EnWG-Novelle: Wichtige energiepolitische Weichenstellungen
Die Novelle des Energiewirtschaftsgesetzes packt viele Aufgaben an. Themen sind Netzanschluss und Netzausbau sowie Vorgaben zu Stromtarifen. Das Energy Sharing wird erstmals explizit geregelt. Kleinere Änderungen wird es im EEG geben.
12.09.2024 – Die Novelle des Energiewirtschaftsgesetzes (EnWG) ist neben der Schaffung eines neuen Strommarktdesigns das energiepolitische Thema in diesem Herbst. In beiden Vorhaben werden wichtige Weichen für die Energiewende gestellt, denn der stetig wachsende Anteil der Erneuerbaren Energien im Stromsystem bedarf vielfältiger Anpassungen. Zum Teil resultieren die vorgeschlagenen Änderungen aus europarechtlichen Vorgaben, zum Teil dienen sie dem Bürokratieabbau im Energierecht in Deutschland. Ende August wurde ein Referentenentwurf zur EnWG-Novelle veröffentlicht, Länder und Verbände haben ihre Stellungnahmen eingereicht.
Die geplanten Änderungen betreffen Netzanschlussverfahren, die Aufnahme von Netzausbauvorhaben in das Bundesbedarfsplangesetz, Regelungen zum Energy Sharing, Vorgaben für Stromtarife mit Festpreisen und mehr Absicherungspflichten für Energieversorger und Informationspflichten der Netzbetreiber. Im EEG sind Änderungen im Detail vorgesehen: der Bau von Garten-PV-Anlagen wird erleichtert, nachgeführte PV-Anlagen (Tracker-Anlagen) sollen an Ausschreibungen für Agri-PV teilnehmen können, und die mögliche finanzielle Beteiligung der Standortkommunen an Erträgen aus PV- und Windkraftanlagen wird gedeckelt. Letzteres dient dem Wettbewerb, denn Projektierer, die hohe Anteile auszahlen, haben schlechtere Chancen in einer Ausschreibung einen Zuschlag zu erhalten.
Grundsätzlich gut mit Lücken im Detail
Der Bundesverband Erneuerbare Energien (BEE) hält die Vorschläge für geeignet, um Unsicherheiten und praktische Probleme beim Netzanschluss zu reduzieren, Energy Sharing voranzubringen und kommunale Beteiligung zu stärken, sieht aber auch ungenutzte Möglichkeiten. Standardisierung, Vereinfachung und Digitalisierung beim Netzanschluss werden positiv gesehen, kämen aber „für den Großteil des jetzt notwendigen Zubaus zu spät“, urteilte BEE-Präsidentin Simone Peter.
Da schon die Suche nach einem zuständigen Ansprechpartner bei den Behörden zu langen Verzögerungen führe, plädiert der BEE dafür, in der Gesetzesnovelle auch die Einrichtung einer “Clearingstelle Netze” festzuschreiben. Dort könnten Sachverhalte geklärt und die Umsetzung der behördlichen Pflichten gewährleistet werden.
Unverständlich bleibe, weshalb das Konzept der Überbauung von Netzverknüpfungspunkten (NVP), das der BEE in seiner von vielen Akteuren positiv aufgenommenen Studie dargestellt hat, keine Berücksichtigung fand. Damit könnten künftig mehrere Erneuerbare-Anlagen, Speicher und Anlagen zur Sektorenkopplung gemeinsam an einen Netzverknüpfungspunkt angeschlossen werden. Neben einem schnelleren und kostengünstigeren Zubau würden damit auch neue Geschäftsmodelle zur Nutzung des nicht abtransportierten Stroms ermöglicht. „Die rechtlichen Anpassungen im EEG sind nur geringfügig. Der Netzanschluss ließe sich damit aber maximal beschleunigen“, sagt Peter.
Auskunftspflichten der Netzbetreiber werden begrüßt
Der Bundesverband Neue Energiewirtschaft (bne) betrachtet den ersten Aufschlag als geglückt, sieht aber ebenfalls Nachbesserungsbedarf. Zum einen plädiert er dafür, die Absicherungspflicht noch breiter auszulegen und verweist auf eine Studie, die dafür Lösungen aufzeigt. „So würden dem Stromkunden eine neue Umlage in Milliardenhöhe erspart und dem Steuerzahler höhere EEG-Kosten. Auch müssten Investoren nicht unter jahrelangem Attentismus leiden und warten, bis die EU-Kommission irgendwann in einigen Jahren einen sogenannten Kapazitätsmarkt beihilferechtlich bewilligt“, sagte bne-Geschäftsführer Robert Busch.
Für den bne sind die Netzauskunftspflichten der Netzbetreiber ein weiterer wichtiger Punkt. Seit Langem setzt sich der Verband dafür ein, dass alle Netzbetreiber eine unverbindliche Netzauskunft anbieten, das heißt Informationen darüber, wie weit beispielsweise die nächste Mittelspannungsleitung oder das nächste Umspannwerk entfernt ist. Eine Veröffentlichungspflicht über die tatsächlichen Netzanschlusskapazitäten und der vorgesehene Reservierungsmechanismus lobte Busch. Allerdings sollte der Vorschlag noch besser mit der unverbindlichen Netzanschlussauskunft verschaltet werden.
Erstmals Vorgaben zum Energy Sharing
Dass es nun endlich Regeln zum Energy Sharing geben soll, wird von den Akteuren begrüßt. Aber auch hier bleiben Wünsche offen. Das Bündnis Bürgerenergie (BBEn), das sich in der Vergangenheit immer wieder für das Energy Sharing eingesetzt und Lösungen vorgeschlagen hat, sieht in der jetzigen Umsetzung nur eine Minimallösung und zweifelt an deren praktischer Umsetzbarkeit und wirtschaftlicher Tragfähigkeit. Widersprochen wird der Aussage in der Gesetzesbegründung, Energy Sharing werde kein Massengeschäft. Aus der Perspektive der Bürgerenergie ist Energy Sharing eine große Chance für die Transformation des Energiesystems.
Positiv sieht der Bürgerenergie-Verband, dass Energy Sharing kleinen und mittleren Unternehmen vorbehalten bleibt, es keine Lieferantenpflichten bis 30 kW bei Einzelhaushalten und bis 100 kW für Mehrparteiengebäude gibt sowie eine einheitliche, zentrale Internetplattform für den Datenaustausch etabliert wird und auf eine Begrenzung der Teilnehmerzahl oder der Leistung verzichtet wird.
Nachbesserung strebt das BBEn bei der Einbeziehung von Teilnehmern an. Energy Sharing bleibt zunächst auf ein Bilanzierungsgebiet beschränkt. Der BBEn empfiehlt dringend, dass Energy Sharing in Postleitzahlengebieten, die sich ganz oder teilweise im Umkreis von 50 Kilometern um die Gemeinde befinden, in dem sich die Anlage befindet, möglich ist. Kritisiert werden die zu langen Fristen für die Ausweitung auf mehrere Verteilnetzgebiete.
Weiterer wichtiger Kritikpunkt: die wirtschaftliche Tragfähigkeit sei nicht gesichert, der BBEn fordert Entlastungen bzw. Förderung. Bei Netzentlastung sollten Netzentgelte reduziert und generell keine Übertragungsnetzentgelte fällig werden. Außerdem bekräftigt das Bündnis Bürgerenergie, dass es an seinem Vorschlag zu einer Energy Sharing-Prämie festhält, denn es bleibe unklar, ob Energy Sharing ohne diese Prämie überhaupt wirtschaftlich zu betreiben ist.
Auch aus Sicht des Bundesverbandes Erneuerbare Energien bleiben viele Punkte offen, die den Nutzen von Energy Sharing begrenzen könnten. Dringender Änderungsbedarf bestehe vor allem bei den Netzgebietsgrößen, die unter den gegebenen Umständen stark variieren. Die wirtschaftliche Tragfähigkeit des Energy Sharing in der vorgeschlagenen Form bezweifelt der BEE ebenfalls.
Finanzielle Beteiligung von Kommunen
Bislang ermöglichte § 6 EEG 2023 eine finanzielle Beteiligung von Kommunen nur an den Strommengen aus Windenergie- und Freiflächen-Photovoltaikanlagen, die tatsächlich ins Netz eingespeist wurden. Zukünftig darf die finanzielle Beteiligung sowohl bei Windenergie- als auch bei Freiflächenanlagen auf die tatsächlich erzeugte Strommenge bezogen werden und gewährt Kommunen damit zusätzliche Einnahmen. Gleichzeitig wird der administrative Aufwand für Anlagenbetreiber erheblich reduziert. „Beides ist zu begrüßen”, so die Meinung der BEE-Präsidentin Peter. Der Bund will außerdem die Höhe der finanziellen Beteiligung bei 0,3 Cent pro Kilowattstunde erzeugter Strommenge deckeln.
Eine weitere einfach und kostenneutral umzusetzende Erleichterung mahnt der Bundesverband Windenergie (BWE) an: die Einführung einer Transparenzregelung zur Kommunalbeteiligung. Dabei würden Gemeinden verpflichtet, Zahlungen nach § 6 EEG regelmäßig zu veröffentlichen.
Der BWE sieht außerdem noch erhebliches Potenzial bei der Industriedirektbelieferung. Mit nur wenigen Änderung in EEG und EnWG könnten hier erhebliche Fortschritte erzielt werden, von denen vor allem kleinere und mittelständische Betriebe profitieren könnten. Petra Franke