kernkraftwerk ans Netz gehen lässt. Das Projekt war einmal als Vorzeigeobjekt der Atomindustrie geplant, doch nach über einem Jahrzehnt Verspätung, Rechtsstreits und Milliardenverlusten blieb es zum Jahresende eher ruhig um OL3.

Trotz allem geistert die Idee der Atom-Renaissance weiter durch Europa. Widerstand aus der Bevölkerung gibt es in Finnland kaum. Und das, obwohl in Olkiluoto zusätzlich das weltweit erste Atommüllendlager gebaut wird. Selbst die finnischen Grünen unterstützen die Atomenergie, zumindest, so heißt es, als Übergangstechnologie. Mit dem irrigen Klimaschutzargument setzt Finnland unbeirrt weiter auf Atomkraft, und auch einige andere europäische Länder planen neue Reaktoren.

Das Vorhaben der Niederländer, zwei neue Kernkraftwerke zu bauen, rückt ebenfalls näher. Die Pläne dafür gibt es schon länger. Ministerpräsident Rutte präsentierte im Dezember 2021 nach 10 Monaten Verhandlung den Koalitionsvertrag der vier vertretenen Parteien. In ihm ist der Neubau zweier Atomkraftwerke explizit erwähnt. Die Regierung will die Investoren bei ihren Sondierungen unterstützen, aber auch andere staatliche Hilfen gewähren. Sie verspricht zudem, für eine sichere und dauerhafte Lagerung des Atommülls zu sorgen. Doch damit nicht genug. Auch das bereits in Betrieb befindliche Kernkraftwerk Borssele soll länger laufen. Seine planmäßige Abschaltung wäre 2034 gewesen. Wie die Finnen begründen auch die Niederländer ihr Vorhaben mit den Klimazielen.

Neben den Niederlanden wollen unter anderen Serbien, Rumänien, Bulgarien, Polen und Estland weiter auf Atomenergie setzen. jb


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Kommentare

Diskutieren Sie über diesen Artikel

Heinz Tönnies 20.01.2022, 23:39:48

+109 Gut Antworten

Hier ist vom „irrigen Klimaschutzargument“ die Rede.

Aber ist der Klimaschutz nicht im Gegenteil das einzige Argument für Kernkraft und muss mit den bekannten Nachteilen abgewogen werden?

Daher ist das Argument allerdings doch nicht irrig.

Rainer Gnirke 14.09.2022, 21:18:01

Ich war als einer der leitenden Ingenieure von 1973 bis 1977 am Bau der KKWs Ringhals 3 und 4 beteiliegt. !977 ging Ringhals 3 in dem Warmprobelauf und 1978 ans Netz und läuft noch bis heute.Probleme wurden mit dem Erbauer, der Behörde und dem Errichter ingenieurmässig besprochen und gelöst. Ich war 2011 beratend tätig in Olkiluoto.Ich habe in meinem ganzen Berufsleben niemals soviel Inkompetenz erlebt wie auf dieser Baustelle, hauptsächlich auf seiten des Errichters AREVA. Daher ist die Bauzeit nicht verwunderlich. Gleiches passiert in Flamville.

Johannes Schmidt 04.04.2023, 15:10:26

+42 Gut

Ringhals, das ist die Technik der 1950-er Jahre und auch deren Sicherheitsverständnis. Das ganze im Monopol zwangsbezahlt von den Privatkunden.

 

Das geht heute nicht mehr.

Adolf Reiser 17.10.2022, 09:28:07

Man geht so lange aufs Eis bis es bricht !

Den Machern der Energiepolitik geht immernoch Money vor Sicherheit .... und dies seit Jahrzehnten schon .... obwohl die Ruinen von Tschernobyl und Fukoshima bis heute die Umwelt Tag für Tag weiter belasten !

Mit der neuen molekularen Plasmaenergie kann man alle Probleme lösen ! Dazu gibt es bereits Anlagentechniken die als Virtuelle Kraftwerke zusammengeschaltet werden können - obwohl sie dezentral betrieben werden !

Das wichtigste ist das man aus Solar - und Windstrom ..... über einen Transmutations - Prozess .... einen hoch effizienten Energieträger aktivieren kann .... der alle Probleme was Strahlung, Kosten, toxische Reststoffe bis hin zu ewiger Ressourcenbereitstellung das Welt - ENERGIE PROBLEM für alle Länder bezahlbar ein für Allemal löst ! Das SUPRA HYDROGENIUM ... ist hier die einzige EXPANDED ENERGY mit COP Faktor 1.000 !

Horst Schimm 28.03.2023, 16:20:49

Atomkraft wider besseres Wissen

Das schreiben Menschen, die wirklich nicht wissen, wie wir das Klimaproblem lösen können. Kein Mensch will in Deutschland noch Ingenieur werden. Warum? Weil hier Schauspieler, Talkmaster und sonstige technisch Unwissende die öffentliche Meinung bestimmen.

Leider werde ich die Wende in Deutschland nicht mehr erleben. Aber sie kommt auch für uns. Oder Deutschland geht schon vor dem Klimaknall unter.

Die ganze Welt ist dumm, nur Deutschland ist schlau. Das hat noch nie gestimmt aber jetzt ist Deutschland ein Jammertal.

Christoph Thomann 03.04.2023, 11:19:42

Als Physiker staune ich immer wieder über die die Wunschträume, wie Solar- und Windenergie das Klima retten könnten. Ohne Kernenergie geht das nicht. Bei der Solarenergie, die nur um die Mittagszeit und bei Sonnenschein anfällt, ist das Speicherproblem völlig ungelöst. Und was ist bei einer Schlechtwetterperiode und im Winter? Dabei braucht die Zukunft viel mehr Strom für den Ersatz der fossilen Brennstoffe beim Verkehr und beim Heizen.

Johannes Schmidt 04.04.2023, 15:08:24

+39 Gut

Seit 14 Jahren, lieber Herr Thomann, erzeugt Olkiluoto 3 zuverlässig, verlässlich und praktisch rund um die Uhr keinen Strom.

 

Auch im zweitteuersten Stromwinter der Geschichte 2021/2022 erzeugte das AKW, mehr als ein Jahrzehnt nach Fertigstellung, zuverlässig keinen Strom.

 

Als Russland letztes Jahr die Stromleitung nach Finnland abklemmte, erzeugte es keinen Strom.

 

Und im teuersten Stromwinter der Geschichte, 2022/23? Da erzeugte das AKW keinen Strom. Allen Ankündigungen zum Trotz.

 

Nur die Windkraft, die deckte bereits 1/6 des Landesbedarfs. Vor zwei Jahren war es nur halb so viel.

Thomas 07.04.2023, 14:00:18

Deutschland hatte den ganzen Winter über meist die zweithöchsten CO2-Emissionen in Europa nach Polen gehabt. Finnland hatte max. ein Viertel der Emissionen von Deutschland, weil es auf einen vernünftigen Mix aus erneuerbaren Energien und Kernkraft setzt. Kein großes Industrieland auf der Welt außer Deutschland steigt aus der Kernkraft aus, das sollte uns doch zu denken geben. Mit Solar- und Windkraft allein werden wir die Energiewende nicht schaffen, zumal es ja die Speichertechnik noch nicht wirklich gibt bzw. diese enorm teuer ist und einen geringen Wirkungsgrad hat (H2). Der Atomausstieg nächste Woche ist ein Fehler, es werden sich dann die CO2-Emissionen weiter erhöhen, weil der Atomstrom durch Kohle- und Gasstrom ersetzt wird. Wichtig wäre der Ausbau von beiden Energien: Erneuerbare Energien und Kernkraft.

Georg Schuster 10.04.2023, 00:38:37

@ Johannes Schmidt: Auf Ihren polemischen, nichtssagenden Kommentar. die passende Antwort darauf. Wie viele, gern auf Bayern bezogen, nicht gebaute Windradl hätten im teuersten Stromwinter wegen nicht wehendem Wind keinen Strom ins Netz eingespeist?

In Hamburg wurde wie viele Jahre verspätet erstmals in der den Steuerzahler ein mehrfaches der vorgegaukelten Kosten kostenden "Elphi" ein Konzert gegeben - in Berlin hob auf dem BER nach wie vielen Jahren Verspätung und einer Verdoppelung der Kosten erstmals nach planmäßig ein Flugzeug ab - und als drittes: in München wird wann? mit welcher Vervielfachung der Kosten erstmals eine S-Bahn Personen durch die 2 te Stammstrecke befördern? Weder das Bauwerk "Elphi", noch der Flughafen BER und auch nicht das Infrastrukturprojekt in München sind an sich verantwortlich für die Verzögerungen und die Vervielfachung der Kosten. Schuld daran sind sind in erster Linie dilettantische Verantwortlichkeiten in der Projektsteuerung mit an der Spitze politischen Einflussnahmen.

In der Schweiz wurde von Profis auf politischer wie ausführungsseitiger Ebene termin- und vor allem kostengerecht der mehr als 50 km lange Gottharttunnel gebaut.

Bei den Kosten für OL§ waren die Finnen immerhin dann doch so clever, diese den Dilettanten des Auftragnehmers aufzudrücken. Wer weiß wie das in DE gehändelt werden würde.

Georg Schuster 10.04.2023, 17:59:16

@ Herr J. Schmidt, 040.04.14.08

Ihr Kommentar ist substanzlos, würde ich in näher bewerten, würde es nicht veröffentlicht werden.

 

Dass OL3 mit 14 Jahren Verspätung ans Netz ging war in erster Linie Folge einer unglaublich dilettantischen Projekteabwicklung, was sich allein schon daraus erklärt, dass die Mehrkostenforderungen des Auftragnehmerkonsortiums zu 100% abgewiesen wurden. Ob der letzte Winter für die finnischen Strombezieher der "teuerste ever" war, wissen Sie im Übrigen gar nicht.

 

Bzgl. Dilettantismus, allerdings auf der Auftraggeberseite - und ohne jegliche Konsequenzen für die Verantwortlichen -denken Sie bitte nur an "Elphi" in Hamburg und an BER in Berlin.

 

Windradl, besonders gern mehr davon in Bayern angefordert, liefern übrigens auch keinen Strom, wenn kein Wind bläst.

Das ist es den - G.s.D. nicht vorhandenen - Windradln auch wurscht, ob in DE gerade der stromteuerste Winter "ever" an stand.


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