EU-Klimaziele 2030: Rechtliche Steuerungslogik zwischen Bindung und Kooperation

Die EU hat sich ehrgeizige energie- und klimapolitische Ziele gesetzt. Neben Klimaschutz stehen Versorgungssicherheit und Wettbewerbsfähigkeit im Fokus. Die Stiftung Umweltenergierecht analysiert, wie die Zielvorgaben rechtlich verankert sind.
09.10.2025 – Die europäische Energie- und Klimapolitik setzt stark auf verbindliche Zielvorgaben bis zum Jahr 2030: So müssen die Treibhausgasemissionen in der EU um 55 Prozent gemindert, der Anteil Erneuerbarer Energien am Endenergieverbrauch der EU auf 42,5 Prozent gesteigert und der Endenergieverbrauch um 11,7 Prozent gegenüber den Projektionen des EU-Referenzszenarios 2020 verringert werden – mindestens. Wie diese Ziele von der EU und den Mitgliedstaaten erreicht werden sollen, hat die Stiftung Umweltenergierecht in einer neuen Studie untersucht.
Zwei unterschiedliche Ansätze zur Zielerreichung
Die energie- und klimapolitischen Ziele sind eng miteinander verknüpft und bilden eine Einheit. Bei der Zielerreichung verfolgt die EU jedoch zwei unterschiedliche Ansätze, heißt es in der Studie. Im Bereich der Treibhausgasemissionsminderung setze sie einerseits auf den europäischen Emissionshandel und andererseits auf rechtlich verbindliche Treibhausgasreduktions- und -senkenziele für die Mitgliedstaaten. Flankiert werden diese nationalen Zielvorgaben durch Planungs-, Berichts- und Nachsteuerungsmechanismen, die den Fortschritt bis 2030 absichern sollen.
Anders sei der Ansatz im Bereich der Erneuerbaren Energien und der Energieeffizienz, erläutern die Studienautoren: Zwar wären auch hier die unionsweiten Ziele rechtlich bindend, doch legten die Mitgliedstaaten ihren nationalen Beitrag zur Erreichung der unionsweiten Gesamtziele selbst fest. „Die Zielerreichung folgt hier also einer anderen Logik, nämlich einem kooperativen Steuerungsansatz“, erklärt Ronja Busch, Mitautorin der Studie. „Dieser setzt auf Selbstverpflichtung sowie auf Planung, Berichten, Überprüfung, Bewertung und gegebenenfalls Nachsteuerung. Die Mitgliedstaaten werden vor allem an ihren selbst gesetzten Beiträgen gemessen.“ Sofern ihre Beiträge nicht ausreichen, um das gemeinsame EU-Ziel zu erreichen, ist die EU-Kommission gefragt, Maßnahmen auf EU-Ebene zu ergreifen.
Verpflichtende Nachbesserungen oder Vertragsverletzungsverfahren
„Aus rechtlicher Perspektive sind die unterschiedlichen Steuerungsansätze grundsätzlich gleichermaßen geeignet, um die EU-Zielvorgaben bis 2030 zu erreichen“, so Dr. Jana Nysten, Mitautorin der Studie. „Die Fortschritte der Mitgliedstaaten werden kontinuierlich geprüft. Droht eine Zielverfehlung, müssen zusätzliche Maßnahmen zur Nachsteuerung ergriffen werden.“
Zudem könne eine Verfehlung nationaler Treibhausgasemissionsminderungsziele für 2030 mit Bußgeldern sowie einem Vertragsverletzungsverfahren sanktioniert werden. Bei den Erneuerbaren Energien und Energieeffizienz gelte das hingegen nicht. Hier drohe ein solches Verfahren nur dann, wenn die Mitgliedstaaten überhaupt keinen nationalen Beitrag festlegen oder bei unzureichenden Fortschritten – und damit drohender Verfehlung des unionsweiten Gesamtziels – keine zusätzlichen Maßnahmen ergreifen. Auch über diesen Mechanismus der verpflichtenden Nachsteuerung lässt sich die Erreichung der EU-Gesamtziele für Erneuerbare und Energieeffizienz absichern, erläutern die Studienautoren.
Gründe für die unterschiedliche Steuerungslogik
Die unterschiedlichen Wege bei den EU-Zielen lassen sich durch politische Festlegungen und die Rechtslage erklären. „Die EU muss ständig abwägen zwischen gemeinsamen Vorgaben und dem Schutz nationaler Handlungsspielräume. Seit dem Vertrag von Lissabon ist zudem unklarer geworden, wie verbindlich die EU in der Energiepolitik überhaupt nationale Zielvorgaben festlegen darf“, erklärt Nysten. Die Autorinnen zeigen auf, dass die EU in der Umweltpolitik (Art. 192 AEUV) zwar weitreichendere Kompetenzen hat als in der Energiepolitik (Art. 194 AEUV), wo sich die Mitgliedstaaten die Entscheidung über die allgemeine Struktur ihrer Energieversorgung vorbehalten haben. Sobald aber auch umweltpolitische Maßnahmen Grundpfeiler nationaler Energiepolitik erheblich berühren, brauche es selbst hier Einstimmigkeit aller Mitgliedstaaten.
Entsprechend könnten die Vorgaben für die Treibhausgasemissionsminderung, die auf die Umweltkompetenz gestützt werden, strenger ausfallen. Die EU-Politik im Bereich der Erneuerbaren Energien und Effizienz wird demgegenüber auf die Energiekompetenz gestützt und seit 2014 gab es jedenfalls auch keine politischen Mehrheiten mehr für das – rechtlich betrachtet – strengere Regime der verbindlichen nationalen Ziele. Daher setzt die EU-Kommission hier auf eine andere Steuerungslogik, die in der Governance-Verordnung verankert ist und über engmaschige Planungs-, Berichts-, Monitoring- und Nachsteuerungspflichten die energiepolitischen Ziele erreichen will.
Der Weg zum Klimaziel 2040
Für den Zeitraum bis 2040 hat die neue EU-Kommission nun einen Vorschlag für ein europäisches Klimaziel zur Minderung der unionsweiten Treibhausgasemissionen um 90 Prozent gegenüber 1990 vorgelegt. „Damit wurde der Grundstein für die Fortentwicklung des europäischen Klima- und Energierechts für die nächste Dekade gelegt. Ob dies den bisherigen Mustern folgt oder einen neuen Kurs einleitet, ist derzeit noch offen“, so Ronja Busch. na
Publikation: J. Nysten/R. Busch, Die Ziele der EU bis 2030 für Treibhausgasemissionsminderung, erneuerbare Energien und Energieeffizienz, Würzburger Studien zum Umweltenergierecht Nr. 42 vom 1. Oktober 2025





















































