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Wie Pflanzen beim Energiesparen helfen können

Im Stromsektor ist der Umbruch wohl nicht mehr aufzuhalten, aber was Gebäude, Landwirtschaft und Verkehr angeht, ist die Energiebilanz immer noch verheerend. In diesen Bereichen werden planetare Ressourcen nach wie vor verschwendet. Die IGA Berlin macht pflanzenbasierte Alternativen sichtbar.

10.08.2017 – Kleegrasgemisch, Schweinehaltung, Agrotreibstoffe – wenn Gerd Carlsson darüber zu sprechen beginnt, wie Landwirtschaft mit Fragen des gesamtgesellschaftlichen Energieverbrauchs verknüpft ist, ist er kaum zu bremsen. Der Landwirt steht auf dem Gelände der Internationalen Gartenausstellung (IGA) Berlin neben einem Elektrogrill, auf dessen Blech eine riesige Menge buntes Gemüse köchelt. Hinter den Tischen, an denen schon ein Dutzend Menschen auf das Gemüsecurry wartet, befindet sich der Acker, von dem das Essen stammt und um den sich Carlsson kümmert. Der sogenannte Weltacker ist ein pädagogisches Projekt, das veranschaulicht, wie die globalen Agrarflächen genutzt werden und welchen Effekt darauf der Konsum in den Wohlstandszonen des Planeten hat.

2000 Quadratmeter ist der Weltacker groß. Diese Zahl ergibt sich, wenn die weltweit verfügbare Ackerfläche durch die Zahl der Weltbevölkerung geteilt wird. 2000 Quadratmeter sollten also einen Menschen ernähren können. Auf dem Weltacker wird nun die globale Agrarproduktion abgebildet, und zwar ihrer prozentualen Verteilung gemäß. So werden hier auch Pflanzen angebaut, die eigentlich nicht in Deutschland wachsen, weil sie in größerem Maßstab hier nicht rentabel wären, zum Beispiel Baumwolle und Reis. Aber auf ein paar Quadratmetern ist der Anbau möglich. „Kleegräser nehmen zehn Prozent der weltweiten Anbaufläche ein“, hält Gerd Carlsson fest. Also werden hier drei solcher Arten auf 200 Quadratmetern angebaut. Sie sind wichtig für die Landwirtschaft, denn sie führen dem Boden Stickstoff zu, den das Gemüse braucht. Deshalb werden Kleegräser nach Ernten angepflanzt, um den Boden sozusagen aufzupäppeln. Sie ersetzen damit viel Kunstdünger, und dessen Herstellung ist extrem energieaufwändig.

Carlsson fände es deshalb sinnvoll, den Kleegrasanteil auf 30 Prozent der Agrarflächen zu steigern. Fast ein Drittel aller Anbauflächen – ist das nicht zu viel? „Das kann ja an Tiere verfüttert werden“, entgegnet der Landwirt von der Zukunftsstiftung Landwirtschaft unbeeindruckt. Für Tierfutter geht heute schon viel Agrarfläche verloren, wie auch auf dem Weltacker zu sehen ist. Zum Vergleich: Die 2000 Quadratmeter würden, wenn sie mit Getreide, Mais und Soja gefüllt wären, innerhalb eines Jahres gerade mal für die Mästung von zwei Schweinen auf 115 Kilogramm ausreichen.

Technologien für einen nachhaltigen Lebenswandel

Einen Steinwurf vom Weltacker entfernt zeigt die IGA unter der Überschrift „Horizonte“ Technologien für einen nachhaltigen Lebenswandel in der Stadt. Auch hier kann eine Pflanze eine revolutionäre Rolle spielen. „Bambus ist eine Schlüsselressource für eine globale postfossile Gesellschaft“, ist auf einer Schautafel zu lesen. Daneben steht ein turmähnliches „Tragwerk“ aus Bambusgeflecht, errichtet in einer Bauweise, die vor über 100 Jahren für Funk- und Strommasten erfunden wurde. Die Bambus-Stäbe stecken in einem Holzpodest. Das acht Meter hohe Geflecht ist in der Mitte schlank und erinnert so an einen Kraftwerkskühlturm. Oben und unten ist es über vier Meter breit.

Auf Schautafeln sind weitere Konstrukte aus Bambus zu sehen. Der wächst, je nach Sorte, zwischen 10 und 30 Zentimeter pro Tag (weswegen er übrigens früher zum Foltern verwendet wurde) und kann so Höhen von 10 Metern innerhalb eines Monats erreichen – ein unglaublich schnell nachwachsender Rohstoff also. „Unser bauliches Umfeld“ sei für über 60 Prozent unseres CO2-Ausstoßes und „einen Großteil des Verbrauchs von nicht erneuerbaren Ressourcen“ verantwortlich, lässt die Schautafel wissen. Die gezeigten Modelle und Bauten sind aus Italien, wo der Bambus auch angebaut wird. Für Fahrräder wird er ebenfalls längst verwendet.

TopFarmers stellt Aquaterraponik-System vor

Viele andere Stationen des IGA-Abschnitts „Horizonte“ dienen der Werbung für Firmen und Organisationen. Am überzeugendsten in Sachen Technologien zur Revolutionierung des Alltags ist das vor Ort im kleinen Maßstab installierte Aquaterraponik-System von der Berliner Firma TopFarmers. Aquaterraponik bedeutet, dass Fischhaltung und Gemüseproduktion parallel stattfinden, weil die Ausscheidungen der Fische die Pflanzen düngen, deren Erde vom selben Wasser durchflossen wird.

TopFarmers ist nicht die einzige Berliner Firma, die so etwas kommerziell macht, plant aber für dieses Jahr schon mit einer Produktion von 50 Tonnen Afrikanischer Wels und 30 Tonnen Salat, Kräuter, Tomaten, Gurken sowie Südfrüchte, Tendenz steigend. Dieser Wels lebe in der Natur zeitweise ähnlich beengt wie hier in den gläsernen Bottichen, sei da also entspannt, schreibt Topfarmers. Zudem wandele er jedes Kilogramm Futter in ein Kilogramm Fisch um und liefere eine leckeres Filet.

Effizient sei das Aquaterraponik-Modell auch sonst: Verglichen mit „konventionellen Erzeugnissen“ würden 80 Prozent an Wasser, Fläche und Kohlendioxid-Ausstoß eingespart. Landwirtschaft mitten in der Stadt und ohne Medikamente oder andere Chemikalien – das spart Verkehr und entlastet die Natur. Ralf Hutter


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