Energiepolitik von Union, SPD und Grünen: Zwischen Technologieoffenheit und Fortführung des eingeschlagenen Weges
Zwischen der Union auf der einen und SPD und Grünen auf der anderen Seite, klaffen große Unterschiede in der künftigen Ausrichtung der Energiewende, das zeigen die Wahlprogramme. Aber es gibt auch Gemeinsamkeiten, auf denen sich aufbauen lässt.
18.12.2024 – Es sind die Parteien, die laut aktuellen Wahlumfragen die größten Chancen haben gemeinsam eine neue Regierung zu bilden. Während es für rot-grün – SPD und Bündnis 90/Die Grünen – bislang nicht für eine Mehrheit reichen würde, wäre dies bei schwarz-grün und schwarz-rot der Fall. Viele sehen Friedrich Merz bereits als Kanzler einer Unionsgeführten Regierung nach der Wahl. Seit Monaten liegen CDU und CSU in Umfragen bei über 30 Prozent, SPD und Grüne liegen zwischen 11 und 16 Prozent. Während dem Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) gute Chancen eingeräumt werden, erstmals in den Bundestag einzuziehen, könnte es für FDP und Linke nicht reichen. Weder mit dem BSW und schon gar nicht mit der AfD wollen Union, SPD und Grüne auf Bundesebene zusammenarbeiten.
Die drei Parteien, die mehr oder weniger offen für gemeinsame Bündnisse sind, stellten alle am gestrigen Dienstag offiziell ihre jeweiligen Wahlprogramme vor. Was sind die Forderungen und Angebote der Parteien für die Energiewende? Wo gibt es Unterschiede? Wo Gemeinsamkeiten?
Die Details
Die Union propagiert „Technologieoffenheit“ und einen „pragmatischen“ Ansatz, für eine „ideologiefreie“ bezahlbare Energieversorgung. Der Ausbau der Erneuerbaren Wind, Solar, Geothermie, Wasserkraft, Bioenergie, aber auch der „nachwachsende Rohstoff Holz“ finden Erwähnung. Die Energieversorgung insgesamt aber müsse „auf den Prüfstand“. Das gilt auch für die Atomkraft und der Erforschung neuer Reaktoren und Fusionskraft, sowie die mögliche Wiederaufnahme des Betriebs zuletzt abgeschalteter Atomkraftwerke. Die Atomkraftdebatte sehen Energieexpert:innen und Unternehmen jedoch kritisch.
Grüne und SPD hingegen erteilen der Atomkraft eine klare Absage. Die Grünen nennen das Ziel bis 2035 Strom komplett klimaneutral zu produzieren. Auch wollen sie bis 2030 alle verbliebenen Kohlekraftwerke schließen. Die Folgen des Kohlebergbaus sollen nicht auf die Allgemeinheit zurückfallen. Holz zur Energiegewinnung wird nicht genannt, ebenso wenig das Credo von Technologieoffenheit. Bürgerenergieprojekte und Energy-Sharing hingegen werden als wichtige Pfeiler des Energiesystems hervorgehoben. Auch für die SPD ist die dezentrale Energieversorgung ein wichtiges Thema, die es bürgernah weiter zu vereinfachen gilt. SPD und Grüne wollen das Heizungsgesetz (GEG), kommunale Wärmeplanung und zugehörige Förderungen fortführen. CDU/CSU dagegen wollen das GEG abschaffen, legen aber keine Alternativen vor.
Gemeinsam ist allen drei Parteien aber, dass sie weiter auf den deutschen und europäischen Emissionshandel für Energie, Industrie, Gebäude und Verkehr bauen, diese europäisch vereinheitlichen und die Einnahmen daraus an die Bürger:innen des Landes zurückgeben wollen, wobei es im Detail wiederum Unterschiede gibt. Die Union will mit den CO2-Einnahmen zuerst Stromsteuer und Netzentgelte reduzieren. Höhere Belastungen durch CO2-Abgaben sollen demnach auch zu höheren Entlastungen führen. SPD und Grüne nennen das „Klimageld“ als mögliche Maßnahme. Dahinter steht das Konzept, einen festgelegten Preis an die Bürger:innen zurückzuzahlen. Davon profitieren dann vor allem diejenigen, die ohnehin weniger Geld zur Verfügung haben und tendenziell weniger CO2 verbrauchen. Neben dem Klimageld schlagen SPD und Grüne viele weitere Maßnahmen für den Schutz der Haushalte vor, wie etwa eine Preisaufsicht für Fernwärme.
Gemein ist allen Parteien, dass sie Netze, Speicher und den Wasserstoffmarkt erheblich ausbauen und den Strommarkt reformieren wollen, um dem wachsenden Markt an fluktuierenden Erneuerbaren Energien gerecht zu werden. Auch wollen sie den gemeinsamen europäischen Strommarkt fördern und ausbauen. Union und Grüne nennen beide die nötige Entwicklung und Installation von CO2-Abscheidungssystemen. Auch wollen beide Parteien erheblich mehr in die Forschung für Erneuerbare Technologien stecken. Auch wollen beide Parteien an Subventionen ran. Während die Union allgemein Subventionen auf den Prüfstand stellen will, konkretisieren die Grünen den Abbau umwelt- und klimaschädlicher Subventionen.
Für die Transformation der Industrie setzen die Grünen „auf einen effizienten Instrumentenmix aus marktwirtschaftlichen Instrumenten wie CO2-Preis, gezielter Unterstützung vor allem bei Investitionen und wo nötig möglichst unbürokratischem Ordnungsrecht.“ Zudem werden die sogenannten „Klimaschutzverträge“ genannt. Damit werden Industriebetriebe bereits kurzfristig bei der Transformation unterstützt, indem es Mehrkosten beim Umstieg ausgleicht. Langfristig sollen die Erneuerbaren günstiger produzieren. Zudem sollen allgemein Unternehmen, die in Deutschland investieren, eine unbürokratische Investitionsprämie einer 10 Prozent verminderten Steuerschuld für fünf Jahre erhalten. Der grüne Kanzlerkandidat und Wirtschaftsminister Robert Habeck nannte dafür die Bereitstellung eines Fonds im mittleren dreistelligen Milliardenbereich. Kurzfristig brachte Habeck auch die Entlastung der Industrie durch verringerte Netzentgelte ins Spiel.
Auch die SPD will sich für eine bezahlbare Energieversorgung im Sinne der Industrie einsetzen. Dafür sollen die Netzentgelte gedeckelt werden. Auch wollen sich die Genossen auf europäischer Ebene dafür einsetzen, dass mehr energieintensive Branchen von den Entlastungen der sogenannten Strompreiskompensation profitieren können, zum Beispiel die Glasverarbeitung, weitere Teile der Chemie und die Batteriezellenproduktion. Auch soll es einen Deutschlandfonds geben, anfangs und weiter wachsend mit 100 Milliarden Euro ausgestattet, der wichtige Investitionsbedarfe erfüllt.
Die Union setzt, wie erwähnt, auf die CO2-Einnahmen, auch zur Entlastung der Industrie. Zudem setzen CDU/CSU auf allgemeine Steuererleichterungen, um Investitionen anzukurbeln. Zugleich bekennt sich die Union, im Gegensatz zu SPD und Grüne, im Wahlprogramm zur Schuldenbremse. Grüne und SPD werfen der Union vor, ihr Programm sei nicht gegenfinanziert. Merz entgegnete dem, dass man durch Wirtschaftswachstum und Kürzungen beim Bürgergeld auf die erhofften Summen komme. Eine Rechnung, die nicht aufgehen könnte.
Vernichtendes Urteil
Davor warnen auch Umweltorganisationen. Heike Vesper, Vorständin Transformation und Politik beim WWF Deutschland, kommentiert: „Die CDU erkennt den hohen Investitionsbedarf in die Infrastruktur. Sie verpasst aber die Chance, auf wirksame Lösungen wie eine grundlegende Reform der Schuldenbremse oder ein Infrastruktur-Sondervermögen zurückzugreifen. Stattdessen gräbt sie eine Wirtschaftspolitik vergangener Jahrzehnte wieder aus und hofft, so das Wirtschaftswachstum anzukurbeln: mit einem großen Paket an Steuerentlastungen, ohne zu sagen, wie das finanziert und wie sozialer Ausgleich gestaltet werden soll.“
Lia Polotzek, Interimsgeschäftsführerin Politik beim Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND), erklärt zum Wahlprogramm, die Union wolle unter dem Mantra der Technologieoffenheit gefährliche fossile und atomare Technologien zementieren. „Dadurch würde Deutschland international den Anschluss bei Zukunftstechnologien wie den erneuerbaren Energien verlieren.“
Hoffnung auf Planungssicherheit
In einem Positionspapier zur anstehenden Bundestagswahl hofft ein Zusammenschluss führender deutscher Ökoenergieversorger auf eine erfolgreiche Fortführung der angeschobenen Energiewende. Die Ausbau-Erfolge in den letzten Jahren hätten gezeigt, dass Erneuerbare Energien eine sichere, unabhängige Energieerzeugung Deutschlands gewährleisten können, so naturstrom, Green Planet Energy, EWS Schönau und Bürgerwerke in dem gemeinsam verfassten Papier. Für Marktbedingungen, in denen Erneuerbare Energien nicht gegenüber fossilen Energieträgern benachteiligt werden, müsse es einen ambitionierten CO2-Preis mit sozialgestaffelten Klimageld geben, klimaschädliche Subventionen abgebaut und der Strommarkt reformiert und flexibilisiert werden.
Zudem gelte es, die Wärmewende weiter finanziell auf sichere Füße, mit langfristigen Markt- und Förderbedingungen zu stellen und die Energiewende bürgernah auszugestalten. „Energiewende auf Kurs halten“, fordern die Vorstände von naturstrom, Oliver Hummel, und Sönke Tangermann, Green Planet Energy, im einem gemeinsamen Standpunkt im Tagesspiegel Background gestern. Die Fakten für die Energiewende würden eine deutliche Sprache sprechen: „Der Anteil der Erneuerbarenstieg im dritten Quartal auf 63,4 Prozent. Photovoltaik boomt, die Genehmigungen für neue Windenergieanlagen an Land ziehen endlich wieder deutlich an.“ Atomenergie brauche niemand mehr und innerhalb einer Dekade könne auch Kohle und Gas aus der Stromerzeugung verdrängt werden. Manuel Grisard
Kommentare
Wilfried Brandt am 18.12.2024
Wer heute noch immer auf sog. Technologieoffenheit setzt, versucht sich auf Kosten von Bevölkerung und Wirtschaft zu profitieren. Wann immer unterschiedliche Systeme parallel laufen, entstehen vermeidbare Kosten. Aber das verstehen konservative Kreise bis heute einfach nicht.