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Florierender Zweitmarkt für Solaranlagen

Auf dem solaren Zweitmarkt gibt es fast alles zu kaufen, ob einzelne Module, ganze Anlagen oder Paneele älter Generationen. (Foto: Claus Ableiter, CC BY-SA-3.0, https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Dach_des_G%C3%A4stehauses_Freiherr_vom_Stein_-_Solart
Auf dem solaren Zweitmarkt gibt es fast alles zu kaufen, ob einzelne Module, ganze Anlagen oder Paneele älter Generationen. (Foto: Claus Ableiter auf Wikimedia /CC BY-SA-3.0)

Sinkende Renditen bei Neuanlagen, vermehrte Schäden im laufenden Betrieb: Der Handel mit gebrauchten Solaranlagen und Modulen gewinnt an Bedeutung. PV-Anlagen aus zweiter Hand erleben einen Boom. Zu kaufen gibt es fast alles, ob einzelne Module, ganze Anlagen oder Paneele älter Generationen.

19.04.2016 – Second Hand liegt voll im Trend: Gebrauchte Autos, Altbauten, gelesene Bücher, selbst getragene Schuhe gehen auf den einschlägigen Online-Portalen besser denn je. Ebay liegt im Ranking der beliebtesten Shops gleich hinter dem Versandunternehmen Amazon auf dem zweiten Rang. Die Internetseite wurde im Vorjahr 1,9 Milliarden Mal besucht. Auch der Handel mit laufenden Solaranlagen und gebrauchten Modulen gewinnt an Bedeutung. Die Unternehmen berichten von einer steigenden Anzahl der Transaktionen und immer schneller vergriffenen Angeboten. „Die Investoren haben großen Appetit“, sagt Philipp von Seherr-Thoss von der Online-Plattform Milk the Sun. Über sie sind im vergangenen Jahr weltweit Anlagen mit einem Handelsvolumen von fast 100 Millionen Euro gehandelt worden – von kleinen Privatanlagen bis zu Solarkraftwerken mit 48 Megawatt Leistung. Damit zählt Milk the Sun zu den größten Akteuren auf dem internationalen PV-Zweitmarkt.

Grund für das steigende Interesse an gebrauchten Solaranlagen: Investoren finden derzeit nur wenige Möglichkeiten, ihr Geld gewinnbringend anzulegen. Anleihen und Sparkonten werfen kaum noch Rendite ab, die Börse ist unstet, und auch neue Photovoltaikanlagen haben an Reiz verloren. Der Zubau ist in Deutschland eingebrochen, weil die Einspeisevergütung für Solarstrom in den letzten Jahren schneller gesunken ist als es die Modulpreise sind. Bei den großen Freilandkraftwerken wiederum bremsen hohe Vorlaufkosten und Risiken bei den wettbewerblichen Ausschreibungen die Investitionsbereitschaft. Investoren stellt sich die Frage: Wo liegt der Zuschlagswert, bin ich dabei?

Bei PV-Gebrauchtanlagen gibt es weniger Unwägbarkeiten. Die meisten laufen schon mehrere Jahre, sodass sich tatsächliche Leistung und Betriebskosten gut nachvollziehen lassen. Entsprechend genau lässt sich auf Basis der Einspeisevergütung auch die zu erwartende Rendite abschätzen. „Bei Anlagen bis 500 Kilowatt Leistung erzielen Investoren im Durchschnitt bei 3,5 bis vier Prozent, bei größeren Anlagen bei rund sieben Prozent“, sagt Seherr-Thoss. Diese Werte finden offenbar breiten Anklang: Private, institutionelle Investoren und auch Stadtwerke investierten.

Schnell vergriffen

Doch wenn die Solaranlagen so viel abwerfen – warum werden sie dann überhaupt verkauft? Gründe gebe es genug, sagt Seherr-Thoss: Insolvenzen, neue Anlagemöglichkeiten, die Auflösung einer Erbengemeinschaft, Scheidungen. Um eine Anlage über die Plattform verkaufen zu können, müssen Anbieter dort präzise Angaben machen: Freifläche oder Dachfläche, Projektgröße, Standort, Art der Pacht, Kaufpreis, fest oder verhandelbar? Laien greift Milk the Sun bei der Angebotserstellung unter die Arme: Wer keine Preisvorstellung hat, dem kann eine Art PV-Schwackeliste helfen. Ein sogenannter Nettowertrechner errechnet auf Basis des Netzgangs und des Ertrags einer Anlage online den aktuellen Verkaufswert und die für den Käufer zu erwartende Rendite. Interessenten sollten sich aber nicht zu viel Zeit lassen, ein Angebot zu prüfen. „Die Umschlagsgeschwindigkeit der angebotenen Projekte, das heißt von der Veröffentlichung bis zum Verkauf, hat sich von durchschnittlich fünf Monaten in 2014 auf unter drei Monate in 2015 deutlich verbessert“, sagt Seherr-Thoss. „Gerade in Deutschland drehen die Anlagen sehr schnell, wenn sie auf die Plattform kommen.“

Milk the Sun ist nicht das einzige wachsende Unternehmen auf dem PV-Zweitmarkt. Auch auf dem Portal der Firma Secondsol nehmen die Transaktionen zu. „Seit letztem Jahr läuft das Geschäft. Mittlerweile haben wir 8.000 Anbieter, die bei uns kaufen und verkaufen.“ Im Gegensatz zu Milk the Sun werden über Secondsol aber keine kompletten Anlagen, sondern nur einzelne PV-Produkte wie Module gehandelt. Und das Unternehmen tritt nicht nur als reiner Vermittler, sondern auch als Anbieter auf. „Wir haben bereits 32.000 Module mit rund 6,4 Megawatt Gesamtleistung auf Lager“, sagt Fiedler. Darunter Restserien von Herstellern, die nicht mehr im Solargeschäft aktiv sind, und gebrauchte wie auch reparierte Module aus Schäden. Ihr Handel bringt allen Beteiligten Vorteile: Käufer profitieren, weil sie bei Secondsol auch Paneele älterer Generationen finden, die sonst nicht mehr angeboten werden. So können sie Defektlücken auf ihren Dächern unauffällig und zu überschaubaren Kosten schließen. Laut Fiedler sind Gebrauchtmodule bei Secondsol für durchschnittlich 0,36 bis 0,38 Euro pro Watt zu haben, neue Module kosten in Deutschland hingegen aktuell 0,58 Euro. Auch Versicherungen nutzen das Angebot, um etwa durch Unwetter verursachte Schäden mit wenig finanziellem Aufwand zu regulieren.

Secondsol wiederum profitiert vom stetig steigenden Ersatzbedarf. In der Boomphase der Photovoltaik in Deutschland in den Jahren 2010 bis 2012 wurde offenbar nicht immer die beste Qualität auf die Dächer gebracht. Immer mehr Besitzer und Versicherer von Anlagen aus dieser Zeit beklagen schlechte Erträge oder Schäden, weil die Paneele fehlerhaft installiert wurden oder die Module wegen technischer Mängel vorzeitig an Leistung verlieren. „Der Zustand der Anlagen, die fünf bis sechs Jahre in Betrieb sind, ist teilweise sehr problematisch“, sagt der Solarexperte Willi Vaaßen vom Tüv Rheinland. Im Rahmen ihres jährlichen Qualitätsmonitors von Solaranlagen stellen die Tüv-Experten bei Modulen besonders häufig die sogenannte potenzialinduzierte Degradation (Pid) fest. Bei diesem Effekt lassen Materialschwächen, Feuchte und hohe Spannungen die Leistung schon in den ersten Jahren übermäßig sinken.

Repowering auf dem Dach

Eigentlich müssten in diesen Fällen die Garantien der Hersteller greifen. In der Regel wird heute ein Leistungsausstoß von 90 Prozent der Nennleistung einer Anlage über zehn Jahre und von 80 Prozent über 25 Jahre zugesichert. Außerdem garantieren die Hersteller für bis zu zehn Jahre, dass Module über die zweijährige Gewährleistung hinaus keine Material- und Verarbeitungsfehler aufweisen. Das Problem: Im Zuge der Solarkrise sind viele Hersteller und Installateure vom Markt verschwunden. So ist die Zahl der Installationsbetriebe in Deutschland nach Brancheninformationen seit 2010 von rund 30.000 auf 10.000 gesunken. Damit fehlt vielen Betreibern der Ansprechpartner, der im Garantiefall ihre Ansprüche beim Hersteller durchsetzt. Sie müssen daher bei Schäden auf eigene Kosten möglichst günstigen Ersatz beschaffen. An dieser Stelle setzt Secondsol an.

Fiedler sieht sein Portal aber nicht nur als Notbehelf. „Die zweite Schiene ist das Repowering.“ Viele Anlagenbesitzer tauschten alte Module auch freiwillig gegen neue Gebrauchte, um ihre Anlage zu höheren Wirkungsgraden weiterzuentwickeln. Ein Effekt des Repowerings: Der Platzbedarf sinkt, und es entstehen Freiräume auf einem Dach, die für zusätzliche neue Module genutzt werden können. Für die Neuinstallation gelten dann allerdings die aktuellen Förderbedingungen. Während sich Secondsol eher als Marktplatz für den Kauf und den Verkauf von Solarmodulen versteht, komplettiert Kooperationspartner Envaris das Angebot um die dazu passenden Service-Dienstleistungen: Die Firma bietet Anlagenchecks an, Gutachten, Wartungen, Reparaturen und das Recycling ausgedienter Module. Vertriebsleiter Stefan Wippich sagt, dass das Thema Wartung von kleinen und mittleren Anlagen in der Photovoltaik bisher eher eine untergeordnete Rolle gespielt hat. Doch offenbar setzt bei Betreibern allmählich ein Umdenken ein. „In den letzten drei Jahren haben wir über 700 Anlagen neu in den Service genommen“, sagt Wippich. Zu den Auftraggebern zählten unter anderem Stadtwerke, Energieversorger und Fertighausanbieter. Auch das passt zum Second Hand-Trend: Bestehendes wird besser gepflegt, mehr wertgeschätzt als in Zeiten des Booms.
Sascha Rentzing (neue energie, Ausgabe Nr. 04/2016, S.40-41)


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