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Kabinettsbeschluss zum HaushaltZusätzliche Schulden am Klimaschutz vorbeigeplant

Ein Mann im dunklen Anzug mit weißem Hemd sitzt in einem grauen Sessel und spricht gestikulierend. Er trägt ein Ansteckmikrofon und befindet sich vor einem blauen Hintergrund mit diagonalen Linien und einem hellblauen Streifen.
Finanzminister Lars Klingbeil: Herr über den neuen Haushalt (Bild: Christian Hahn, INSM, flickr, CC BY-ND 2.0)

Der gestern im Kabinett beschlossene Haushalt sieht Rekordschulden vor, die der Herausforderung Klimaschutz aber nicht gerecht werden, so die Kritik von Opposition und Umweltorganisationen. Einige stellen sogar die Verfassungskonformität infrage.

25.06.2025 – Inklusive der Ausgaben für Verteidigung, werden sich die zusätzlichen Schulden des Bundes auf 143,1 Milliarden Euro in diesem Jahr addieren. In den Folgejahren sollen die Schulden noch weiter ansteigen, auf 186 Milliarden Euro 2029. Insgesamt sollen die neuen Schulden bis dahin 850 Milliarden Euro betragen, so sehen es die Planungen von Finanzminister Lars Klingbeil, nach intensiven Beratungen mit den verschiedenen Ressorts, vor.

Hatte die Ampelregierung in ihrem Kernhaushalt für 2025 noch eine Nettokreditaufnahme von 51,3 Milliarden Euro vorgesehen, sieht die neue Bundesregierung eine Nettokreditaufnahme von 81,8 Milliarden vor. Dazu kommen zum einen die Ausnahme der Verteidigungsausgaben von der Schuldenbremse, die in diesem Jahr 24,1 Milliarden Euro ausmachen, und zum anderen 37,2 Milliarden aus dem Sondervermögen von insgesamt 500 Milliarden Euro, das Jahr für Jahr und bis Ende 2036 zusätzliche Investitionen für „Infrastruktur und Klimaneutralität“ vorsieht.

Laut Bundesfinanzministerium sind für 2025 insgesamt – also aus Kernhaushalt, Sondervermögen Infrastruktur und Klimaneutralität sowie Klima- und Transformationsfonds) Rekordinvestitionen von über 115 Milliarden Euro eingeplant. Damit würden die Investitionen im vergleich zu 2024 um 55 Prozent steigen.

Neben 100 Milliarden für die Kassen der Bundesländer und ihre eigene Infrastruktur, verhandelte die Fraktion der Grünen im Bundestag die Reservierung von weiteren 100 Milliarden Euro für den Klima- und Transformationsfonds (KTF) in das Sondervermögen hinein. Nach der Bundestagswahl aber noch in der Zusammensetzung des alten Bundestages waren Bündnis 90/Die Grünen das Zünglein an der Waage für eine entsprechende Reform der Schuldenbremse, die nur mit einer Zweidrittel Mehrheit des Bundestages möglich war.

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Die KTF-Mittel sollen in zehn gleichmäßigen Tranchen bis 2034 überwiesen werden und „zusätzlichen Investitionen zur Erreichung der Klimaneutralität“ dienen. Jedoch sollen aus dem KTF in diesem Jahr auch 3,4 Milliarden Euro in die Senkung der Gaspreise für Unternehmen und Verbraucher:innen fließen. Hintergrund ist die Abschaffung der sogenannten Gasspeicherumlage, die 2022 eingeführt wurde, Gasnetzbetreiber bei vorgeschriebenen Mindestfüllständen ihrer Gasspeicher zu entlasten. Die Mehrkosten trugen die Endkund:innen. Diese fallen nun weg und die Mehrkosten für die Gasnetzbetreiber werden aus dem KTF finanziert.

Die Fraktionsvorsitzende der Grünen, Katharina Dröge, zeigt sich vor allem von der SPD und Lars Klingbeil enttäuscht. „Früher wurde wenigstens darüber gesprochen. Heute sprechen sie ja noch nicht mal mehr über das Thema Klimaschutz. Insbesondere bei Lars Klingbeil kommt das im Wortschatz kaum noch vor.“ Dass Klingbeil nun sogar die Subventionierung fossiler Infrastruktur über den Klima- und Transformationsfonds finanzieren wolle, sei nichts anderes als der Versuch, Klimaschutz zu umgehen. „Wir werden es erleben, er wird sich auch noch hinstellen und das als Maßnahme für den Klimaschutz verkaufen. Das ist das Gegenteil von zukunftsfähiger Politik. Dass die CDU sich vom Klimaschutz verabschiedet hat, ist bekannt. Von der SPD hätte ich mehr erwartet“, so Dröge.

Immerhin auf eine bislang vorgesehene Zuführung des KTF an den Kernhaushalt von insgesamt 20 Milliarden Euro im Finanzplanungszeitraum werde verzichtet, so das Finanzministerium. Förderschwerpunkte des KTF seien weiter die Bereiche effizienter und klimagerechter Umbau, Hochlauf der Wasserstoffwirtschaft, klimafreundliche Mobilität und Transformation der Industrie. Auch der Netzausbau soll mit Mitteln aus dem KTF vorangetrieben und damit die Verbraucher:innen bei den Netzkosten entlastet werden.

Größter Profiteur: der Verkehr

Insgesamt der größte Profiteur aus Zuwendungen des Sondervermögens Infrastruktur und Klimaneutralität soll in diesem und den kommenden Jahren der Verkehr werden. Bundesverkehrsminister Patrick Schnieder (CDU) frohlockte gestern: „Mit dem heutigen Tag geht es richtig los: Wir beenden den Sanierungsstau bei der Verkehrsinfrastruktur. Wir werden in dieser Legislaturperiode 166 Mrd. Euro für Verkehrsinvestitionen bereitzustellen. Davon fließen 107 Mrd. Euro in die Schiene, 52 Mrd. Euro in die Bundesstraßen und 8 Mrd. Euro in die Wasserstraßen. Zum Vergleich: In den fünf Jahren davor (2020-2024) waren es 102 Mrd. Euro.“ Damit habe man es aus dem Stand geschafft die Verkehrsinvestitionen um 60 Prozent zu steigern.

Für Investitionen in die Bahn-Infrastruktur werden noch in diesem Jahr rund 22 Milliarden Euro bereitgestellt, wovon knapp über 9 Milliarden Euro aus dem Sondervermögen Infrastruktur und Klimaneutralität stammen. Hier liegen die Schwerpunkte in der Modernisierung des Bestandsnetzes und der Digitalisierung der Schiene.

Die Allianz pro Schiene appelliert an die Bundesregierung, das Sondervermögen schnellstmöglich auch für den Bau neuer Schienenstrecken zu verwenden. „Der Stau auf der Schieneninfrastruktur nimmt dramatisch zu. Nur mit der Sanierung der Strecken ist es nicht getan, wir brauchen auch zusätzliche Gleise“, sagte Geschäftsführer Dirk Flege am Montag in Berlin. Nach Angaben des gemeinnützigen Verkehrsbündnisses hat sich die Zahl der chronisch überlasteten Strecken innerhalb weniger Jahre fast verdoppelt. Waren 2018 „nur“ 749 Kilometer des Streckennetzes überlastet, sind es in diesem Jahr bereits 1.321 Kilometer – Tendenz weiter steigend.

Klimaschädliche Investitionen nicht ausgeschlossen

Die Umwelt- und Menschenrechtsorganisation Germanwatch kritisiert, Klimaschutz sei für den größten Teil des Sondervermögens nicht als Zweck vorgesehen, klimaschädliche Investitionen in fossile Infrastrukturen oder Autobahnen nicht ausgeschlossen. Rund 10 Millionen Euro sind in diesem Jahr für den Straßenverkehr vorgesehen. Zudem bemängelt Germanwatch, dass das Sondervermögen nur für Maßnahmen in Deutschland eingesetzt werden soll, obwohl das Klima- und Transformationsfondsgesetz ausdrücklich auch Maßnahmen zum internationalen Klimaschutz vorsehe.

„Mindestens zehn Prozent der KTF-Ausgaben müssen für Klimaschutz- und Anpassungsinvestitionen in die internationale Klimafinanzierung fließen. Denn jeder Euro, den wir in Klimaschutz und -anpassung investieren, stärkt Deutschland als verlässlichen und strategischen Partner, verhindert ein Mehrfaches an Schäden und sichert somit langfristig die Resilienz unserer Lieferketten“, so Ute Sudmann, Leiterin des Bereichs Zukunftsfähige Finanzflüsse bei Germanwatch.

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Blick auf eine große Konferenzhalle mit halbkreisförmiger Sitzanordnung, in der zahlreiche Delegierte an Tischen mit Namensschildern und technischen Geräten sitzen. Im Hintergrund das Podium mit einer großen Leinwand, auf der das Logo der Vereinten Nationen und der Schriftzug „United Nations Climate Change Conference, Bonn, Germany“ zu sehen ist.
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Wie Germanwatch, stellt auch die Umweltorganisation WWF Deutschland die Verfassungskonformität der verwendeten Gelder aus dem Sondervermögen infrage. Bei der gesetzlichen Errichtung des Sondervermögens müsse Klimaschutz Kernkriterium für Investitionsentscheidungen sein, fordert der WWF und beruft sich auf neue Rechtsanalysen der Rechtsanwaltskanzlei Günther im Auftrag der Umweltorganisation.

Diese legen dar, dass Klimaschutz beim Sondervermögen als gleichberechtigtes Ziel neben Infrastrukturinvestitionen stehe. Daher seien nicht nur die 100 Milliarden Euro für den Klima- und Transformationsfonds, sondern auch die übrigen Gelder aus dem 500 Milliarden schweren Sondervermögen in diesem Sinne zu investieren. Auch ergebe sich schon aus dem Grundgesetz eine verfassungsrechtliche Pflicht für Investitionen in den Klimaschutz, die rechtzeitig erfolgen müssten.

Viviane Raddatz, Klimachefin beim WWF Deutschland, sagt: „Das Sondervermögen bietet eine große Chance: Die neue Bundesregierung muss schon bald ihr Klimaschutzprogramm vorstellen. Dieses muss auch finanziert werden. Das Sondervermögen bietet hier einen großen Spielraum. Darüber ließe sich das verfassungsrechtliche Klimaschutzgebot erfüllen, wenn es richtig umgesetzt wird. Doch dafür muss sichergestellt werden, dass ein Großteil des Sondervermögens in Klimaschutz fließen kann und die getätigten Investitionen mit den Klimazielen übereinstimmen.“ So könne die Bundesregierung auch die verfassungsrechtliche Pflicht, des Schutzes junger und künftiger Generationen waren. mg 

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