Kraftwerksstrategie der BundesregierungSteuerbare Leistung schaffen

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Die Kraftwerksstrategie der Bundesregierung ist ein Anfang, doch es fehlen Biogas und andere Flexibilitätsoptionen (Bild: Sergio Cerrato - Italia / Pixabay).

Die Bundesregierung hat im Zuge ihres Wachstumspakets für die Wirtschaft eine neue Kraftwerksstrategie vorgestellt. Sie soll einen Rahmen für Back-Up-Kraftwerke im zukünftigen Energiesystem schaffen. Im Zentrum stehen Erdgas und Wasserstoff.

12.07.2024 – Um die Energiesicherheit in Deutschland zu gewährleisten, muss ein gewisses Kontingent an Stromkapazitäten verfügbar sein, das Verbrauchsspitzen abfedert. Nach dem Kohleausstieg und mit steigendem Anteil volatiler Erneuerbarer Stromproduzenten werden andere Kraftwerke benötigt, die diese Funktion übernehmen können. Im bisherigen Stromsystem wurde der in diesen Fällen notwendige Strom entweder von europäischen Nachbarn importiert oder von Kohlekraftwerken produziert.

Da Wind- und PV-Anlagen oft mehr Storm produzieren, als punktuell benötigt, werden Stromspeicher und andere Flexibilitätsoptionen in Zukunft vermehrt diese Reservefunktion übernehmen. Die geplanten Back-Up-Kraftwerke sollen einspringen, wenn mehr verbraucht wird, als Wind- und PV erzeugen, nicht ausreichend Strom gespeichert ist und auch kein Import möglich ist.

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Im Wachstumspaket kündigt die Regierung Maßnahmen zum Umbau des Strommarktes an. Auch neue Strategien wie der Umbau des Fördersystematik finden sich im Konzept. Zudem sollen die Regeln des Strommarktes Erneuerbare Energien zukünftig priorisieren.

Steuerbare Leistung zubauen

Ausgeschrieben werden sollen neue Kraftwerke, Modernisierungen und Langzeitspeicher mit einer Gesamtkapazität von insgesamt 13 Gigawatt (GW). Kapazität und Aufteilung sind bereits mit der Europäischen Kommission abgestimmt. Auf neue Kraftwerke entfallen 10,5 GW, auf Modernisierungen zwei GW und auf Speicher 500 Megawatt (MW).

Die neuen Kraftwerke sollen dabei je zur Hälfte reine Gaskraftwerke umfassen und zur Hälfte sogenannte H2-ready-Gaskraftwerke, die spätestens acht Jahren nach Bau nur noch mit Wasserstoff betrieben werden. Hinzukommen 500 GW reine Wasserstoffkraftwerke. Die Modernisierungen zielen gänzlich darauf ab, bestehende Gaskraftwerke für Wasserstoff umzurüsten.

Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck sieht das Kraftwerkssicherheitsgesetz als die Brücke in einen umfassenden, technologieneutralen Kapazitätsmechanismus dar, der insbesondere auch Nachfrageflexibilität und Speicher nutzen soll. „So machen wir das Stromsystem fit für hohe Anteile Erneuerbare Energien und sichern uns auch für Zeiten von wenig Wind und Sonne zusätzlich ab", so Habeck.

Der geplante Kapazitätsmechanismus ist ein neues Element im deutschen Strommarkt und nicht unumstritten. Vereinfacht ausgedrückt werden auf einem Kapazitätsmarkt Strommengen verkauft, die als Reserve vorgehalten werden. Derzeit werden hingegen nur Strommengen auf dem Markt verkauft, die auch tatsächlich erzeugt und geliefert wurden. Zweck eines Kapazitätsmarktes ist die Versorgungssicherheit zu stärken. Wie ein Kapazitätsmechanismus in Deutschland aussehen soll, wird im kommenden Herbst diskutiert.

Erdgas, grüner und blauer und Wasserstoff

Experten sind sich einig, dass das Gesetz in die richtige Richtung zielt, sehen aber auch Defizite. Besonders strittig ist, dass das Potenzial von Biogasanlagen bisher unbeachtet geblieben ist, blauer Wasserstoff hingegen gefördert werden soll.

„Im Grundsatz geht die Entscheidung der Bundesregierung in die richtige Richtung, denn wir brauchen den begrenzten Zubau von steuerbarer Leistung. Die Kraftwerksstrategie darf allerdings kein Konjunkturprogramm für fossile Gaskraftwerke werden“, sagt Bundesgeschäftsführer der Deutschen Umwelthilfe, Sascha Müller-Kraenner. Unklar sei weiterhin, wo der Wasserstoff für die Kraftwerke herkommen soll. Dass in den Kraftwerken ab dem achten Jahr nach der Inbetriebnahme auch blauer Wasserstoff eingesetzt werden darf, sei ein Etikettenschwindel und eine Fehlentscheidung.

Blauer Wasserstoff wird aus Erdgas hergestellt, das dabei entstehende CO2 muss abgeschieden und dauerhaft gespeichert werden. Wie, ist derzeit noch unklar.

Flexibilitätsoption Biogas bleibt unberücksichtigt

Die Biogasbranche forderte bereits kurz nach Bekanntwerden der ersten Elemente der Kraftwerksstrategie Anfang des Jahres, Biogasanlagen in den Kraftwerksausbau einzubeziehen. Infrastruktur sei größtenteils schon vorhanden, die Kraftwerke könnten flexibel einspringen, wenn mehr Strom benötigt wird. Allein die Bioenergie könne durch Leistungssteigerung kurzfristig bis 2030 zwölf GW und bis 2045 sogar 24 GW an steuerbarer Leistung zur Verfügung stellen – und das zu deutlich geringeren Kosten, so Simone Peter Präsidentin des Bundesverbands Erneuerbare Energie (BEE).

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„In Zeiten knapper Kassen stellt sich die Frage, warum das BMWK das Gesetz nicht technologieoffen ausgestaltet und nicht günstigere Optionen wie die Überbauung von Biogasanlagen oder die Integration von Wasserstoff über Power-to-Gas (Synthetic Natural Gas, SNG) nutzt oder auch Ammoniak und SNG als Wasserstoffderivate zulässt – gerade, um die Risiken des verzögerten Aufbaus der Wasserstoffinfrastruktur abzufedern und die Kosten im Zaum zu halten“, kommentiert Michael Sterner, Professor und Leiter der Forschungsstelle Energienetze und Energiespeicher FENES an der Ostbayerischen Technischen Hochschule Regensburg die Anfang Juli veröffentlichte Strategie. Strom aus Reservekraftwerken auf Basis von Wasserstoff sei doppelt so teuer wie auf Basis von Biogas sowie langwieriger und riskanter in der Umsetzung. Sterner geht davon aus, dass die Leistung von Biogasanlagen sogar noch schneller erhöht werden könnte als vom BEE angenommen. Bisher reiche die EEG-Förderung dafür aber nicht aus. Das Potenzial von Biogas könne zudem auch als grüner Wasserstoff über die bestehende Infrastruktur samt Gasspeichern und Gaskraftwerken genutzt werden.

„In der ersten europäischen Auktion für grünen Wasserstoff hat genau so ein SNG-Projekt mit biogenem CO2 die geringsten Differenz- und damit Förderkosten“, erklärt Sterner. Das zeige, dass grüne Gase wie SNG eine ausgereifte und kosteneffiziente Technologie seien. Ähnliches sei mit Ammoniak zu erwarten. In der weiteren Ausgestaltung des Gesetzes, insbesondere hinsichtlich der Langzeitspeicher, solle daher der Fokus mehr auf grünen Wasserstoffderivaten wie SNG (Biomethan) und Ammoniak liegen. Die 2030er-Ziele der Klimaneutralität samt Kohleausstieg könnten so kostengünstiger, sicherer und schneller erreicht werden als über blauen Wasserstoff. jb

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