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EnergiewendeSoziale Schieflagen vermeiden und beheben

Symbolbild leerer Reihen auf den Berliner Energietagen.
Dieses Jahr konnten die Berliner Energietage Pandemiebedingt nicht vor Live-Publikum stattfinden. (Bild: © Berliner Energietage)

Ob bei Fragen zur energetischen Gebäudesanierung oder dem Import von grünem Wasserstoff, die digitalen Berliner Energietage zeigen, dass sozialverträglicher Klimaschutz weiter in den Fokus rückt.

08.06.2020 – In Zeiten der Corona-Pandemie müssen auch die Berliner Energietage neue Wege beschreiten. Während die Veranstaltung mit bundesweiter Strahlkraft im vergangenen Jahr noch im Berliner Ludwig-Erhard-Haus stattfand, mussten die Veranstalter in diesem Jahr auf das Web ausweichen. Unter dem Motto „Digitaler Sommer der Energiewende“ gibt es seit zwei Wochen ein vielfältiges Online-Programm rund um die Energiewende, mit bislang über 19.000 Anmeldungen. Noch bis zum 17. Juni sind insgesamt über 60 Veranstaltungen mit rund 300 ReferentInnen aus Politik und Gesellschaft geplant. Dabei steht die Sozialverträglichkeit der Energiewende wiederholt im Fokus, wie auch zwei Webinare letzte Woche deutlich machten.

So steht beim angedachten Import von grünem Wasserstoff nach Deutschland die Frage im Raum, ob dieser auch sozial gerecht in den exportierenden Ländern produziert wird. Der WWF stellte den eingeladenen ExpertInnen bei seinem Webinar die Frage: „Grüner Wasserstoff: Win-Win für Klima und Entwicklung?“ Für die Industriestaaten günstig, ist die Wasserstoffproduktion vor allem im Globalen Süden. Dabei kann grüner Wasserstoff gut für Entwicklungspolitik sein, wie Joachim Fünfgelt von Brot für die Welt sagte, doch ein Selbstläufer sei das nicht. Fünfgelt arbeitet mit einem Team an einer Studie zu Nachhaltigkeitskriterien für grünen Wasserstoff aus den zu exportierenden Ländern.

Es gilt immer zu schauen, ob eine lokale Nutzung des Stroms nicht vorteilhafter wäre

„Es gilt immer zu schauen, ob eine lokale Nutzung des Stroms nicht vorteilhafter wäre“, so Fünfgelt. Die Bedürfnisse der Menschen vor Ort müssten ins Zentrum gerückt werden. Nur wenn die Menschen in den Ländern sowohl von lokal erzeugtem grünem Strom als auch dem Export profitieren, entstehe eine win-win-Situation. Der Fokus der Studie zu den Nachhaltigkeitskriterien liegt dabei auf den Staaten Sub-Sahara Afrikas. Dabei gilt es laut Fünfgelt sowohl den am wenigsten entwickelten Staaten zu helfen aus Energiearmut rauszukommen als auch bei einem Land wie Südafrika die Abhängigkeit von der Kohle aufzubrechen.

Der Berliner Mietendeckel gibt Antworten auf soziale Notwendigkeiten, lässt aber energiepolitische Notwendigkeiten außen vor

In einem weiteren Webinar fragten Deutsche Umwelthilfe (DUH) und Deutscher Mieterbund die eingeladenen ExpertInnen: Mietendeckel und Co. – Welche Instrumente braucht ein sozialverträglicher und klimaneutraler Gebäudebestand? Eingehend auf den Berliner Mietendeckel sagte Barbara Metz von der DUH, dass dieser zwar Antworten auf soziale Notwendigkeiten gebe, energiepolitische Notwendigkeiten aber außen vor lasse. Auch bei gesamtdeutschen Fragen zur Energiewende sei der Gebäudebereich deutlich unterrepräsentiert. Dies spiegele sich auch im Konjunkturpaket der Bundesregierung zur Bekämpfung der wirtschaftlichen Einschnitte durch die Corona-Pandemie wider.

Statt den 2,5 Milliarden Euro bis 2021, die in Folge des Konjunkturpaketes feststehen, brauche es laut Mieterbund bis zu 25 Milliarden Euro pro Jahr, um das Ziel eines klimaneutralen Gebäudebestands bis 2050 zu verwirklichen. Dabei gehe es auch darum, erst einmal die richtigen Strukturen zu schaffen, unter anderem mit mehr Personal in Verwaltungen und zur Kontrolle, sowie Fachkräfte.

Die Modernisierungsumlage schafft die falschen Anreize

Für eine höhere Akzeptanz in der Bevölkerung indes, sei es laut Melanie Weber-Moritz vom Mieterbund essenziel, Mieter bei Sanierungen stärker zu entlasten. Beim bisherigen Umlagemodell kommen nach der energetischen Sanierung 20 bis 30 Prozent für die Mieter drauf. Caren Lay, stellvertretende Fraktionsvorsitzende der Linke, ergänzt hierzu: „Die Modernisierungsumlage schafft die falschen Anreize für eine möglichst teure Modernisierung“, da der Vermieter die Modernisierung auf den Mieter oder die Mieterin umlegen könne.

Der Bund für Umwelt- und Naturschutz (BUND) schlägt in diesem Zuge ein sogenanntes Drittelmodell vor. Es geht um eine gerechte Kostenaufteilung der Modernisierung auf Mieter, Vermieter und die öffentliche Hand. Dabei bedarf es auch einer Reform der Fördermaßnahmen, bei der unter anderem effiziente Standards stärker gefördert werden und die Förderung fossiler Heizungen endet. Auch müssten für Vermieter stärkere Anreize geschaffen werden klimagerecht zu modernisieren und Kosten nicht auf Mieter umzulegen. Schließlich müsse es eine soziale Härtefallregelung geben, bei der der Staat einspringt, wenn Mieter nach einer energetischen Gebäudesanierung die Miete nicht mehr zahlen können.   

Mit ihren Steuern werden ausgerechnet die belohnt, die einen völlig anderen Lebensstil pflegen

Die Agentur für Erneuerbare Energien und Energieökonomin Claudia Kemfert mahnten in den vergangenen Tagen ebenfalls mehr soziale Gerechtigkeit beim Klimaschutz an. Beide plädieren unter anderem für einen sozial gerecht ausgestaltete CO2-Bepreisung, bei der einkommensschwache Haushalte nicht übermäßig belastet werden, sondern im Gegenteil von einer Rückerstattung überproportional stark profitieren. Aktuell sieht die Lage anders aus. „Mit ihren Steuern werden ausgerechnet die belohnt, die einen völlig anderen Lebensstil pflegen: die Besserverdienenden mit großzügig bemessenem Einfamilienhaus, mit Erst- und Zweitwagen und mit Dienst- und Urlaubsreisen in ferne Länder“, so Kemfert. mf


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