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Energiekrise – KlimakrisePolen festigt seine AKW-Ausbaupläne

Blick vom Strand auf die polnische Ostsee
Noch ist hier alles so schön friedlich – doch in zehn Jahren schon könnte Kühlwasser aus drei Kernreaktoren in die polnische Ostsee fließen. Die Anwohner wollen das nicht. (Foto: Jan Jerszyński, CC BY-SA 2.5 via Wikimedia Commons)

Polens Antwort auf die Energiekrise ist Atomstrom. Das europäische Kohleland plant drei Atomkraftwerke, die einen großen Teil der Kohleverstromung ersetzen sollen. Frankreich, Südkorea und die USA sind dabei mit im Boot.

08.11.2022 – Während Deutschland Debatten um eine Laufzeitverlängerung der letzten drei Atomkraftwerke führt, nimmt die Planung neuer AKW in der EU ihren Lauf. Polens Regierungschef Mateusz Morawiecki verkündete in der polnischen Presse die Verabschiedung einer Resolution zum Bau der ersten Atomkraftwerke des Landes. Der US-Konzern Westinghouse Electric Company habe dabei den Zuschlag für den Standort Lubiatowo-Kopalino des ersten vorgesehenen AKW erhalten. Der Ort liegt an der Ostseeküste nordwestlich der Hafenstadt Danzig. Geplant seien drei Druckwasserreaktoren des Typs AP 1000, die nach Vorstellungen der Planer 2033 ans Netz gehen sollen.

Der Standort ist nur rund 150 Kilometer Luftlinie von der deutschen Grenze entfernt. Die Grünen hatten bereits im letzten Jahr ein Gutachten von Umwelt- und Nuklearexperten erstellen lassen. Darin kommen die Experten zu dem Schluss, dass im Falle eines Reaktor-GAUs in 75 Prozent der möglichen Wetterbedingungen die Nachbarstaaten stärker von radioaktiver Strahlung betroffen wären als Polen selbst. Europaweit wären schätzungsweise – je nach Wetterlage – 4,5 Millionen Menschen von erhöhter radioaktiver Strahlung betroffen.

Schon einmal wurde vor rund 40 Jahren ein AKW sowjetischer Bauart in der Nähe von Danzig gebaut, jedoch nie fertiggestellt, vor allem weil es damals Bürgerproteste gab. In Zarnowiec unweit des nun geplanten Standortes kann man bis heute die Ruinen der nie vollendeten Grundkonstruktion eines Atomkraftwerks aus dem Jahr 1982 sehen. Der Bau wurde nach dem GAU in Tschernobyl gestoppt. Nun soll alles von vorn beginnen.

Seine Energie bezieht Polen bislang zu rund 70 Prozent aus der Kohleverstromung, rund 96 Prozent der europaweiten Kohleproduktion fällt auf Polen. Jetzt haben die Polen Angst vor dem Winter – denn mit Krieg und Krise und Sanktionen kommt keine Heizkohle mehr aus Russland und die im Land geförderte Kohle ist nicht für die direkte Beheizung von Gebäuden geeignet.

Verstrahlte Allianzen

Die Regierungspartei PiS verspricht seit Jahren billigen Strom und verkumpelt sich dabei mit den USA und Frankreich, die Polens Atomkurs fleißig unterstützen. Eine Absichtserklärung wurde nun auch für den Bau eines weiteren Atomkraftwerks unterzeichnet – im fernen Seoul. Partner dabei ist Südkoreas staatliches Energieunternehmen Korea Hydro and Nuclear Power. In dieser Kooperation wären sechs APR1400-Reaktoren nahe der polnischen Stadt Poznan geplant. Und auch Frankreich mischt kräftig mit. Der staatlich kontrollierte und höchst defizitäre Energiekonzern EDF hatte den Polen im Herbst 2021 ein Angebot gemacht für den Bau eines AKW mit vier bis sechs Reaktoren und einer Gesamtleistung von bis zu insgesamt knapp 10 Gigawatt.

Frankreich will AKW-Ausbau genehmigungsrechtlich beschleunigen

Frankreich schreitet bei der Planung seines eigenen Atomparks unbeirrt weiter voran. Im Kabinett berieten sich die Volksvertreter jüngst über einen Gesetzentwurf, der Verfahrensabläufe vereinfachen soll. Staatschef Macron sprach bereits im Februar dieses Jahres von einer Renaissance der Atomkraft – wobei die in Frankreich ja immer aktuell geblieben ist. In der EU ist Frankreich größter Atomstromproduzent, weltweit gesehen nach den USA der zweitgrößte. Von den 56 Kernreaktoren ging zuletzt knapp die Hälfte zur Wartung und Reparatur vom Netz. Frankreich bezieht seitdem hauptsächlich Ökostrom aus Deutschland und hilft dem Nachbarn dafür mit Erdgas aus.

Von Zukunft Kohle zu Zukunft Atom

Mit den drei AKWs wolle man in Zukunft rund 30 Prozent des landeseigenen Strombedarfs decken, verspricht nun die polnische Regierung. Die Oppositionsparteien und die Bürger blieben bei der Entscheidungsfindung wieder außen vor. Der Baubeginn des ersten Meilers ist auf das Jahr 2026 datiert. Bis dahin müssen sämtliche Genehmigungen eingeholt werden. Für die veranschlagten 20 Milliarden US Dollar könnte man einiges an Erneuerbaren Energien finanzieren. Erneuerbare Energien dümpeln laut Energy Monitor bei 17 Prozent an Polens Strommix.

Verkauft wird der späte Einstieg in die Atomkraft nun als sauberer Weg aus der Klimakrise. In Polens Klimaplan bis 2040, den die Regierung bereits 2018 innerhalb der EU vorgestellt hatte, ist der Ausbau und die Nutzung von Atomenergie klar vorgesehen. Um ein Revival der Atomenergie in Europa zu verhindern, müsste der Atom-Industrie eine wichtige Grundlage entzogen werden, fordern Experten seit langem: Der längst nicht mehr zeitgemäße Euratom-Vertrag müsste gekippt werden – denn damit können Europas Regierungen ihre energie- und volkswirtschaftlich wahnsinnigen Atomprojekte weiterhin rechtfertigen. na


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