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Solar gekühlte Milch für Afrikas Kleinbauern

Lokale Wertschöpfung zu stärken ist das Ziel des auf dem diesjährigen G20-Gipfel beschlossenen „Compact für Afrika“. Mit einem bezahlbaren System zur solaren Milchkühlung zeigen der Memminger Mittelständler Phaesun und Forscher der Universität Hohenheim wie dies für Kleinbauern funktionieren kann.

23.08.2017 – Sie haben nur wenige Kühe und keinen Anschluss ans Stromnetz: Viele afrikanische Kleinbauern können mangels Kühlmöglichkeit nur einen Teil ihrer Milch vermarkten. Denn die hohen Temperaturen sorgen dafür, dass ein großer Teil der Milch aufgrund des hohen Bakterienwachstums nicht für die Weiterverarbeitung geeignet ist. „In Tunesien haben 85 Prozent der Bauern weniger als zehn Kühe und oft keinen Stromanschluss“, sagt Prof. Joachim Müller vom Fachgebiet Agrartechnik in den Tropen und Subtropen der Universität Hohenheim. „Der Zugang zu den Märkten ist häufig eingeschränkt“, ergänzt Projektkoordinatorin Prof. Regina Birner.

Besserer Zugang zum lokalen Markt

Hier soll das von der Universität Hohenheim und Phaesun entwickelte neue Kühlsystem Abhilfe schaffen. „Zunächst wird mittels Solarstrom Eis bereitet“, erklärt Doktorand Victor Torres Toledo. Das Eis wird in einen Extra-Behälter in der Mitte von speziell isolierten Milchkannen gefüllt. „Auf diese Weise kann die Milch mehrere Stunden von innen gekühlt und die Vermehrung von Keimen verhindert werden“, so Toledo. Die Kühlung ermöglicht eine höhere Milchproduktion, da die Bauern zweimal täglich melken können. Außerdem konserviert sie die Qualität der Milch und sorgt so für Premiumpreise. Für die Bauern verbessert sich damit der Zugang zum lokalen Markt und auch zur Fertigung von Käse und anderen Milchprodukten, auch ohne Anschluss ans Stromnetz.

12,7 Kilogramm Eis täglich

Das System besteht aus einem Gleichstrom-Kühlschrank mit 166 Litern, einer Steuereinheit, einem Solarmodul mit 150 Watt sowie einer wartungsfreien Bleiakku-Batterie mit AGM Technik (Absorbent Glass Mat), 65 Amperestunden (Ah) und 12 Volt Spannung Gleichstrom (DC). Dazu kommt eine Milchkanne mit Isolierschicht und einem Fassungsvermögen von 40 Litern sowie Plastikbecher für je zwei Kilogramm Eis.

Optimiert wird die Eisproduktion unter anderem durch die intelligente Steuerung des Kompressors in Abhängigkeit von der Sonneneinstrahlung und dem Batterieladestand, erklärt Tobias Zwirner, Geschäftsführer von Phaesun. Zudem ist ein Ventilator integriert und durch den Batterieeinsatz kann die tägliche Eisproduktion um bis zu 30 Prozent gesteigert werden.

In Gebieten mit einer täglichen Sonneneinstrahlung von sechs Kilowattstunden pro Quadratmeter und einer Umgebungstemperatur von 30⁰ Celsius können so 12,7 Kilogramm Eis pro Tag hergestellt werden, bei einer Umgebungstemperatur von 40⁰ Celsius 6,7 Kilogramm. Dies reicht aus, um 40 Liter Milch in den isolierten Kannen mindestens sechs bis zwölf Stunden auf unter 15⁰ Celsius zu kühlen.

Amortisation innerhalb von drei Jahren

Phaesun bietet das „Milky Way“ System seit kurzem als sogenanntes BOSS Kit (Business Opportunities with Solar Systems) für 2.700 Euro netto an. Innerhalb von drei Jahren kann sich die Investition rechnen, sagt Zwirner. In einer Beispielrechnung veranschlagt er die Kühlkosten auf sechs Cent pro Liter. Dem steht ein um 20 Prozent besserer Preis (bei einem Milchpreis von 30 Cent pro Liter), eine höhere Produktivität und eine Reduzierung der Logistikkosten durch eine nur einmalige tägliche Milchabholung gegenüber.

Erfolgreich getestet wurde das Kühlsystem in Zusammenarbeit mit der Deutschen Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) bei sieben kleinen Landwirtschaftsbetrieben in Sidi Bouzid in Zentral-Tunesien. Bei einer Milchproduktion von 50 bis 60 Liter pro Hof galt es, vor allem während des Transports in die 40 Kilometer entfernten Sammelstellen die Kühlung zu gewährleisten.

Aufgrund der Anregungen der Landwirte wurde allerdings das Design der Milchkannen verändert. Die Wärmeisolierung ist nun nicht mehr fest integriert, sondern abnehmbar, damit die Reinigung vereinfacht wird und auch vorhandene Kannen mit der Isolierung nachgerüstet werden können. Derzeit wird das System an die Verhältnisse in Kenia angepasst: Bei einer Milchproduktion von ein bis zehn Litern pro Betrieb sind kleinere Behältnisse nötig, und der Milchtransport mittels Motorräder erfordert Kunststoff- statt Edelstahl-Milchkannen.

Auszeichnung mit dem Intersolar Award 2017

Vor allem aufgrund seiner positiven gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Auswirkungen wurde das Kühlsystem jüngst als „Herausragendes Solares Projekt“ mit dem Intersolar Award 2017 ausgezeichnet. Gewürdigt wurde auch die einfache Handhabbarkeit und Flexibilität.

Das Projekt baut auf einem Trend auf, in ländlichen Regionen von Entwicklungsländern mit lückenhafter Stromversorgung mittels Solartechnik Jobs zu schaffen. So gibt es Afrika und Asien zahlreiche Franchising-Modelle für Solarkioske, die Ladeservices für LED-Lampen und Smartphones anbieten. In Äthiopien organisiert die Hochschule Neu-Ulm mit der Universität von Arba Minch und Phaesun in ländlichen Regionen Schulungsangebote zur Existenzgründung. Mehrere Kleinunternehmer machten sich dort beispielsweise mit solar ausgerüsteten Handwagen als Straßenfrisöre selbstständig. Hans-Christoph Neidlein


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