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Meinung 20.05.2025

Nukleare Verstrickung mit Russland

„Das Lingener Projekt birgt das Risiko, Rosatom tiefer in die europäische Lieferkette einzubinden, die Abhängigkeit von russischem Nuklearmaterial zu erhöhen und indirekt Moskaus Kriegshandlungen zu finanzieren.“

Vladimir Slivyak, Co-Vorsitzender der russischen Umweltorganisation Ecodefense und Träger des Alternativen Nobelpreises.


Meinung 20.05.2025

Nukleare Verstrickung mit Russland

„Das Lingener Projekt birgt das Risiko, Rosatom tiefer in die europäische Lieferkette einzubinden, die Abhängigkeit von russischem Nuklearmaterial zu erhöhen und indirekt Moskaus Kriegshandlungen zu finanzieren.“

Foto: privat

Vladimir Slivyak, Co-Vorsitzender der russischen Umweltorganisation Ecodefense und Träger des Alternativen Nobelpreises.



20.05.2025 – Während Deutschland  aus der Atomenergie aussteigt, verschärft sich die Kontroverse über eine geplante Zusammenarbeit zwischen dem französischen Unternehmen Framatome und dem staatlichen russischen Atomkonzern Rosatom in der Anlage für „Advanced Nuclear Fuels“ (ANF) im niedersächsischen Lingen. Trotz des russischen Angriffskrieges in der Ukraine und der weit verbreiteten Sanktionen bemüht sich Framatome weiterhin um eine deutsche Genehmigung für ein Joint Venture mit Rosatom. Das Ziel: die Herstellung von Brennstoff für Atomreaktoren russischer Bauart, die in der gesamten Europäischen Union betrieben werden.

Das Projekt, das seit 2021 in Planung ist, hat bei Umweltgruppen, Sicherheitsexperten und Bürgern Empörung ausgelöst. Die Bedenken fußen auf der Tatsache, dass Rosatom direkt und indirekt an den russischen Militäroperationen in der Ukraine beteiligt ist, einschließlich der Besetzung der Atomkraftwerke Tschernobyl und Saporischschja. Kritiker argumentieren, die Zulassung von Rosatom-Aktivitäten innerhalb der deutschen Grenzen berge die Gefahr von Spionage, Sabotage und einer verstärkten politischen Abhängigkeit vom Kreml.

Strategische Gefahren und Sicherheitsrisiken

Rosatom, ein Nuklearkonglomerat mit mehr als 350 Firmen, ist nicht nur ein ziviler Betreiber von Atomkraftwerken. Es ist auch für das russische Atomwaffenprogramm verantwortlich und wird von einem Aufsichtsrat beaufsichtigt, in dem viele sanktionierte Personen sitzen, darunter hochrangige Kreml- und FSB-Beamte.

Obwohl Rosatom selbst nicht von der EU, den USA oder Großbritannien sanktioniert wurde, hat das Europäische Parlament wiederholt gefordert, umfassende Sanktionen zu verhängen und die Zusammenarbeit zu beenden. Dies hätte große geopolitische Bedeutung. Rosatom baut weltweit über 30 Reaktoren, die bis zu 90 Prozent  aus russischen Staatsgeldern finanziert werden – eine Strategie, die darauf abzielt, Russlands politischen und wirtschaftlichen Einfluss auszuweiten, insbesondere in Afrika und Mitteleuropa.

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Frankreich und Russland betreiben gemeinsam eine Produktionsstätte für Brennelemente im niedersächsischen Lingen, die zuletzt ungenehmigt erweitert wurde. Deutsche und russische Aktivisten warnen vor der nuklearen Verstrickung mit Russland.

In Ungarn hat das Atomprojekt Paks-2 – eine gemeinsame Initiative mit Rosatom – zu  wiederholten Vetos gegen die Bemühungen der EU geführt, den russischen Atomsektor zu sanktionieren.

Anhaltende Importe aus Russland inmitten des Krieges

Nach dem russischen Einmarsch in der Ukraine im Jahr 2022 verzeichnete Deutschland einen Anstieg der Einfuhren von russischem Uran. Allein im Jahr 2024 wurden mehr als 82 Tonnen geliefert – ein Anstieg von fast 70 Prozent  im Vergleich zum Vorjahr. Mindestens 18 Uranlieferungen sind seit 2022 in Lingen eingetroffen und haben viel Kritik auf sich gezogen, da sie Deutschlands Haltung gegen die russische Aggression untergraben.

Trotz des öffentlichen Widerstands, darunter über 11.000 formelle Einwände während einer öffentlichen Anhörung in Lingen im November 2024, hält Framatome an dem Projekt fest. Aus Berichten vom Mai 2024 geht hervor, dass Rosatom-Experten in Lingen gesehen wurden, obwohl keine formelle Genehmigung der Regierung vorlag. Framatome hat nun erklärt, dass keine Rosatom-Mitarbeiter auf der Anlage aktiv werden sollen. Es besteht aber nach wie vor die Gefahr von Spionage und Sabotage, da erste Kontakte zwischen Mitarbeitern der beiden Unternehmen bereits stattgefunden haben.

Berechtigte Sorgen der lokalen und nationalen Opposition

Der niedersächsische Umweltminister Christian Meyer hat sich besorgt über die mögliche Anwesenheit von Rosatom-Mitarbeitern an einem kritischen Atomstandort geäußert. Dabei verwies er auf das Risiko einer ausländischen Einmischung. Umweltgruppen und Regionalpolitiker teilen diese Befürchtungen. Sie warnten davor, dass das Projekt nicht nur die nationale Sicherheit Deutschlands, sondern auch die europäische Energieinfrastruktur im Allgemeinen gefährdet.

Die deutsche Bundesregierung, insbesondere die neue Koalitionsregierung, steht zunehmend unter Druck, entschlossen zu handeln. Die Gegner argumentieren: Jede Art von Zusammenarbeit mit Rosatom untergrabe die europäische Einigkeit bei der Sanktionierung Russlands. Gleichzeitig sende sie widersprüchliche Signale zu Deutschlands Engagement beim Atomausstieg und seiner Unterstützung für die Ukraine.

Die Atomanlage in Lingen steht für ein gefährliches Wagnis

Während die Debatte anhält, ist die Schlussfolgerung klar: Einem russischen Staatskonzern, der in einen laufenden Krieg und internationale Sanktionen verwickelt ist, zu erlauben sich an der Kernbrennstoffproduktion auf deutschem Boden zu beteiligen, ist ein gefährliches Wagnis. Das Lingener Projekt birgt das Risiko, Rosatom tiefer in die europäische Lieferkette einzubinden, die Abhängigkeit von russischem Nuklearmaterial zu erhöhen und indirekt Moskaus Kriegshandlungen zu finanzieren.

Deutschland steht jetzt an einem kritischen Punkt. Die Entscheidung, die es in Bezug auf Lingen trifft, könnte seine energiepolitische Souveränität und seine geopolitische Position für die kommenden Jahre bestimmen.

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