Klimaklagen gegen Bundesländer: Noch schlechter als auf Bundesebene
Nicht nur der Bund, auch die Bundesländer müssen mehr für den Klimaschutz tun. Daher reichten Kinder und jungen Erwachsene inzwischen gegen die Hälfte aller Bundesländer Verfassungsbeschwerde ein.
14.09.2021 – Gegen Bayern, Brandenburg und Nordrhein-Westfalen zogen Kinder und Junge Erwachsene gemeinsam mit der Deutschen Umwelthilfe (DUH) bereits Anfang Juli vor das Bundesverfassungsgericht. Am gestrigen Montag folgten Klagen gegen die Landesregierungen von Hessen, Mecklenburg-Vorpommern, Saarland, Sachsen und Sachsen-Anhalt. Acht der 16 Bundesländer wurden damit aufgrund fehlender oder unzureichender Landesklimaschutzgesetze verklagt.
Remo Klinger, der die Verfahren juristisch leitet, sagte bei der Vorstellung der Klimaklagen: „Nicht nur die Bundesregierung ist verpflichtet, das Klima mit verbindlicher Gesetzgebung und umfassenden Maßnahmen zu schützen, sondern auch die Landesregierungen. Trotzdem sieht es bei allen Ländern, gegen die wir heute Verfassungsbeschwerde einreichen, beim Klimaschutz noch schlechter aus als auf Bundesebene."
In Bayern und Nordrhein-Westfalen existieren zwar Klimaschutzgesetze, doch diese sind nach Auffassung der Kläger:innen nicht konform mit dem Pariser Klimaschutzabkommen. Nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom April, gegen das von der Bundesregierung bis dato verabschiedete Klimaschutzgesetz, verstoßen diese damit auch gegen das Grundgesetz.
Hessen
In Hessen wird zwar über ein Klimaschutzgesetz diskutiert, verabschiedet hat die schwarz-grüne Landesregierung bislang jedoch keines. 2017 wurde lediglich ein Klimaschutzplan verabschiedet, der jedoch ungeeignet erscheint, verfassungsrechtliche Pflichten zum Klimaschutz zu erfüllen. So fehlen nach Ansicht von Alena Hochstadt, Beschwerdeführerin aus Hessen, und der DUH verbindliche Jahresziele zur Einhaltung des verbleibenden CO2-Budgets, um die Globale Erwärmung auf möglichst 1,5 Grad zu begrenzen. Gemessen am Anteil der Weltbevölkerung dürfte Deutschland seit Beginn des Jahres nur noch 6,7 Milliarden Tonnen ausstoßen. Allein im letzten Jahr betrug der Ausstoß jedoch 644 Millionen Tonnen.
Warum auch Hessen entscheidend zur CO2-Reduktion beitragen könne machte Sascha Müller-Kraenner, Bundesgeschäftsführer der DUH, gegenüber der Hessenschau an einem Beispiel deutlich: Hessen sei eines der Bundesländer mit den höchsten CO2-Emissionen im Verkehrsbereich. Das Planungsrecht für Verkehr liege im Kompetenzbereich der Bundesländer. "Verkehrsplanungen müssen sich eben zukünftig nach dem Klimaschutz richten, und da brauchen wir klare gesetzliche Vorgaben", so Müller-Kraenner.
Sachsen
In Sachsen scheiterte ein Entwurf für ein Klimaschutzgesetz im Dezember 2020. Das vorliegende Energie- und Klimaprogramm enthalte weder relevante Zielstellungen noch bestehe Rechtsschutz bei Klagen für den Klimaschutz, kritisieren die DUH und Tristan Runge, Beschwerdeführer aus Sachsen. „Mir ist absolut unbegreiflich, wieso Sachsen keine Pläne für sozial-gerechten Klimaschutz vorzeigen kann“, sagte Runge. Seit 2019 besteht in Sachsen eine Regierungskoalition aus CDU, Bündnis 90/Die Grünen und der SPD.
Der klimapolitische Sprecher der Grünen Fraktion im sächsischen Landtag, Daniel Gerber, sagte nach Bekanntwerden der Verfassungsbeschwerde: „Die Klage ist für uns in Sachsen eine erneute Aufforderung, den Weg zur Klimaneutralität konsequenter und vor allem mit hoher Verbindlichkeit zu beschreiten.“ Gemeinsam mit dem Grünen Umweltminister Wolfram Günter sieht Gerber die Klage als „Rückenwind“ für die Arbeit der Grünen in Sachsen. Insbesondere der Ausbau der Windenergie müsse vorangetrieben werden. Müller-Kraenner von der DUH forderte Sachsen zugleich auf, den Ausstieg aus der Kohleverstromung voranzutreiben.
Sachsen-Anhalt
Dasselbe gelte laut Müller-Kraenner für Sachsen-Anhalt. Noch 2019 stammte dort fast 20 Prozent des erzeugten Stroms aus Braunkohle. Das Kohlekraftwerk Schkopau soll nach jetzigem Stand erst 2034 vom Netz gehen. Bislang existiert in Sachsen-Anhalt ein Klima- und Energiekonzept. Darin finden sich 72 Maßnahmen. Die bislang selbst gesteckten Klimaschutzziele habe man laut Umweltministerium zuletzt erreicht. Doch nach Ansicht der Kläger:innen enthält das Klima- und Energiekonzept keine relevanten Zielstellungen.
Mecklenburg-Vorpommern
Auch der sogenannte „Aktionsplan Klimaschutz“ in Mecklenburg-Vorpommern lasse diese vermissen. Es handelt sich dabei um Förderungen, die das Land an Projekte – etwa von Kommunen – vergibt, die zur Reduzierung von Treibhausgasemissionen beitragen. Den Kläger:innen fehlt es hier an einer demokratischen Mitwirkung des Landesparlaments. Beschwerdeführer ist der Greifswalder Grünen-Politiker Hannes Damm. „Seit meiner Geburt hat sich der Ausstoß von klimaschädlichen Treibhausgasen in Mecklenburg-Vorpommern nicht mehr verringert und es gibt keinen Plan, wie die Landesregierung das Klima-Limit aus dem Paris-Abkommen einhalten möchte“, so der 29-Jährige Damm, der gerade Vater geworden ist.
Saarland
Im Saarland fehlt es ebenfalls an einem verbindlichen Klimaschutzgesetz. Dabei gab es dafür bereits mehrere Initiativen. Zuletzt forderten die Grünen im Saarland die regierende Koalition aus CDU und SPD auf, ein Landesklimaschutzgesetz zu verabschieden. Wie zuvor scheiterte der Antrag. Im Verhältnis zur Einwohnerzahl ist das Land Schlusslicht beim Ausbau Erneuerbarer Energien.
Leonie Frank, Beschwerdeführerin aus dem Saarland, sagte: „Ich fühle mich dafür verantwortlich, dass die kommenden Generationen eine Chance auf ein einigermaßen angenehmes Leben bekommen. Die Zeit läuft uns davon: Wir müssen jetzt schnellstmöglich handeln, um die schlimmsten Klimafolgen abzumildern. Auch die Landesregierung im Saarland muss ein Klimaschutzgesetz mit verbindlichen Maßnahmen beschließen. Deshalb ziehe ich vor das Bundesverfassungsgericht.“ mf