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Öko-Politur fürs Paradies

Der Urlaubsinsel Koh Samui im Golf von Thailand droht der Kollaps. Die Regierung will mit einer teilautarken und erneuerbaren Stromversorgung gegensteuern. Auch ein öffentlicher Nahverkehr mit Elektrobussen und ein neuer Bebauungsplan werden angestrebt. Das grüne Image soll noch mehr Touristen anlocken.

13.08.2014 – Stromausfall in der Hochsaison – das ist der GAU für jede Touristenhochburg. Koh Samui hat ihn im Dezember 2012 erlebt. Ein Unterwasserkabel, über das die auch bei deutschen Urlaubern beliebte Insel im Golf von Thailand mit Strom versorgt wird, war defekt. Große Hotels warfen die Generatoren an, doch aus kleineren Anlagen flüchteten Tausende Touristen. Der fast viertägige Blackout, der auch die kleinere Nachbarinsel Koh Phangan betraf, verursachte nach Schätzungen der Tourismus-Behörde einen Schaden von mindestens 250 Millionen Euro.

Der Vorfall war Wasser auf den Mühlen derjenigen, die sich schon lange dafür aussprechen, die Stromversorgung in Thailand dezentral und nachhaltig zu organisieren. Greenpeace Südostasien nutzte die nationale wie internationale mediale Aufmerksamkeit für das Thema dazu, zum Einsatz von Wind- und Sonnenenergie auf Koh Samui und Koh Phangan aufzurufen: für mehr Energiesicherheit, geringeren CO2-Ausstoß und Unabhängigkeit vom Festland.

Ziel: Low-Carbon-Insel

Inzwischen ist ein weiteres Unterwasserkabel nach Koh Samui gelegt worden. Doch die Stromversorgung ist nicht das einzige Problem auf der mit 227 Quadratkilometern Fläche drittgrößten Insel Thailands, die im vergangenen Jahr die Rekordzahl von 1,7 Millionen Touristen besuchten – bei rund 54.000 Einwohnern und etwa sechsmal so vielen Arbeitsmigranten. Wasser ist knapp, mehr als zwei Drittel des Abwassers werden in Flüsse und Kanäle eingeleitet und landen schließlich im Meer, die städtische Müllverbrennungsanlage hat ihre Kapazitätsgrenze von 140 Tonnen pro Tag erreicht. Wenn die Touristenzahlen wie geplant weiter steigen, droht der Kollaps.

Das haben die Verantwortlichen erkannt. Um den ökologischen Zusammenbruch zu verhindern und damit insbesondere den Tourismus als wichtigsten Wirtschaftsfaktor der Insel zu erhalten, soll Koh Samui zur ersten Low-Carbon-Insel im Asien-Pazifik-Raum werden. Nach einer entsprechenden Bewerbung Thailands hat die Energie-Arbeitsgruppe des Asiatisch-Pazifischen Wirtschaftsforums Apec Koh Samui im Oktober 2011 als Low-Carbon- Modellstadt für die Region ausgewählt. Erste Pilotprojekte sollen im Laufe dieses Jahres umgesetzt werden.

Umstieg auf Erneuerbare

Der von einer Beratungsfirma erstellte Entwicklungsplan sieht unter anderem vor, den Energieverbrauch zu senken, Umweltprobleme zu lösen und die Stromerzeugung sowie den Verkehr nachhaltiger zu gestalten. „Es ist wichtig, die Lebensqualität der Inselbewohner und der Touristen zu erhöhen, auch wirtschaftlich“, erklärte Kamol Tanpipat, Projektmanager der Beratungsfirma, bei einer Vorstellung des Projekts in Bangkok den auf die Menschen ausgerichteten Ansatz.

Energie sei dabei das wichtigste Thema. Die Hälfte des benötigten Stroms – zurzeit sind das im Durchschnitt rund 100 Megawatt mit einem jährlichen Anstieg um zwanzig Prozent – soll demnach in Zukunft regenerativ vor Ort erzeugt werden. Die besten Möglichkeiten werden in der Nutzung der Sonnenkraft gesehen, und zwar nicht allein zur Stromerzeugung.

Wenn die Insel komplett auf solare Warmwasserbereitung oder Warmwasser-Wärmepumpen umstellen würde, könnte der Strombedarf um sechzig bis siebzig Prozent verringert werden, heißt es in dem im Juni 2013 veröffentlichten Prüfungsbericht der Koh-Samui-Low-Carbon-Projektstudie. Klimaanlagen als weitere große Stromfresser könnten durch Kühlsysteme, die Wasser aus dem Meer oder aus Seen nutzen, ersetzt werden. Auch in dem Bereich sei das Einsparpotenzial immens.

Möglichkeiten werden darüber hinaus für Kleinwindkraftanlagen gesehen, vor allem off-grid an abgelegenen Orten, eventuell auch für große Anlagen in den Bergen oder offshore. Kleinwasserkraft, Energiegewinnung aus Müll und Biomasse und Gezeitenenergie sind weitere Optionen für die Insel. Das genaue Potenzial muss jedoch in weiteren Studien ermittelt werden.

Als entscheidendes Element hat das Prüfteam die Energiespeicherung identifiziert. Es empfiehlt vor allem Wasserpumpspeicher. Mit Höhen von mehr als zweihundert Metern biete Koh Samui dafür gute Möglichkeiten. Die Entwicklung von Smart Grids steht ebenfalls auf der Agenda.

Ein weiterer Ansatz zur CO2-Einsparung ist der Verkehr. Bislang gibt es keinen öffentlichen Nahverkehr auf Koh Samui. Das soll sich ändern. Projektmanager Kamol schwebt ein Elektrobussystem auf der gut 50 Kilometer langen Ringstraße vor, die rund um die Insel führt. Die Ladestationen für die E-Fahrzeuge könnten aus Solarenergie gespeist werden. Pläne für eine CO2-sparende Anreise gibt es bislang jedoch nicht. Im Moment kommen rund vierzig Prozent der Besucher mit dem Flugzeug.

200.000 Tonnen weniger CO2

Außerdem wollen die Gutachter die Beschränkung der Bauhöhe kippen: Auf der Insel durften Hotels bisher nur maximal zwölf Meter hoch sein. Dadurch herrschen Resorts vor, die sich optisch besser in die Insellandschaft integrieren als Hochhäuser, aber auch mehr Fläche verbrauchen. In Zukunft soll es in gewerblichen Gebieten möglich sein, höher zu bauen.

Laut Kamol könnten mit dem vorgestellten Konzept, das auch Maßnahmen zur Wiederaufforstung, zur energieeffizienten Stadt- und Gebäudeplanung und zur Einführung von Öko-Tourismus beinhaltet, bis zum Jahr 2020 200.000 Tonnen Kohlendioxid eingespart werden und noch einmal die gleiche Menge bis 2030. Das wäre die Hälfte des bis dahin prognostizierten Verbrauchs im Business-as-usual-Fall, also wenn sich nichts ändert.

Für die Maßnahmen wären laut der von der Apec in Auftrag gegebenen Machbarkeitsstudie Investitionen in Höhe von rund 623 Millionen Euro nötig, wobei die höchsten Kosten bei den Erneuerbaren Energien anfallen. Das thailändische Energieministerium unterstützt die Umwandlung der Touristeninsel in ein Low-Carbon-Modell finanziell, und von der Apec kommt Geld für Studien und Projektpläne.

Unverhohlenes Ziel des Vorhabens ist es, noch mehr Profit aus dem Tourismus zu schlagen. Experten wie der australische Professor Alan Pears, der an einem Apec-Workshop zur Strategieentwicklung für die Kohlendioxid-Reduzierung auf der Insel beteiligt war, raten dazu, die Besucherzahlen im Sinne der Nachhaltigkeit zumindest stagnieren zu lassen. Im Moment gibt es rund 400 Hotels mit 16.000 Zimmern, die Belegungsrate lag 2013 bei 73 Prozent. Es kamen 37 Prozent mehr Touristen als im Vorjahr. „Koh Samui sollte den Schwerpunkt auf die Qualität des touristischen Erlebens legen, um die Naturschätze zu erhalten, auf die Touristen wertlegen, und nicht auf möglichst große Besucherzahlen“, erklärte Pears in einer Pressemitteilung seiner Universität.

Im Gegensatz dazu sieht das Konzept weiter steigende Zahlen vor. Dabei soll das neue grüne Image der Insel höhere Preise rechtfertigen: Die Übernachtungen könnten um dreißig bis fünfzig Prozent teurer werden. Schon heute schließt der Tourismus auf Samui, der in den 1970er Jahren mit Aussteigern und Hippies begann, viele Fasten-, Yoga- und andere Gesundheits- und Wellnessangebote ein und spricht damit eine Klientel an, die vermutlich auch Nachhaltigkeit und Ökotourismus schätzt.

Bleibt abzuwarten, ob mehr Wert auf die Vermarktbarkeit oder auf die Effektivität der Maßnahmen gelegt wird. Bei der Präsentation in Bangkok sprach sich Projektmanager Kamol dafür aus, ein Windrad an der Westküste zu installieren, obwohl dort nach seinen Worten keine guten Bedingungen für die Nutzung der Windkraft herrschen. Es wäre aber ein auffälliges Symbol an einer Stelle, an der die Mehrheit der Touristen mit der Fähre ankommt, sagte Kamol. Eine weitere Idee: Ein Elektrobus im „inseltypischen Design“ könne die Kokosnuss als Wahrzeichen Samuis ablösen – auch das ein für Touristen gut sichtbares Symbol für das neue Low-Carbon-Samui.

Ein Windrad am Fähranleger oder ein Elektrobus auf der Ringstraße machen noch keine Low-Carbon-Insel. Die Autoren der Machbarkeitsstudie betonen jedoch, dass ein entsprechendes Marketing für die Einführung des Konzepts sehr wichtig sei. Sowohl die Bewohner und Geschäftstreibenden Samuis als auch die Besucher müssten für die ökologischen Probleme sensibilisiert und auf der ganzen Insel ein „Öko-Lifestyle“ eingeführt werden. Ohne eine Verhaltensänderung aller Beteiligten könne die Umstellung nicht gelingen.
Katja Dombrowski / neue energie Nr. 08 / August 2014, S. 80-83
www.neueenergie.net 


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