Menü öffnen

„Ozean bald am Rand des Kollaps“

Der Atlantik bei Sonnenaufgang, ein Traum! Was sich unter der Wasseroberfläche alles tut kommt laut Meeresatlas der Heinrich-Böll-Stiftung allerdings eher einem Alptraum nahe: Rostende Atommüllfässer, Mikroplastikmüll, Sauerstoffmangel und Artensterb
Der Atlantik bei Sonnenaufgang, ein Traum! Was sich unter der Wasseroberfläche alles tut kommt laut Meeresatlas der Heinrich-Böll-Stiftung allerdings eher einem Alptraum nahe: Rostende Atommüllfässer, Mikroplastikmüll, Sauerstoffmangel und Artensterben – um nur einige der Probleme zu nennen. (Foto: Nicole Allé)

Die Weltmeere sind in schlechtem Zustand, überfischt, vermüllt und zunehmend sauer. Die Heinrich-Böll-Stiftung fordert mehr Schutz für die Meere und hat einen für jeden verfügbaren Meeresatlas vorgestellt, in dem das ganze Dilemma beschrieben wird.

15.05.2017 – „Wir sind dabei, den Ozean an den Rand des Kollaps zu treiben", sagt Barbara Unmüßig von der Heinrich-Böll-Stiftung anlässlich der Vorstellung des Meeresatlas, der den Zustand der Weltmeere in Wort und Bild beschreibt. Im Wasser finden sich demnach zu viele Phosphate, Nitrate und Schwermetalle als auch zu viel Plastikmüll, Öl und radioaktives Material – und zunehmend weniger Leben .

Bereits jetzt seien 30 Prozent der globalen Fischbestände überfischt, weitere 60 Prozent sind von der Überfischung bedroht. Zudem werden die Meere immer wärmer und der Wasserspiegel steigt durch das Schmelzen der Eisgletscher, und zwar schneller als bislang vermutet – das stellt bereits eine ernste Bedrohung für etliche Inseln und Küstenstädte weltweit dar.

Der globale Meeresspiegel ist in den letzten 100 Jahren um 20 Zentimeter gestiegen. Bis zum Ende des Jahrhunderts könnte es laut Meeresatlas ein Meter werden. 90 Prozent der globalen Fischbestände sind maximal genutzt oder bereits überfischt. Besonders besorgniserregend sei die Abnahme der biologischen Vielfalt. Als Todeszonen werden Zonen im Meer bezeichnet, in denen bereits zu wenig Sauerstoff vorhanden ist – dort ist teilweise kaum mehr Leben zu finden. Sinkt der Sauerstoffgehalt des Wassers unter ein bestimmtes Niveau, fliehen die Meerestiere oder sterben – und Fische, Korallen oder Muscheln verschwinden. Häufig finde man solche Gebiete in Flussmündungsgebieten, wo Abwasser und Kunstdünger oder Gülle aus der Landwirtschaft ins Meer fließen und es umkippen lassen. Auch in der Ostsee ist laut Meeresatlas der Sauerstoffgehalt seit Jahrzehnten stark rückläufig.

Dazu kommt Radioaktivität durch versenkte und längst rostende Atommüllfässer, deren genaue Standorte teilweise sogar unbekannt sind, zudem durch die Fukushima-Katastrophe und Atomwaffentests aus den letzten Jahrzehnten; von diversen Kriegen lagert immer noch Munition im Meer: Etliche Staaten rund um den Erdball haben sowohl chemische als auch konventionelle Waffen im Meer versenkt.

Nicht zu vergessen sind der massive Seeverkehr für Warentransport und Kreuzschiffahrt, Tiefseebergbau, militärische Aktivitäten, das Rammen von Spundwänden für Häfen und Offshore-Anlagen, die Suche nach Öl- und Gasvorkommen mit Schallkanonen sowie die Öl- und Gasförderung. Auch der Lärm auf den Meeren nimmt aufgrund immer stärkerer Nutzung der Ozeane zu. Tendenz steigend. Fische und insbesondere Meeressäuger wie Wale und Delfine werden empfindlich beeinträchtigt. Die Tiere verirren sich, stranden und verenden im flachen Wasser.

Ohne den Ozean würde der Klimawandel deutlich schneller und radikaler verlaufen. Seine Wassermassen beeinflussen die Veränderungen in unserer Atmosphäre erheblich. Wie sich diese Verschiebung der Öko- und Klimasysteme noch auswirken wird, darüber können selbst Klimaexperten nur spekulieren.

Die Weltmeere brauchen Schutz!

Nur viereinhalb Prozent der Meere stehen weltweit unter Naturschutz, beklagt die Stiftung. Mindestens zehn Prozent müssten es sein, fordern Umweltorganisationen. Verschiedene Staaten beanspruchen die Nutzung der Meere mit Fischfang, Ölbohrungen, militärischem Gebiet etc. Große Teile des Meeres werden als „gemeinsames Erbe der Menschheit“ von den Vereinten Nationen verwaltet. Die Folge seien ungeklärte Zuständigkeiten und lückenhaftes Recht. Gemeinsame Regeln durchzusetzen gelte daher als schwierig. Was fehlt, so die Heinrich-Böll-Stiftung, wäre eine oberste internationale Behörde, die wirklich für den Schutz des ganzen Meeres verantwortlich ist.

Eine große Gelegenheit für einen ganzheitlicheren Ansatz beim Meeresschutz sei mit der Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung verbunden, die 2015 von den Vereinten Nationen verabschiedet wurde, so die Heinrich-Böll-Stiftung. Dem Schutz und der nachhaltigen Entwicklung der Ozeane, Meere und marinen Ressourcen ist darin ein eigenes Ziel – Sustainable Development Goal (SDG) 14 – gewidmet. Sieben Unterziele des SDG 14 wollen die Meeresverschmutzung vermeiden, die Meeresökosysteme schützen, die Überfischung beenden, Meeresschutzgebiete ausweisen oder die Folgen der Ozeanversauerung bekämpfen. Auch solle illegale, nicht gemeldete und unregulierte Fischerei gestoppt werden.

Doch noch fehle es den Nachhaltigkeitszielen für die Meere „an Biss“. Eine erste Chance biete sich bereits im Juni 2017 auf der Ozeankonferenz der Vereinten Nationen, auf der konkrete Schritte zur Umsetzung von SDG 14 international vereinbart werden sollen. na

Der Meeresatlas steht kostenlos zum Download bereit oder kann bestellt werden. 


Mehr zum Thema


Kommentare

Diskutieren Sie über diesen Artikel

Keine Kommentare gefunden!

Neuen Kommentar schreiben


Name: *
E-Mail: *
(wird nicht veröffentlicht)
Nicht ausfüllen!


Kommentar: *

(wird nicht veröffentlicht)
max 2.000 Zeichen


energiezukunft