Bundestag: Reform der Schuldenbremse nicht ohne Klimaschutz

Mehr Geld für Verteidigung und Infrastruktur außerhalb der Schuldenbremse stehen in Aussicht. Klimaschutz muss zentraler Bestandteil der Reformen werden, fordern nicht nur die Grünen. Ein neues Rechtsgutachten weist einen weiteren Weg.
14.03.2025 – Seitdem SPD und CDU/CSU im Rahmen ihrer Sondierungsgespräche eine Lockerung der Schuldenbremse für Verteidigung, Reform der Schuldenbremse für die Bundesländer und ein Sondervermögen für Infrastruktur ankündigten schlagen die Wellen im politischen Berlin hoch. Am Freitagmittag Die Vorhaben sind nur mit einer Änderung des Grundgesetzes und zwei Drittel Mehrheit im Bundestag möglich. SPD und Union wollen dies noch mit dem alten Bundestag erreichen. Im neuen Bundestag verfügen die Fraktionen von Linkspartei und AfD über mehr als ein Drittel der Sitze und damit einer sogenannten Sperrminorität.
Während die AfD jegliche Reform der Schuldenbremse grundsätzlich ablehnt, sieht die Linkspartei die quasi Aussetzung der Schuldenbremse allein für die Verteidigung kritisch. Verteidigungsausgaben und Ukraine-Hilfen sollen ausgenommen werden, die über einem Prozent des Bruttoinlandsprodukts liegen. Bei der Plenardebatte im Bundestag am gestrigen Donnerstag nannte die Gruppenchefin der Linken, Heidi Reichinnek das Vorgehen, Mehrheiten noch im alten Bundestag zu beschaffen, „zutiefst undemokratisch“, weil ihnen das Ergebnis der Bundestagswahl nicht passe. Für eine Abschaffung oder ernsthafte Reform der Schuldenbremse stünden die Linken im neuen Bundestag bereit. Mit ihnen und den Grünen wäre auch im neuen Bundestag eine zwei Drittel Mehrheit möglich.
Im alten Bundestag sind die Grünen das Zünglein an der Waage. Die stellten sich Anfang der Woche erst einmal quer. Im Bundestag warf Fraktionschefin Katharina Dröge Friedrich Merz Unehrlichkeit vor. Der Kanzlerkandidat der Union hatte im Wahlkampf wiederholt eine derartige Reform der Schuldenbremse abgelehnt. Dasselbe galt für Vorschläge von SPD und Grünen zur Reform der Schuldenbremse noch vor der Bundestagswahl.
Am Freitagmittag einigten sich SPD und Union mit den Grünen schließlich. Bei der Lockerung der Schuldenbremse für Verteidigungsausgaben bekamen die Grünen die Zusicherung, die Gelder für einen umfassenderen Begriff von Verteidigung und Sicherheit bereitzustellen, etwa auch für den Katastrophenschutz, Cyberabwehr und Stärkung der Nachrichtendienste. Beim Sondervermögen Infrastruktur erhielten die Grünen die Zusage, dass 100 Milliarden der insgesamt 500 Milliarden, für den Klimaschutz vorgesehen werden und zusätzliche Mittel darstellen. Ohnehin vorgesehene Mittel für Klimaschutz und Transformation aus dem Haushalt sollen davon nicht berührt sein.
Umweltorganisationen mahnen jedoch, dass die 100 Milliarden, vorgesehen für die kommenden 12 Jahre nur der Anfang seien dürfen. Kathrin Samson, Vorständin Naturschutz beim WWF Deutschland, sagte: "Bereits heute zeichnet sich deutlich ab, dass die aktuell vorgesehenen Mittel zur Bewältigung der Klimakrise nicht ausreichen werden. Deutschland benötigt jährlich mindestens 60 Milliarden Euro zusätzlich für den Klimaschutz, um allein die Klimaziele bis 2030 zu erreichen."
Sondervermögen Klimaschutz
Dass Klimaschutz rechtssicher in ein Sondervermögen verankert werden kann, zeigt ein neues Rechtsgutachten von Roda Verheyen und Johannes Franke von der auf Klima- und Umweltrecht spezialisierten Kanzler Günther. In Auftrag gegeben hat das Gutachten die Klimaschutzorganisation GermanZero. Demnach sei ein Sondervermögen von 2 Prozent des jährlichen Bruttoinlandsprodukts (BIP) für Klimaschutzmaßnahmen rechtssicher umsetzbar.
Dass ein Sondervermögen für die grüne Transformation Deutschlands in diesen Höhe nötig seien könnte, führen Verheyen und Franke auf den von Forscher:innen ermittelten Bedarf von mindestens 100 Milliarden Euro öffentlicher Investitionen jährlich zurück, bei denen aktuell eine Finanzierungslücke von 29 bis 94 Milliarden Euro jährlich besteht, also bis zu 2 Prozent des BIP.
Für die Umsetzung könnte die Einrichtung eines eigenständigen Sondervermögens im Grundgesetz mit eigener Kreditermächtigung für zusätzliche Klimaschutzinvestitionen erfolgen. Zudem sei die Einführung einer Gemeinschaftsaufgabe Klimaschutz und Klimaanpassung im Grundgesetz geboten, die eine verlässliche Weitergabe von Mitteln an Kommunen ermöglicht und den lokalen Fortschritt finanziell absichert. Beide Änderungen des Grundgesetzes ließen sich nur mit einer zwei Drittel Mehrheit im Bundestag umsetzen. Mit einfacher Mehrheit könnte bereits eine Anpassung des Klima- und Transformationsgesetzes erfolgen, um sicherzustellen, dass die Investitionen auch in Klimaschutz fließen und dabei nicht nur die laufenden Kosten, sondern auch den zusätzlichen Finanzbedarf abdecken.
„Ein Sondervermögen für Klimaschutz sichert unsere Lebensgrundlagen und stellt sicher, dass der Staat die Aufgaben erfüllt, die das Bundesverfassungsgericht vorgegeben hat“, sagt Roda Verheyen. Andernfalls würden Investitionen in fossile Großprojekte drohen, die kommende Generationen belasten. „Generationengerechtigkeit bedeutet, heute die Weichen für eine zukunftsfähige Wirtschaft zu stellen, anstatt mit neuen Schulden Autobahnen, Gaskraftwerke oder Verbrennertechnologien zu finanzieren. Wer das Grundgesetz ändert, muss dies weitsichtig tun und Klimaschutz dauerhaft absichern. Unser Gutachten zeigt, wie dies rechtssicher gelingt.“
Dass das aktuell auf dem Tisch liegende Sondervermögen für Infrastruktur von 500 Milliarden Euro, das innerhalb der kommenden 10 Jahre fließen soll, nicht für die Finanzierungslücke beim Klimaschutz reicht, darauf verweisen auch Verheyen und Franke in ihrem Gutachten. „Es liegt auf der Hand, dass derartige Beträge nicht aus dem geplanten allgemeinen Infrastruktur-Sondervermögen mitfinanziert werden können, das andere Zwecke umfasst und durchschnittlich 50 Milliarden Euro pro Jahr vorsieht.“
Bei der gestrigen Bundestagssitzung bot Friedrich Merz an insgesamt 50 Milliarden Euro aus dem Sondervermögen für den Klima- und Transformationsfonds bereitzustellen. „Was wollen Sie noch mehr“, so Merz an die Grünen. Die Grünen aber befürchteten einen „Verschiebebahnhof“. Geld für Infrastrukturmaßnahmen und Klimaschutz könnten aus dem regulären Bundeshaushalt herausgenommen werden, um Platz für die teuren Wahlversprechen, wie Mütterrente und Mehrwertsteuersenkung für die Gastronomie zu schaffen. Mit der am Freitagmittag erzielten Einigung wollen die Grünen den Verschiebebahnhof abwenden.
Die Reformen der Schuldenbremse sind zentraler Bestandteil der beginnenden Koalitionsverhandlungen zwischen SPD und CDU/CSU. In den Verhandlungen fordern Umweltorganisationen verbindliche Zusagen zum Klimaschutz. Viviane Raddatz, Leiterin Klimaschutz und Energiepolitik beim WWF Deutschland, sagte: „Das Sondierungspapier von Union und SPD liest sich, als hätten beide Parteien die letzten zehn Jahre verschlafen. Klima- und vor allem Naturschutz kommen darin praktisch nicht vor – und das in einer Zeit, in der Hitzewellen, Dürren und Überschwemmungen längst die Realität sind.“
Der Branchenverband Bundesverband Erneuerbare Energie (BEE) dagegen sieht das Sondierungspapier als Grundlage für die Koalitionsverhandlungen positiver. „Wir begrüßen die Festlegung ausdrücklich, dass alle Erneuerbaren Potenziale und die von Speichern genutzt werden sollen, um die Energiewende zu beschleunigen”, so BEE-Präsidentin Simone Peter. Dies müsse in einem Koalitionsvertrag aber mit konkreten Maßnahmen untermauert werden.
Am kommenden Dienstag tritt der Bundestag erneut zusammen, um über die geplanten Grundgesetzänderungen hinsichtlich der Schuldenbremse abzustimmen. Der Ausgang der Abstimmungen wird erhebliche Auswirkungen auf den weiteren Verlauf der Koalitionsverhandlungen haben. mg
Der Artikel wurde am Freitagmittag, angesichts der aktuellen Entwicklungen, angepasst.