Klimafinanzierung, also die Unterstützung von Entwicklungsländern bei Klimaschutz und -anpassung, sowie neue nationale Klimapläne. Sind das die wichtigsten Themen der anstehenden COP29 in Baku, Aserbaidschan vom 04. bis 24. November?
Ja, ein neues globales Ziel für die Klimafinanzierung nach 2025 steht offiziell auf der Verhandlungsagenda. Da muss es einen Beschluss zu geben, am Ende der zwei Wochen. Was die neuen Nationalen Klimapläne angeht – die NDCs (Nationally Determined Contributions), die die Staaten dieser Erde bis Ende nächsten Jahres unterm Pariser Abkommen einreichen müssen – dazu gibt es zwar keinen offiziellen Tagesordnungspunkt. Aber es besteht Einigkeit, dass von dieser COP ein Signal ausgehen muss, einer Ankerkennung der Lücke bisheriger Zielsetzungen zum Pariser Klimaabkommen.
Beim Thema Klimafinanzierung haben sich die ebenfalls großen Emittenten China und die Golfstaaten bislang nicht bereit erklärt zur Klimafinanzierung beizutragen.
Ich finde es nicht richtig die Debatte damit zu beginnen, das Problem der künftigen Finanzierung und Aufstockung an der bislang nicht erfolgten Erweiterung der Geberländer festzumachen. Denn schon die bisherigen Geber – die Industriestaaten mit den historisch kumulierten höchsten Emissionen – kommen ihrer Verpflichtung nach dem Pariser Klimaabkommen nicht nach, einkommensschwache Länder bei Klimaschutz und Klimaanpassung angemessen zu unterstützen. Darüber müssen wir zuerst reden und darüber, wie neue und höhere Mittel akquiriert werden können.
Aber ist es nicht so, dass sich die Europäer und die USA zum Teil hinter der Forderung nach einer Erweiterung der Geberländer verstecken?
Ja, die Europäische Union hat offiziell in ihre Verhandlungsposition reingeschrieben, ohne eine Erweiterung der Geberbasis könne es kein ehrgeiziges neues Ziel bei der Klimafinanzierung geben. Ähnliches vernimmt man von den US-Amerikanern. Aber selbst mit einer Erweiterung des Geberkreises sind die nötigen künftigen Mittel nicht ohne weiteres zu erreichen.
Die Vereinten Nationen beziffern die nötigen jährlichen Mittel für die Klimafinanzierung sowie die Unterstützung bei Schäden und Verlusten in einkommensschwachen Ländern auf bis zu einer Billion US-Dollar.
Das wäre eine Verzehnfachung der aktuell bereitgestellten Mittel von jährlich 100 Milliarden US-Dollar, wobei auch schon daran Kritik, besteht. Unsere Berechnungen zeigen, dass die tatsächliche Unterstützungsleistung tatsächlich gerade mal ein Drittel der gemeldeten Gelder beträgt. Das Problem: fast 70 Prozent der Klimafinanzierung werden in Form von Klima-Krediten bereitgestellt und das Teils nicht mal zinsvergünstigt, sondern zu marktüblichen Konditionen, was es den Geberländern ermöglicht, aus diesen Krediten sogar noch Gewinn zu erzielen. Gleichzeitig gilt: Die schwierige Haushaltslage in Deutschland, wie in anderen Ländern, wird es schwer möglich machen, über eine Vervielfachung der staatlichen Mittel zu sprechen, ohne über neue Wege der Finanzierung nachzudenken.
Und die sind?
Klar ist, der Wohlstand und die Wirtschaftskraft in den Industriestaaten sind da, einkommensschwache Länder angemessen zu unterstützen. Etliche Milliarden könnte man abzweigen aus der Streichung fossiler Subventionen oder auch höheren Steuern auf die Förderung und Nutzung fossiler Brennstoffe. Auch eine angemessene Vermögenssteuer für Reiche und Superreiche muss ernsthaft in Erwägung gezogen werden. Die Superreichen tragen überproportional zur Klimakrise bei und würden durch eine stärkere Besteuerung keinesfalls in ihrem Reichtum ernsthaft beeinträchtigt. Seit Jahren ein Thema ist zudem eine CO2-Abgabe im globalen Schiffs- und Flugverkehr. Außerdem sollten die multilateralen Entwicklungsbanken, wie Weltbank und IWF, können und weiter gestärkt werden. Die Reformprozesse hinsichtlich einer besseren finanziellen Ausstattung dieser Banken und leichterer Zugang zu zinsvergünstigten Krediten für Klimaschutz-Projekte laufen bereits, sind aber noch zu zaghaft.
Zuletzt tagten Weltbank und IWF bei einer gemeinsamen Konferenz. Zudem gelten die Treffen der G7 und G20 sowie der Petersberger Klimadialog als wichtige jährliche Zwischenschritte zu den Ende des Jahres stattfindenden Klimakonferenzen. Wie ist der aktuelle Stand der Verhandlungen kurz vor der COP in Aserbaidschan?
Diese und viele weitere Treffen haben uns gezeigt, dass die wesentlichen Knackpunkte noch nicht gelöst sind. Die Befürchtung ist groß, dass die Verhandler auf Ministerinnen- und Minister-Ebene am Ende wieder nächtelang durchverhandeln müssen. Der Teil also, wo wir als Nichtregierungsorganisationen keinen Zutritt mehr haben und unsere Einflussmöglichkeiten folglich nicht mehr groß sind. Die Gefahr ist grundsätzlich da, dass die Verhandlerinnen und Verhandler am Ende zu keiner zufriedenstellenden Lösung für die Klimafinanzierung kommen.
Wann wäre die COP in Baku ihrer Ansicht nach ein Erfolg?
Ein Erfolg wäre es bereits, wenn die Staaten grundsätzlich anerkennen, dass die Unterstützung bis 2030 auf jährlich eine Billion US-Dollar ansteigen muss. Zudem bräuchte es qualifizierte Angaben, wie dieses Ziel in weiteren Arbeitsprozessen erreicht werden kann. Klar, kann auch eine erweiterte Geberbasis steigende Mittel nicht einfach aus dem Haushalt stemmen, aber die von mir skizzierten und weitere neue Finanzierungswege könnten dazu beitragen das Ziel zu erreichen.
Wie sehen Sie Deutschlands Verhandlungsposition?
In den bisherigen Arbeitsgruppen der Pre-COP-Verhandlungen und auch auf der Klimakonferenz selbst wird Deutschland nicht als eigenständiger Verhandler auftreten, sondern als Teil der EU-Delegation. Wir nehmen aber wahr, dass Deutschland innerhalb der EU-Delegation eine konstruktive Rolle innehat und gewillt ist die Konferenz zu einem erfolgreichen Abschluss zu bringen. Aber auch Deutschland hat das Riesenproblem, dass es schon seine bisher gemachte Zusage von sechs Milliarden US-Dollar jährlich möglicherweise nicht einhalten kann, geschweige denn sie zu erhöhen. Das ist natürlich keine gute Verhandlungsgrundlage. Deutschland steht in dieser Hinsicht aber nicht alleine da, auch die Aussichten in anderen Industrieländern sind nicht rosig.
Die USA als zweitgrößter Emittent dieser Erde wirkt gerade angesichts der Wahlen wie gelähmt in der Klimaschutzpolitik. Wahlsieger Donald Trump droht sich erneut aus dem Pariser Klimaabkommen zu verabschieden und auch Kamala Harris gab aus wahltaktischen Gründen ihre Position gegen Fracking-Gas auf.
Auch eine demokratische Präsidentschaft hätte beileibe nicht überall die Positionen vertreten, die wir für richtig halten. Ein Wahlsieg Donald Trumps aber ist deutlich schlimmer. Für das globale Miteinander und den Geist der Kooperation, speziell auf den Klimakonferenzen, ist das eine Katastrophe. Wir müssen davon ausgehen, dass die USA das Pariser Abkommen abermals verlassen, dass sie nächstes Jahr nicht wie eigentlich vorgesehen ihre nationalen Klimaschutzziele bei der UN einreichen werden und auch dass die finanzielle Unterstützung für einkommensschwache Länder gehörig zusammengestrichen wird. Und trotzdem haben wir schon bei der letzten Amtszeit Trumps gesehen, dass sich die USA nicht vollständig aus der Klimapolitik verabschiedet. Viele Bundesstaaten haben Klimaschutzbemühungen eigenständig weiter vorangetrieben und werden das wohl auch unter einer erneuten Trump-Präsidentschaft weiter tun.
Mit Aserbaidschan ist wieder eine Autokratie, wieder ein auf fossile Exporte ausgerichtetes Land Gastgeber der COP.
Man darf annehmen, dass wie im letzten Jahr fossile Lobbyisten die Konferenz fluten werden. Das ist ein Riesenproblem und wird von einem Gastgeber, der selbst auf fossile Strukturen aufbaut, tendenziell unterstützt. Dabei sollte Aserbaidschan die Rolle eines neutralen Vermittlers einnehmen. Der Beschluss der letzten Klimakonferenz aber, der nur eine schrittweise Abkehr von fossilen Energien beinhaltet, hilft auch Aserbaidschan am Ende. Erdgas als vermeintliche Übergangslösung zu präsentieren ist für das Land ein hervorragendes Schlupfloch weiter Gas zu fördern und in die Welt zu transportieren.
Zwar wurde bei der letzten Klimakonferenz auch eine Verdreifachung des Ausbaus Erneuerbarer Energien und Verdopplung der Energieeffizienz festgeschrieben, aber für das Erreichen der Pariser Klimaziele müsste zugleich eine vollständige Abkehr von fossilen Brennstoffen beschlossen werden.
Immerhin wurde auch anerkannt, dass die bisherigen Klimaschutzbemühungen der Länder nicht ausreichen und diese ihre Nationalen Klimapläne deutlich verschärfen sollen. Auf der kommenden Klimakonferenz braucht es ein deutliches Signal, dass in den neuen NDCs eine vollständige Abkehr von fossilen Energien enthalten ist. Auch wenn die Länder nicht zu stärkeren Klimaschutzmaßnahmen gezwungen werden können, muss der Druck deutlich erhöht werden.
Das Interview führte Manuel Grisard
Nachtrag: Das Interview wurde im Zuge des Wahlsiegs Donald Trumps aktualisiert.