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TürkeiUmweltschützer und Justiz verhindern neues Kohlekraftwerk

Die malerische Küstenstadt Amasra am Schwarzen Meer ist ein Touristenmagnet und wird auch in Zukunft von dreckiger Kohle verschont. (Foto: Babbsack, Wikimedia Commons, CC BY-SA 3.0)

Aufgrund von lokalem Widerstand hat das höchste türkische Gericht den Bau eines neuen Kohlekraftwerks verhindert. Dabei versucht die autoritäre türkische Regierung die heimische Kohleindustrie auszubauen. Doch nicht nur in diesem Fall scheitert sie.

12.03.2019 – Seit 2005 kämpft die lokale Kampagne „Bartin Platform“ gegen den Bau eines riesigen 1.320 Megawatt großen Kohlekraftwerks im Amasra Distrikt an der Küste des Schwarzen Meeres. Dabei machten sie die Bewohner des Hafenortes Amasra und der naheliegenden Stadt Bartin immer wieder auf die negativen Seiten aufmerksam, die der Bau eines solchen Megakraftwerkes nach sich ziehen würde. Neben Beeinträchtigungen für das Ökosystem und die Gesundheit der Einwohner, wären dies laut „Bartin Platform“ auch Nachteile für den Tourismus, der einen wichtigen Wirtschaftszweig der Region darstellt.

Und die Kampagne hatte nun Erfolg. Insgesamt 2.019 Menschen aus Bartin, Amasra und den umliegenden Dörfern unterzeichneten eine Klageschrift, die auf die unzureichende Projektplanung seitens des zukünftigen Kraftwerksbetreibers aufmerksam machte. Denn in der Planung fehlte die Auflistung möglicher Umwelteinflüsse durch den Bau und Betrieb des Kohlekraftwerks. Und diese Klageschrift gab für den türkischen Staatsrat, das höchste Gericht der Türkei, den Ausschlag, den Bau nicht zu genehmigen.

Mit der Unterzeichnung der Klageschrift traten alle 2.019 Personen als Kläger auf, darunter auch hochrangige politische Beamte aus der Region. Nie zuvor in der türkischen Historie setzten sich so viele Menschen vor Gericht gemeinsam für die Umwelt ein. Dies ist umso erstaunlicher, da die Region eigentlich als Kohleregion bekannt ist. „Kohle ist etwas, worauf die Menschen dort stolz sind“, so Ozlem Katisoz von der türkischen Umweltschutzorganisation „Tema“ gegenüber Climate Home News. Doch die negativen Aspekte für die Region hätten in diesem Fall überwogen.

Erdoğans Plan sieht den Ausbau von Kohleenergie vor

Ebenso erstaunlich ist, dass das höchste türkische Gericht sich gegen den Bau des Kraftwerks aussprach. Denn seit dem gescheiterten Putschversuch im Jahr 2016 versucht der türkische Staatspräsident Recep Tayyip Erdoğan die bis dahin weitestgehend unabhängige Justiz auf Linie zu bringen. In Folge des ausgerufenen Ausnahmezustandes entließ Erdoğan Tausende unliebsame Richter. Und eine Verfassungsreform von 2017 eröffnete Erdoğan massive Einflussmöglichkeiten auf die Judikative, indem er das Aufsichtsorgan über die Justiz – den „Rat der Richter und Staatsanwälte“ –  nach seinen Vorstellungen umbaute und besetzte.

Und ginge es nach Erdoğan und seinen Mitstreitern, wären das Kohlekraftwerk nahe Amasra und viele weitere im Land gebaut worden. Denn die Türkei liegt bei der Planung neuer Kohlekraftwerke weltweit auf Platz drei, mit 37 Gigawatt geplanter Kohlekapazitäten in unterschiedlichen Entwicklungsstadien. Dabei soll auch der Abbau von Kohle im eigenen Land forciert werden. Ziel der türkischen Regierung ist es, unabhängiger von ausländischen Ölimporten zur Energiegewinnung zu werden. Dafür werden Kraftwerksprojekte staatlich gefördert.

Doch aktuell sind nur vier Kraftwerke im Bau, während seit 2010 93 Kraftwerksprojekte gestrichen wurden – dank öffentlichem Druck, fehlender zusätzlicher Investoren und Gerichtsentscheidungen, die gegen den Willen der Regierung gefällt wurden. Es scheint also, dass türkische Richter sich zumindest bei Umweltfragen noch weitestgehend unabhängig präsentieren. mf


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