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Verschlammung ist keine Straftat

Die Verockerung des Unterteichs am Bärenbrück ist deutlich sichtbar. (Foto: <a href="https://commons.wikimedia.org/wiki/File:B%C3%A4renbr%C3%BCck_Unterteich.jpg" target="_blank"> Lutki / commons.wikimedia.org</a>, <a href=" https://commons.wikimedia.org
Die Verockerung des Unterteichs am Bärenbrück ist deutlich sichtbar. (Foto: Lutki / commons.wikimedia.org, CC-BY-SA-3.0)

Die jahrelange Gewässertrübung durch eisenhaltigen Schlamm in der Umgebung des Brandenburger Kohletagebaus Welzow-Süd bleibt ungestraft. Einerseits gibt es dagegen nur Gummiparagraphen. Andererseits ist diese Wasserbelastung zum Teil unausweichlich – das Schlimmste kommt vielleicht erst noch.

10.03.2017 – Seit 2009 waren Bäche zwischen dem Kohletagebau Welzow-Süd und der Spree immer wieder übermäßig mit bräunlichem Eisenocker verschlammt, und die beiden zuständigen Landesbehörden tolerierten das, eine vertuschte es sogar durch die Lieferung geschönter Zahlen ans Parlament. Das alles kam Ende Mai 2016 heraus, weil die Umweltschutzorganisation BUND nach dem Informationsfreiheitsgesetz Akteneinsicht beantragt hatte. In die Oberflächengewässer eingeleitet wurde das eisenhaltige Grundwasser vom Unternehmen Vattenfall, das die Kohle förderte.

Wie kam es zu dieser Gewässerverschmutzung, die Ausbaggerarbeiten nötig machte? Liegen Straftaten vor? Warum wurden Eisenkonzentrationen genehmigt, die nach Zahlen des beteiligten Landesumweltamts das Leben mehrerer Fisch- und Fliegenarten behindern oder sogar verunmöglichen? Warum wurden die allerhöchsten Messwerte durch Verlegung mindestens einer Messstelle an einen weniger verschmutzten Ort vertuscht?

Die Politik schaut weg, der Schlamm nimmt zu

Wer diesen Fragen nachgeht, stößt in Behörden und Regierungskreisen erst mal auf viel Schweigen. Die Ämter für Bergbau und Umwelt sagen nichts. Die ihnen vorgesetzten Ministerien für Wirtschaft und Energie sowie für Umwelt schieben sich erst wochenlang gegenseitig die Verantwortung zu, bis es eine gemeinsame Antwort gibt. Fragen an die beiden umweltpolitischen Sprecher der Regierungsfraktionen erbringen praktisch nichts. Wolfgang Roick von der SPD beantwortet die Anfrage trotz zwischenzeitlicher Nachfrage erst nach fast zwei Monaten, und hat auch dann nur mitzuteilen, dass er in der Sache nichts mitzuteilen hat. Thomas Domres von der Linksfraktion antwortet gar nicht.

Nach Anfragen bei den Fraktionen selbst antwortet Anke Schwarzenberg, Sprecherin für ländliche Entwicklung der Linksfraktion. Sie stimmt zu, dass der vom Bergbauamt genehmigte Wert von fünf Milligramm Eisen pro Liter Wasser „ein recht hoher Wert“ ist, „denn er führt zu den sichtbaren Verockerungserscheinungen und den damit verbundenen Schäden für die Tier- und Pflanzenwelt. Andererseits müssen die Werte nach dem Stand der Technik auch realistisch erreichbar sein.“ Schwarzenberg zeigt Verständnis für die Behörden, die sich in diesem „Spannungsfeld“ bewegten, und möchte deren Festlegung der Grenzwerte nicht weiter kommentieren. „Dazu fehlt uns sowohl die Kenntnis der Verwaltungsvorgänge als auch die spezielle fachwissenschaftliche Expertise“, lautet die Begründung, die die Frage aufwirft, wer die Behörden kontrollieren soll, wenn nicht das Parlament. Der Pressesprecher der SPD-Fraktion teilt mit, „die Sache“ werde als „abgeschlossen“ betrachtet, da die Ministerien mittlerweile geantwortet haben.

Verschmutzung ist Auslegungssache

Die Antwort der Ministerien lautet im Wesentlichen: Die vom Umweltamt an anderer Stelle genannten Eisenkonzentrationswerte, ab denen diverse Tiere jeweils leiden, seien nur „Orientierungswerte“. Letztlich sei die konkrete Situation vor Ort entscheidend, und die sehe in diesem Fall so aus, dass die Gewässer der Region von dem eisenhaltigen Grundwasser abhängig seien. Sprich: Wenn wir das Wasser nicht mehr in so großem Umfang aus der Erde drängen lassen, versiegen die Bäche und kriegt die Spree nicht mehr genügend Nachschub. Das aber sei unverhältnismäßig, also müsse die Ökologie zurückstecken. Bergbau- und Umweltamt hätten die „pragmatische Lösung“ der „naturräumlichen Aufbereitung“ gewählt. Dieser Begriff ist eine Neuschöpfung und bedeutet: Teile von Bächen werden der Verschlammung überlassen, damit das Wasser weiter flussabwärts sauberer ist. In mindestens einem Fall wurde sogar die eigentlich an der Grundwassereinleitungsstelle vorgeschriebene Messstelle flussabwärts verlegt, wo Eisenkonzentrationen, die gegen die behördliche Genehmigung verstießen, nicht mehr so häufig vorkamen.

Für die Belastung von Oberflächengewässer mit schädlichem Eisen gibt es also nur Orientierungswerte, keine gesetzlichen Vorschriften? Tatsächlich: In der Anzeige wegen Gewässerverschmutzung, die der BUND im September 2014 stellte, steht, „dass es für die Eisenhaltigkeit von Gewässern keine unmittelbar beachtliche Norm gibt, ab der man von einer Verunreinigung sprechen kann, beziehungsweise muss“. Dennoch sei eine Verschlechterung der Gewässerqualität offensichtlich, und die sei nicht erlaubt. Die Staatsanwaltschaft beschied die Anzeige aber im Oktober 2016 zum zweiten Mal abschlägig und wird nicht weiterermitteln.

Matthias Freude, seit 2015 Chef des Landesamts für Ländliche Entwicklung, Landwirtschaft und Flurneuordnung und davor Chef des Landesumweltamts, bestätigt, dass es keine verbindlichen Wasserschutzwerte gibt. „Was die Schädlichkeit von eisenhaltigem Schlamm für Wasserorganismen angeht, stocherte die Wissenschaft vor 12 Jahren noch im Nebel“, sagt der Professor der Hochschule für Nachhaltige Entwicklung Eberswalde, der auch an der Uni Potsdam lehrt. „Wir haben die Brisanz erst bemerkt, als das Laub in den Spreezuflüssen liegenblieb. Die Flohkrebse, die es normalerweise zersetzen, konnten in dem eisenbelasteten Schlamm nicht leben. Das Laub musste dann zu hohen Kosten ausgebaggert werden.“

Ortstermin mit Vattenfall steht noch aus

Fazit: Es blieb wohl keine andere Wahl, als die Bäche bei Welzow-Süd stark verockern zu lassen. Die Behörden taten etwas ähnliches, was eine Forschungsgruppe vom Berliner Leibniz-Institut für Gewässerökologie und Binnenfischerei als langfristige Lösung vorschlägt: den unvermeidlichen Ockerschlamm so früh wie möglich sich absetzen lassen, wodurch fast tote Zonen entstehen. Allerdings haben die Behörden die konkrete Notlage verschleiert und das allgemeine, langfristige Problem nicht wirklich in seiner Brisanz öffentlich kommuniziert.

Die parlamentarische Befassung mit dem Thema im vergangenen Sommer brachte übrigens eine kurzzeitige Verbesserung: Die Bäche seien im August sehr sauber gewesen, berichtet BUND-Landesgeschäftsführer Axel Kruschat. Dort sei viel eisenhaltiger Schlamm ausgebaggert worden. Kruschat geht davon aus, dass Vattenfall, dem der Tagebau damals noch gehörte, das in Auftrag gegeben hatte, weil der Umweltausschuss des Landtags einen Vor-Ort-Termin plante. Dieser Termin ist weiterhin in Planung. Ob es noch vor der diesjährigen Sommerpause dazu kommt, ist aber laut der Landtagsverwaltung unsicher. Ralf Hutter

 


Langfristiges Modell gegen den Eisenocker
Eisen kommt in der Lausitz nicht nur wegen der Ableitungen vom Kohlebergbau in Gewässer. „Das Problem ist überall im Untergrund“, hält Jörg Gelbrecht fest, Abteilungsleiter am Berliner Leibniz-Institut für Gewässerökologie und Binnenfischerei (IGB). Seine Forschungsgruppe beschäftigt sich schon lange mit dem Thema und denkt es mit der Sulfatbelastung zusammen, die immer wieder in der Presse ist. Der Lösungsansatz des IGB: sogenannte Retentionsräume schaffen. Fließabschnitte und Teiche sollen sich abwechseln, damit die unerwünschten Stoffe sich im langsam fließenden Wasser absetzen. Gelbrechts Hauptaugenmerk richtet sich auf Spree und Spreewald: „Um die zu schützen, brauchen wir viele kleine Maßnahmen im Vorfeld.“ Er hat dabei eine umfassende Perspektive. Die gefährlichen Stoffe, mit denen der Niederlausitzer Untergrund so besonders stark gestraft ist, kommen auch ins Wasser, wenn Boden entwässert wird, um Bau- oder Agrarland zu gewinnen. „Wir dürfen nicht aus jedem Quadratmeter maximalen Profit rausschinden“, mahnt Gelbrecht. Da viele Flächen, die für den Wasserschutz nötig wären, in privater Hand sind, ist ein Förderprogramm der Landesregierung nötig. Billig sei das nicht zu haben – „da muss sich die Politik was trauen“, meint der promovierte Chemiker. Das Problem werde sich noch verschlimmern und jahrzehntelang präsent sein, sagt der Forscher voraus. rhu



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